# taz.de -- Kommentar Räumung der Pizzeria Anarchia: Kasperletheater in Wien | |
> Spekulanten sind böse, die Polizei assistiert und Punks sind ganz nette | |
> Leute – so stellt sich das Spektakel der überzogenen Räumung fürs | |
> Publikum dar. | |
Bild: Na liebe Kinder, wer hat denn diese Sauerei gemacht? | |
In der nüchternen Beamtensprache klingen die Wiener Ereignisse so: „Zur | |
Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils über die Räumung eines Hauses | |
wurde die Polizei um Assistenzleistung ersucht.“ Diese Assistenzleistung | |
entpuppte sich als Euphemismus für Ausnahmezustand. Einen Tag lang | |
verwandelte die Polizei ein ganzes Stadtviertel in ein Sperrgebiet. 1700 | |
Beamte standen ganzen 19 Hausbesetzern gegenüber. Also rund 90 zu 1. Dazu | |
kamen dann noch Hubschrauber, ein Räumpanzer und ein Platzverbot für | |
Journalisten. | |
Offenbar wollte sich die Polizei bei ihrer Assistenzleistung nicht zusehen | |
lassen. Die massive öffentliche Kritik an diesem absurden Einsatz konterte | |
sie mit - „Gefahreneinschätzung“. Das ist mal echte Maßarbeit. Gut | |
geschätzt. Man hätte mit großer Gegenwehr gerechnet, heißt es. Klar. | |
Immerhin waren die Besetzer Punks. Und dann zur Hälfte auch noch Deutsche. | |
Eine Kombination, die hierzulande jeden Polizisten erschauern lässt - | |
deutsche Punks. | |
Krawalltouristen. Linke, gewaltbereite Chaoten also, die alle rechten | |
Phantasien beflügeln. Allerdings auch die Phantasie von Hausbesitzern und | |
Immobilienspekulanten. Denn diese hatten die Punks gerade deshalb | |
„engagiert“ – als Bürgerschreck. Für jene Mieter, die sie vertreiben | |
wollten. Das Schönste an dieser ganzen Eulenspiegelei ist deren Umkehr. | |
Denn die Punks haben sich nicht instrumentalisieren lassen. Sie haben sich | |
vielmehr mit den verbliebenen Mietern verbündet. Mehr Robin Hood als | |
Geisterbahn. Und damit wurden sie vom Mieter- zum Spekulantenschreck. | |
Zur Austreibung jener Geister, die sie selber riefen, haben die Spekulanten | |
dann die Polizei gebeten. Diese – immer weniger neutrale Ordnungshüterin – | |
hat in ihrer Einäugigkeit einen fulminanten Schuss nach hinten geliefert. | |
Denn mit ihrer überzogenen Inszenierung haben sie eine riesige Bühne | |
geschaffen, auf der die Rollen sehr eindeutig verteilt waren: Jetzt wissen | |
alle, wer das böse Spekulantenkrokodil, wer der tollpatschige Gehilfe und | |
wer die Retter der Oma sind. | |
30 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Isolde Charim | |
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