# taz.de -- Räumung der „Pizzeria Anarchia“ in Wien: Panzerwagen und Butte… | |
> Nach 10 Stunden holte die Polizei 19 Besetzer aus dem Haus im 2. Bezirk. | |
> Die Kritik an dem Einsatz ist groß. Nur die FPÖ hätte es gern noch | |
> härter. | |
Bild: Geballte Staatsmacht gegen Pizzabäcker. | |
WIEN taz | Die „Pizzeria Anarchia“ ist geräumt worden. Das Gründerzeithaus | |
in der Wiener Mühlfeldgasse kann jetzt saniert und zu Geld gemacht werden. | |
Nach zehnstündigem Einsatz gelang es der Polizei am Montagabend, zu 19 | |
Hausbesetzern, die sich im dritten Stock verschanzt hatten, vorzudringen. | |
Die 13 jungen Männer und sechs Frauen wurden wegen Widerstands gegen die | |
Staatsgewalt und Körperverletzung festgenommen. Weitere zwölf Personen, die | |
offensichtlich mit den Besetzern sympathisierten, gerieten ebenfalls in | |
Polizeigewahrsam. Ihnen wirft man Verwaltungsübertretungen vor. | |
Die Räumung glich einem Häuserkampf im Kriegsgebiet. Das Innenministerium | |
holte Verstärkung aus Oberösterreich und ließ schweres Geschütz auffahren: | |
Wasserwerfer und Panzerfahrzeuge. Denn man hatte „konkrete Hinweise, dass | |
Hausbesetzer schwere massive Gegenstände auch zum Werfen“ ins Haus | |
geschafft hatten, so Polizeisprecher Roman Hahslinger. | |
Von den angeblich 1.700 aufgebotenen Polizisten sollen laut Hahslinger | |
jeweils 400 bis 500 im Einsatz gewesen sein. Sie mussten sich durch mehrere | |
verschweißte Eisentore und Tonnen an Sperrmüll den Weg in den dritten Stock | |
des Gebäudes bahnen, wo die Punks der Räumung zu trotzen versuchten. | |
Angeblich hatten diese die „Pizzeria Anarchia“ auch durch metertiefe Fallen | |
abgesichert. | |
Zudem trafen die Polizisten auf den Barrikaden im Treppenhaus auf ihre | |
eigenen Sperrgitter, die sie am Vorabend am Einsatzort deponiert hatten. | |
„Ein Fehler“, wie sie später zugeben mussten. Während die Beamte wie | |
mittelalterliche Belagerer, die mit dem Rammbock gegen das Burgtor | |
anrennen, zunächst den Hauseingang aufzubrechen versuchten, wurden sie von | |
oben attackiert. Nicht mit Pfeilen und heißem Teer, sondern mit alten | |
Röhrenfernsehern, Buttersäure und Materie aus dem Verdauungstrakt. | |
Die Polizei hatte gestreut, dass mehrere Busse mit rund 300 Angehörigen der | |
Hamburger Autonomen-Szene unterwegs nach Wien seien, um der „Pizzeria | |
Anarchia“ Beistand zu leisten. Die Boulevardpresse hatte diese Meldung | |
aufgeregt aufgegriffen. Allerdings war von einer deutschen Unterstützung | |
während der Räumung nichts zu sehen. | |
## Zwischen 100.000 und drei Millionen Euro | |
Mit der Vertreibung der „Pizzeria Anarchia“ hat ein Kapitel perfider | |
Immobilienspekulation seinen Höhepunkt erreicht. Die einschlägig | |
berüchtigte Castella GmbH hatte vor drei Jahren das abgewohnte Mietshaus | |
erworben und die Punks mit der Absicht ins Haus geholt, die verbliebenen | |
Altmieter zu vergraulen. Diese kamen aber mit den neuen Nachbarn gut | |
zurecht. Gemeinsam trotzte man den Schikanen der Immobilienfirma. Zuletzt | |
konnte Castella aber einen Räumungsbefehl erwirken. | |
Zu den Kosten der Aktion gibt es keine zuverlässigen Angaben. Schätzungen | |
schwanken zwischen 100.000 und drei Millionen Euro. Sie werden vom | |
Steuerzahler getragen. Aber selbst konservative Kommentatoren fragen sich, | |
ob es nicht gerechter wäre, wenn die Immobilienhaie für den selbst | |
verschuldeten Einsatz zur Kasse gebeten würden. | |
In den sozialen Netzwerken überwiegt die Kritik an der offensichtlichen | |
Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes gegen 19 Punks. „Wie viele | |
Polizist_innen braucht es, um Spekulationen und den kapitalistischen | |
Immobilienmarkt zu fördern?“, fragt auf [1][Twitter] eine flora_ohnefauna. | |
Auch „Hr. Lustig“ findet, „Die Österreichische Polizei ist ein Witz, | |
schlagerhörende Schläger,... Unsere Deutschen Nachbarn lachen sich krumm!“ | |
Sympathisanten der Polizeiaktion toben sich vor allem auf der Homepage der | |
FPÖ aus und rufen nach Lynchjustiz: „Kontrolliertes Abfackeln eines | |
Gebäudes ist sicher billiger als brandwache in der ganzen Stadt. Und | |
grematorium (sic!) hat auch keine Arbeit mit dem dubiosen Inhalt“. Der Post | |
erhielt zahlreiche Likes. Ein anderer Kommentator schlug vor, die | |
Brandfackel gleich auch ins (rot-grün regierte) Rathaus und ins Parlament | |
zu tragen. | |
29 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://twitter.com/search?f=realtime&q=%23pizzableibt&src=typd | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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Hans Panhoff | |
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