| # taz.de -- Kommentar Waffen nach Kurdistan: Im moralischen Grenzbereich | |
| > Unabhängig davon, ob Waffenlieferungen in den Irak im Moment richtig | |
| > sind: Die Begründung der Bundesregierung dafür ist moralisch fragwürdig. | |
| Bild: Kurdische Kämpfer nahe Erbil. | |
| Vor 35 Jahren, 1979, marschierten vietnamesische Soldaten in Kambodscha | |
| ein. Diese militärische Aktion ließ sich nur mittels sehr gewagter | |
| Deutungen mit dem internationalen Recht in Einklang bringen. Doch niemand | |
| wird bestreiten, dass diese Tat moralisch gerechtfertigt war. Denn sie | |
| bedeutete das Ende des Terrorregimes von Pol Pot. | |
| Es gibt Grenzsituationen, in denen Aktionen am Rand des Legalen moralisch | |
| richtig sein können. Und es ist kein Alarmismus, die entfesselte Gewalt der | |
| Milizen des „Islamischen Staats“ (IS) im Nordirak und Syrien mit dem Terror | |
| von Pol Pot zu assoziieren. Deutschland wird nun Waffen an irakische Kurden | |
| liefern. Damit setzt die Bundesregierung faktisch die Richtlinien für | |
| Waffenexporte aus, die Lieferungen in Spannungsgebiete untersagen. | |
| Welche und wie viel Waffen in Kurdistan ankommen werden, ist noch offen. | |
| Vielleicht Munition, die die Peschmerga-Kämpfer benötigen, um ihre | |
| Stellungen gegen IS zu halten. Vielleicht aber panzerbrechende Waffen. Das | |
| macht einen Unterschied. Bei Munition ist es die Gefahr, dass sie in | |
| anderen Kriegen gegen andere Gegner verwendet wird, überschaubarer als bei | |
| Antipanzerraketen. Niemand weiß, ob Waffen, die in den Irak geliefert | |
| werden, mit Gewissheit nur gegen IS verwendet werden. | |
| Wer so tut, als wäre richtig und falsch klar, macht es sich zu einfach. | |
| Denn IS muss militärisch gestoppt werden – das spricht für | |
| Waffenlieferungen. Die politische Lösung aber liegt nicht bei den Kurden, | |
| sondern in Bagdad. Denn nur wenn das Bündnis der Terroristen mit den im | |
| Irak unterdrückten Sunniten gelockert wird, kann IS besiegt werden. | |
| Die irakische Regierung aber wird bei der Waffenlieferung der EU an die | |
| irakischen Kurden nicht gefragt. Die Gefahr ist, dass eine einseitige | |
| Aufrüstung der irakischen Kurden den Zusammenbruch des zerfransten | |
| irakischen Staates erst recht beschleunigt. | |
| Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen trifft in dieser heiklen | |
| Debatte genau den falschen Ton. Welche Waffen man liefere, sei nicht so | |
| wichtig, sagt sie – Hauptsache, man lege „Tabus beiseite“. Es geht also | |
| weniger um IS oder die Rettung von Zivilisten. Sondern mal wieder darum, | |
| Tabus zu knacken und die tief sitzende bundesrepublikanische Skepsis | |
| gegenüber dem Militärischen sturmreif zu schießen. Das ist, unter allen | |
| Argumenten für und gegen Waffenlieferungen, mit Abstand das schlechteste, | |
| ja unmoralischste. | |
| 20 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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