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# taz.de -- Kommentar Obamas IS-Strategie: Alte Fehler, neue Fehler
> In seiner mit Spannung erwarteten Rede zur US-Strategie gegen IS gibt
> Obama den Bush: Die Radikalisierung in der Region wird so weitergehen.
Bild: Amerikas Stärke? US-Militärflugzeug, das im Irak eingesetzt wird.
Das ist keine Strategie. Was US-Präsident Barack Obama in der Nacht zum
Donnerstag bei seiner Fernsehansprache an die US-Bevölkerung verkündete,
kann bestenfalls als ad-hoc-Maßnahmenpaket durchgehen. Obama will die
Luftangriffe auf Stellungen des selbst ernannten Islamischen Staates (IS)
ausweiten, will nicht mehr nur im Irak, sondern auch in Syrien angreifen,
spricht davon, eine breite Allianz gegen IS aufzubauen und will die
irakische Armee, die kurdischen Peshmerga und die Freie Syrische Armee
ausrüsten und trainieren, um den Bodenkampf gegen IS zu führen.
All das ist bestenfalls geeignet, den Vormarsch von IS aufzuhalten,
vielleicht sogar, wie es Obama als Ziel formulierte, die Struktur der Miliz
tatsächlich mittelfristig zu zerstören – ein zugegeben legitimes Ziel im
Angesicht ihrer brutalen Vorgehensweise. Sicher ist allerdings nicht einmal
das.
Trainieren die USA nicht schon seit vielen Jahren die irakische Armee?
Warum sollte das jetzt eher von Erfolg gekrönt sein als bisher? Und wird
die gerade neu – und noch nicht einmal vollständig - gebildete irakische
Regierung wirklich in der Lage sein, jenen Eindruck schiitischer Dominanz
aufzulösen, der ja in den vergangenen Jahren der Nährboden für IS im Irak
war?
Und letztlich: Obama hat seine gesamte Ansprache in das Vokabular des
Anti-Terror-Krieges gekleidet, das er von seinem Vorgänger übernommen hat.
Wie einst George W. Bush verkündete Obama jetzt, Terroristen würden
nirgends einen „sicheren Hafen“ finden, Amerikas Stärke würde sie überall
zur Strecke bringen.
## Altes Vokabular
Wer die innenpolitischen Auseinandersetzungen in den USA in den letzten
Wochen und Monaten verfolgt hat, versteht, dass Obama sich gefordert sah,
Testosteron zu demonstrieren. Aber wer die weltpolitischen Ergebnisse jener
"Politik der Stärke" in den letzten 13 Jahren seit den Anschlägen des
11.September 2001 betrachtet, der sieht nicht die Zerstörung, sondern einen
schier unaufhaltsamen Aufstieg militanten radikal-islamistischen
Gedankenguts in immer neuen Ausdrucks- und Organisationsformen.
Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass diese neue militärische Intervention
ein abweichendes Ergebnis produzieren könnte. Die westlichen Regierungen
sind sich einig, und auch Obama hat das bei seiner Rede erneut bestätigt,
dass es bislang keine Anzeichen dafür gibt, dass von IS eine unmittelbare
Bedrohung jenseits der Region ausginge. Aber, so das Argument, viele der
ausländischen Kämpfer könnten nach Europa und in die USA zurückkehren und
dort Terroranschläge verüben. Das scheint realistisch – mit Obamas neuer
„Strategie“ dürfte es zur Gewissheit werden.
Als Blaupause für seine IS-Strategie gab Obama den erfolgreichen
Drohnenkrieg in Pakistan, Somalia und Jemen an, mit dem es gelungen sei,
die Führungsebenen terroristischer Organisationen zu zerschlagen. Selbst
wenn man beiseite lässt, dass die völkerrechtliche Legitimität dieser Art
der Kriegführung zumindest umstritten ist - nicht wenige Völkerrrechtler
definieren den Drohnenkrieg als extralegale Hinrichtungen – so legen doch
unzählige Berichte gerade aus dem Jemen nahe, dass die vielen zivilen Toten
der Drohnenangriffe eher zur weiteren Radikalisierung beigetragen und Hass
geschürt haben.
Die kurzfristige militärische Erfolgsmeldung wird so langfristig zum
Bumerang. Zugegeben: eine einfache und richtige Lösung gibt es nicht. IS
einfach gewähren lassen, kann keine Option sein. Und der Hinweis darauf,
dass der verbrecherische Irakkrieg der Bush-Regierung die jetzige
Katastrophe überhaupt erst möglich gemacht hat, ist zwar richtig, hilft
aber nicht weiter.
Ein US-amerikanischer Politikanalyst formulierte vor kurzem, der erste
Fehler sei es gewesen, in den Irak einzumarschieren, der zweite Fehler,
sich aus dem Irak zurückzuziehen. Jetzt ist die Situation auf eine Art
verfahren, dass fast nur noch Folgefehler möglich sind. Nur ein Gewinner
steht von vornherein fest: die internationale und insbesondere die
US-amerikanische Rüstungsindustrie.
11 Sep 2014
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
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