| # taz.de -- Protestieren gegen Antisemitismus: Merkel warnt vor Intoleranz | |
| > 4.000 Menschen kamen am Sonntag zu der Kundgebung in Berlin. Der | |
| > Zentralrat der Juden fordert von den Islam-Verbänden mehr Einsatz gegen | |
| > Judenhass. | |
| Bild: Bei Angela Merkels Rede brandete mehrmals lauter Applaus auf. | |
| BERLIN taz | Auf Angela Merkel hatten alle gewartet, und die Kanzlerin | |
| enttäuschte die Erwartungen nicht. Dass heute wieder so viele Juden in | |
| Deutschland lebten nannte sie "ein Wunder", dass sie "mit großer | |
| Dankbarkeit" erfülle. Deutschland sei sich seiner Verantwortung bewusst. | |
| Angriffe auf jüdische Einrichtungen seien ein Angriff auf deutsche Kultur, | |
| und antijüdische Parolen, zu denen es im Sommer bei manchen der | |
| Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg gekommen war, nannte sie einen | |
| Missbrauch des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Dass Juden und | |
| Israel-Freunde angepöbelt worden seien nannte sie einen "ungeheuren | |
| Skandal“, der sie schmerze. Mehrmals brandete bei ihrer Rede lauter Applaus | |
| auf. | |
| Rund 4000 Menschen hatten sich am Sonntag vor dem Brandenburger Tor in | |
| Berlin versammelt, um gegen Antisemitismus zu protestieren. Zu Beginn der | |
| Demonstration unter dem Motto „Steh auf! Nie wieder Judenhass!“ zeigte sich | |
| der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, | |
| empört über die „schauderhaften Schockwellen von Judenhass“, die er in den | |
| vergangenen Wochen erlebt habe. Er hob hervor, dass der Zentralrat in | |
| seinem Verhältnis zu Israel „nie neutral“ sein werde, und dass mit der | |
| Hamas kein Frieden zu machen sei. Aber wer wegen Israel zum Antisemiten | |
| werde, "der war schon immer Antisemit". Auch die Übergriffe auf Moscheen, | |
| die in den letzten Wochen zugenommen haben, verurteilte Graumann. Von den | |
| muslimischen Gemeinden in Deutschland forderte er jedoch zugleich, „den | |
| katastrophalen Judenhass in ihren Gemeinden endlich konsequenter zu | |
| bekämpfen“. | |
| Fast die gesamte politische Elite der Bundesrepublik hatte sich am Sonntag | |
| vor dem hermetisch abgeriegelten Brandenburger Tor eingefunden. Vertreter | |
| aller Parteien, von der „Linkspartei“ und den Grünen bis zur „Alternative | |
| für Deutschland“, und vom DGB über die Türkische Gemeinde bis zur | |
| Bild-Zeitung, hatten zu der Kundgebung aufgerufen. In der ersten Reihe | |
| saßen Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Innenminister | |
| Thomas de Maizière sowie Bundespräsident Joachim Gauck und Veteranen wie | |
| Ex-Außenminister Joschka Fischer und Ex-Bundespräsident Christian Wulff. | |
| Entsprechend hoch waren die Sicherheitsvorkehrungen: Mannschaftswagen der | |
| Polizei hatten sich an den Eingängen zum angrenzenden Tiergarten postiert, | |
| Sicherheitsleute mit Sonnenbrille bewachten die Bühne. | |
| Schon zwei Stunden vor Beginn hatten sich die ersten Teilnehmer mit | |
| zahlreichen Israel-Fahnen eingefunden. Eine von ihnen zeigte sich davon | |
| überzeugt, dass sich in den letzten Wochen bloß ein lange unterdrückter | |
| Judenhass wieder Bahn gebrochen habe: "Die Ratten sind aus den Löchern | |
| gekommen", sagte sie. Und ihre Nachbarin war sich sicher: "Hätte es Axel | |
| Springer nicht gegeben, wäre alles viel schlimmer gewesen". | |
| ## Juden als „Sündenböcke“ | |
| Zu den geladenen Rednern gehörte auch der Regierende Bürgermeister von | |
| Berlin, Klaus Wowereit. Er nannte die wachsende Zahl von Israelis in seiner | |
| Stadt ein „wunderbares Zeichen und Vertrauensbeweis für die Vielfalt | |
| unseres Landes“, und bekannte sich „ohne Wenn und aber zum Existenzrecht | |
| Israels“. Doch als er sich auch für einen friedlichen Ausgleich mit den | |
| Palästinensern stark machte, fiel der Applaus für ihn spürbar leiser aus. | |
| Ronald Lauder, der Präsident des World Jewish Congress, sagte in seiner | |
| teilweise auf Deutsch gehaltenen Rede, Deutschland sei für Juden generell | |
| ein sicheres Land. Doch in Zeiten der Krise würden Juden gerne als | |
| „Sündenböcke“ heran gezogen, und mit „importierter antisemitischer | |
| Propaganda aus dem Nahen Osten“ verschärfe sich das Problem. | |
| Neben ausgesprochenen Israel-Unterstützern, welche die Mehrheit der | |
| Demonstranten ausmachten, hatten sich auch etwa 200 Friedens-Aktivisten | |
| unter das Publikum gemischt, die sich selbst als „unzionistische Juden“ | |
| bezeichneten und auf mitgrebrachten Plakaten und Bannern die Politik der | |
| israelischen Regierung kritisierten. Am Rande der Kundgebung kam es zu | |
| Rangeleien zwischen beiden Gruppen, bei denen am Ende die Polizei | |
| eingreifen musste. | |
| Auch eine Gruppe von Aktivisten der Alternative für Deutschland“ (AfD) | |
| hatte sich eingefunden. Sie nutzten die Gelegenheit, um Plakate zu | |
| schwenken, auf denen unter anderem zu lesen stand: „Der neue Judenhass ist | |
| importiert.“ | |
| 14 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Gil Shohat | |
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