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# taz.de -- Antisemitismus im Internet: Betreff: Judenhass
> Tausende Hassmails gingen in den vergangenen Wochen bei der israelischen
> Botschaft in Berlin ein. Eine Analyse der antisemitischen Schreiben.
Bild: Gegen die Raketen der Hamas verteidigt sich Israel mit dem Abwehrsystem �…
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel zitiert antisemitische und
volksverhezende Äußerungen, die der israelischen Botschaft in Berlin
zugesandt wurden.
BERLIN taz | Birgit* arbeitet in der israelischen Botschaft in Berlin. „Ich
bin eigentlich sehr abgehärtet“, sagt sie. Aber seit Kurzem hat sie in den
sozialen Netzwerken alle Hinweise auf ihren Arbeitsplatz gelöscht. „Man
darf denen nicht die Macht geben, mich mit ihren Äußerungen zu verletzen.“
„Denen“ – damit sind diejenigen gemeint, die seit Beginn des Gazakriegs im
Juli auf der [1][Facebook-Seite der Botschaft], auf [2][Twitter] oder bei
[3][YouTube] Hasseinträge hinterlassen. Andere schreiben ausführliche
Briefe oder senden Ansichtspostkarten mit hübschen Bildmotiven, die, wie es
sich gehört, korrekt frankiert sind.
Weniger korrekt sind die Inhalte: Djibriel S.: „Hamas sollte mal Zyklon B
einsetzen.“ Günter K.: „Wie schön wäre die Welt ohne Juden.“ Taner K.:
„Hitler wo bist duuuuuuuuuu.“ Maurice A.: „Ihr dreckigen Juden gehört
vergast!!!“
## „Kindermörder! Kindermörder!“
Tausende solcher und ähnlicher Nachrichten sind in den letzten Wochen bei
der israelischen Botschaft angekommen. Ein Großteil davon flimmerte auch
auf Birgits Bildschirm, sie arbeitet für die Social-Media-Abteilung. „Ich
erspare mir das Lesen bis zum Ende“, sagt sie.
Einmal, Birgit hatte bei Facebook „Danke für Eure Solidarität“ an die
Israelunterstützer gepostet, ergoss sich ein solcher Strudel
Hassnachrichten über sie, dass sie mit dem Löschen nicht mehr nachkam. „Die
ganze Abteilung hat das Wochenende damit verbracht, nur die Delete-Taste zu
drücken“, sagt sie.
„Ich ficke euch, ihr Judensöhne. Ich ficke euer Papst und kacke auf Israel
ihr Hunde.“ „Verdammte Zigeuner Zionisten!!!“ „Kindermörder! Kindermö…
Kindermörder!“ – Was sind das für Nachrichten?
Der taz liegen Hunderte dieser Briefe, Mails und Twitter-Nachrichten an die
israelische Botschaft vor. Einige von ihnen beschäftigen sich durchaus
ernsthaft mit dem Krieg. Ihre Autoren fordern den Staat Israel dazu auf,
den Konflikt zu beenden und den Palästinensern mehr Freiheiten zu geben.
Aber das sind Ausnahmen.
Viele kurze Facebook-Einträge beschränken sich auf wüste Beschimpfungen,
wobei sich die Nutzer immer weiter gegenseitig aufstacheln. Dann gibt es
die Briefe und Mails, in denen Menschen in aller Ausführlichkeit ihr
antisemitisches Weltbild vorstellen, manche mit Klarnamen und Adresse. Fast
allen diesen Nachrichten gemeinsam sind die Analogien, die zwischen dem
Konflikt Gaza – Israel und der Vernichtung der Juden im Nationalsozialismus
gezogen werden – ein klassisches antisemitisches Stereotyp.
## Die vermeintlich Enttäuschten
Darunter gibt es auch die vermeintlich Enttäuschten, die behaupten, sich
angesichts des Krieges von Israel abwenden zu müssen: „Eigentlich wollte
ich nach Israel reisen“, behauptet etwa Erich P., der diesen Plan aber
verworfen haben will: „Dieser Völkermord an den Palästinensern ist genauso
übel wie der Holocaust, aber leider haben die Juden nichts aus der
Geschichte gelernt.“ Hier wird ein weiteres Klischee benutzt, nach dem die
Juden durch ihr Verhalten selbst am Antisemitismus schuld seien.
Es finden sich diejenigen, die Ähnliches ohne größere Pirouetten äußern,
etwa: „Was unterscheidet euch von Nazis? Ihr Menschenschlächter! Ich hasse
Nazis und euch mordenen Israelis!“ Oder, kurz und handschriftlich:
„Mörderstaat Israel ich bitte sie Deutschland zu verlassen. Ich möchte kein
Volk hier haben, dass wie Nazis agieren, das hatten wir schon.“
Ein weiterer Typus der Hassschreiben: Die Empfänger werden nicht nur mit
Nazis gleichgesetzt, ihnen wird zudem das gleiche Schicksal wie den
Naziopfern angedroht. Ein Jochen lässt wissen: „Bis jetzt fand ich das nie
gut was die Nazis gemacht haben aber jetzt glaube ich sie haben noch zu
viele von Euch am Leben gelassen! Ich habe Hoffnung, dass der Iran euch
irgendwann auslöscht!“ Endlich frei von der eigenen Verantwortung zu sein,
wünscht sich der Autor dieses Schreibens. Denn indem er das Handeln Israels
mit den Verbrechen der Nazis gleichsetzt, müsse er sich nicht mehr für die
deutsche Geschichte genieren.
Und schließlich tragen Neonazis oder NS-affine Menschen ihren Teil zu
diesem Panoptikum der Scheußlichkeiten bei: „Hätte unser geliebter Führer
Adolf Hitler, Gott hab ihn selig, alle verpissten Juden dahin geschlachtet,
hätten wir heute nicht diesen ganzen Juden-Dreck auf Gottes Erde“, erklärt
ein Schreiber.
## „Hitler kommt wieder!“
Und weil zum Antisemitismus auch der ganz normale Rassismus dazugehört,
schreibt er weiter: „Nach Euch Drecks-Juden kommen dann die Moslems dran.“
Ozan G. dagegen lässt wissen: „Hitler kommt wieder! Und das ist euer Ende
ihr Zionisten! Die muslimischen Länder wärden sich zusammentun und euch aus
der Landkarte entfernen! Hoch lebe die Türkei.“
Welche Menschen schreiben so etwas? Eine schwierige Frage,
selbstverständlich lassen sich Absenderangaben im Internet nach Belieben
manipulieren. Ein Teil der Schreiben macht den Anschein, von Migranten zu
stammen: mit türkischen und palästinensischen Flaggen in ihren Profilen.
Doch quantitative Aussagen etwa über einen möglichen Migrationshintergrund
sind schwer zu machen, wenn dort, wo ein „Mahmud“ steht, auch ein
„Eberhard“ am Werk sein kann – und umgekehrt.
Das weiß auch Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman: „Sie verstecken
sich hinter diesen E-Mails“, sagt er, und weiter: „Ich kann nur vermuten,
dass das, was in den sozialen Netzwerken geäußert wird, dem entspricht, was
manche Leute wirklich denken.“
Die Schreiben sind Anzeichen des Antisemitismus, der in der realen Welt
zweifellos existiert. Aber, sagt Hadas-Handelsman: „Das eigentliche Problem
ist die schweigende Mehrheit. Die Deutschen sollten sich fragen, warum sich
manche Juden in Deutschland nicht mehr sicher fühlen.“ Und er zitiert
Dieter Graumann, den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland,
der jüngst äußerte: „Das sind die schlimmsten Zeiten seit der Naziära.“
## „Eine Minderheit von Fanatikern“
Antisemitismusforscher wie Wolfgang Benz glauben nicht, dass sich der
Judenhass in Deutschland wesentlich verstärkt hat. „Es handelt sich um eine
kleine Minderheit von Fanatikern. Diese Minderheit bekommt jetzt eine
Aufmerksamkeit, die sie von ihrem politischen und zahlenmäßigen Gewicht
nicht verdient“, sagt Benz zu den Vorfällen auf einigen Demonstrationen
anlässlich des Gazakriegs. Etwa jeder fünfte Deutsche gilt als latent
antisemitisch. Zu diesem Schluss kommt der Antisemitismusbericht für den
Bundestag von 2012. Die Zahl ist seit Jahren stabil.
Auch wenn die Zahl der Judenhasser sich nicht erhöht hat, die
antisemitischen Schmähungen sind in den letzten Jahren explodiert. Die
Linguistin Monika Schwarz-Friesel, die 14.000 Hassschreiben an die
israelische Botschaft und den Zentralrat der Juden aus der Zeit zwischen
2002 und 2012 untersucht hat, schreibt von einer „neuen Qualität der
verbalen Gewalt im alltäglichen und öffentlichen Diskurs über Israel“.
Eine „qualitative Veränderung“ der verbalen Antisemitismen erkennt auch
Stefanie Schüler-Springorum vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der
TU Berlin. Das Tabu bekommt immer mehr Risse. Für diesen Sonntag ruft der
Zentralrat der Juden zu einer großen Demonstration „[4][Steh auf! Nie
wieder Judenhass!]“ am Brandenburger Tor in Berlin auf. Alle politischen
Parteien von der Linken bis zur CSU unterstützen die Veranstaltung.
Birgit, die junge Frau, die die Hassmails an der israelischen Botschaft
empfängt, sagt, sie finde „es sehr gut, dass dort die Spitze des Staats ein
Zeichen setzt“. Ob sie selbst hingehen wird, weiß sie noch nicht. „Ich bin
ja selbst Betroffene.“
*Name von der Redaktion geändert
14 Sep 2014
## LINKS
[1] http://www.facebook.com/IsraelinGermany
[2] http://twitter.com/IsraelinGermany
[3] http://www.youtube.com/user/BotschaftIsrael
[4] http://www.zentralratdjuden.de/de/article/4930.steh-auf.html
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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