# taz.de -- Mit Ceta auf Stimmenfang: Hoffen auf gute Nachrichten | |
> Kanadas Premier setzt auf Ceta – obwohl sein Land nicht nur gute | |
> Erfahrungen mit Freihandel hat. Doch Stephan Harper braucht positive | |
> Schlagzeilen. | |
Bild: Zeigt sich bisher von der Kritik an Ceta unbeeindruckt: Kanadas Premiermi… | |
EDMONTON taz | Kanadas Premierminister Stephen Harper und | |
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wollen das Ceta-Abkommen am | |
Freitag vorstellen – und wenn sie das tun, wird es an Pomp und Pathos nicht | |
fehlen. Daran hat vor allem der kanadische Premier ein Interesse. | |
Für Harper gehören Freihandelsverträge – erst mit Europa, später mit | |
Ländern aus Asien – zum Kern seiner wirtschaftsliberalen Agenda. Ceta | |
nannte er historisch – obwohl er sich angesichts der vielen Widerstände in | |
Europa nicht sicher sein kann, ob es je in Kraft tritt. | |
Doch Harper setzt aus innenpolitischen Gründen unbeirrt auf das Abkommen. | |
In Kanada wird 2015 gewählt, und Harper liegt in Umfragen seit Monaten | |
hinter dem jugendlich-frischen Oppositionspolitiker Justin Trudeau von der | |
Liberalen Partei zurück. Die Wirtschaft in Kanada wächst langsamer als | |
erhofft, ebenso die Zahl der Erwerbstätigen. Politiker seiner konservativen | |
Partei stehen wegen diverser Spesenskandale in der Kritik. | |
Der Premier kann positive Schlagzeilen also gut gebrauchen. Und so bemüht | |
er sich, die Kanadier von Ceta zu überzeugen: Der Warenaustausch zwischen | |
beiden Wirtschaftsräumen soll um 25 Prozent wachsen, und die Regierung | |
verspricht 18.000 neue Jobs quer durch alle Branchen: von der Fischerei | |
über die rohstoffverarbeitende Industrie bis hin zur Forstwirtschaft. | |
Die Industrie, die großen Medien und die politischen Eliten in Kanada | |
unterstützen den Vertrag, auch zwei Drittel der Kanadier befürworten mehr | |
Handel mit der EU. Allerdings fühlen sich die meisten zu wenig über Ceta | |
informiert. 80 Prozent der Bürger sprachen sich daher für öffentliche | |
Anhörungen vor einer Ratifizierung aus. | |
## Auch Nafta ist umstritten | |
Nicht wenige Kanadier sind skeptisch, denn mit dem Freihandel haben sie | |
nicht nur gute Erfahrungen gemacht, seit vor gut 20 Jahren das | |
Nafta-Abkommen mit den USA und Mexiko in Kraft trat. Das betrifft auch die | |
Regeln zum Investorenschutz, wie sie ähnlich für Ceta geplant sind. Diese | |
ermöglichen es Firmen, einen Staat an der Gerichtsbarkeit vorbei zu | |
verklagen, wenn sie durch eine politische Entscheidung ihre Investition | |
geschmälert sehen. | |
Die regierungskritische Organisation Canadian Centre for Policy | |
Alternatives (CCPA) hat berechnet, dass diese Klauseln die kanadischen | |
Steuerzahler bislang 170 Millionen Dollar gekostet haben. Vor ein paar | |
Jahren verklagte etwa der US-Eigentümer einer Jagd-Lodge in Kanada die | |
Regierung, als diese zum Schutz von Rentieren die Jagdquoten senken wollte. | |
## Bilanz ist verheerend | |
Auch die ökonomischen Vorteile von Nafta sind in Kanada umstritten. Zwar | |
hat sich der Handel mit den USA seit dem Abschluss des Vertrages fast | |
verdreifacht – Freihandelskritiker bemängeln aber, dass davon hauptsächlich | |
Konzerne und Vermögenseigentümer profitieren. | |
„Die Bilanz von Nafta ist verheerend“, so die CCPA. Die Organisation und | |
Gewerkschaften bemängeln, dass viele der durch Nafta entstandenen Jobs nur | |
Teilzeit sind oder niedrig bezahlt werden. Die Vermögensverteilung habe | |
sich weiter zugunsten der Reichen verschoben. | |
Trotzdem treibt Harper seine Freihandelsagenda voran: Er glaubt, dass das | |
Abkommen seine Wahlchancen verbessert. Tatsächlich braucht Harper Ceta | |
politisch wahrscheinlich dringender als die EU. Mit etwas Druck aus Brüssel | |
und Berlin würde er sich Nachbesserungen kaum verschließen können. | |
24 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Jörg Michels | |
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