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# taz.de -- Fossile Kraftwerke: Trillern für die Gasturbine
> Gewerkschaften und Energieversorger haben Demos angekündigt, um fossil
> befeuerte Kraftwerke zu retten. Tausende wollen demonstrieren.
Bild: Ver.di pfeift für Kohlekraftwerke, wie dieses hier in der Nähe von Cott…
BERLIN taz | Ver.di-Chef Frank Bsirske gehört nicht eben zu den
Energieexperten der Nation. Am Montag dieser Woche nahm er sich jedoch
eines echten Expertenthemas mit dem sperrigen Namen „Kapazitätsmarkt“ an.
Das könnte die Debatten über die Energiewende in Deutschland im nächsten
Jahr deutlich verschieben: Weg von der Frage, wie erneuerbare Energien
ausgebaut werden – hin zu der Frage, wie konventionelle Gas- und
Kohlekraftwerke erhalten werden.
Genau das nannte Bsirske eine „erfolgskritische Frage zum Gelingen der
Energiewende“ und erklärte damit ein Bündnis zwischen Energieversorgern und
Gewerkschaften zur Chefsache, das schon seit einigen Monaten ein
gemeinsames Modell verficht: Neben Ver.di wollen der Bundesverband der
Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Verband kommunaler Unternehmen
den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dazu drängen, einen
sogenannten Kapazitätsmarkt einzuführen.
Die Verbände vertreten vor allem Stadtwerke und Konzerne wie RWE, Eon oder
Vattenfall. Am heutigen Mittwoch wollen Tausende Beschäftigte der
Energiewirtschaft für einen Kapazitätsmarkt auf die Straße gehen. Ohne
einen solchen seien mehr als 20.000 Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft
gefährdet, sagte Bsirske, zugleich stellvertretender
Aufsichtsratsvorsitzender von RWE.
Der Plan von BDEW und VkU für einen Kapazitätsmarkt sieht vor, dass
Betreiber konventioneller Kraftwerken künftig nicht mehr primär für die
Produktion von Strom entlohnt werden. Vielmehr sollen Stromvertriebe
künftig für ihre Region nachweisen müssen, dass sie den Bedarf ihrer Kunden
jederzeit decken können – sie müssen sich also für den Fall absichern, dass
Wind und Sonnenstrom nicht zur Verfügung stehen.
## Das „Hartz IV für Kraftwerke“
Entweder müssten ihre Kunden flexibler werden: Kühlhäuser könnten etwa
Temperaturen zusätzlich senken, wenn genug Strom vorhanden ist und so einen
Kältepuffer aufbauen. Oder die Vertriebe müssen Stromproduzenten dafür
bezahlen, ihre Kraftwerke jederzeit in Bereitschaft zu halten.
Die Frage ist, welche Kraftwerke. „Wir Gewerkschaften fordern, soziale und
ökologische Kriterien zu definieren“, sagte Ver.di-Energieexperte Reinhard
Klopfleisch. Sprich: In den Kraftwerken müssten Tariflöhne gezahlt werden,
zudem müssten Höchstwerte für Emissionen definiert werden, damit nicht
alte, ineffiziente, dafür aber billige, weil längst abbezahlte Kraftwerke
die modernen vom Markt drängen. Laut Rheinischer Post gibt es auch im
Bundeswirtschaftsministerium derartige Überlegungen.
In jedem Fall müssen die Kosten für Ersatzkraftwerke letzten Endes die
Verbraucher zahlen. Hintergrund ist, dass vor allem teure Gaskraftwerke
kaum noch Geld abwerfen, weil der Ausbau erneuerbarer Energien zu einem
Überangebot an Strom führt. Laut BDEW sind 50 konventionelle Kraftwerke in
Deutschland zur Stilllegung angemeldet, weshalb bis 2020 eine
Versorgungslücke drohe.
Doch ob das eintrifft, darüber gibt es einen klassischen deutschen
Gutachterstreit. Dem Bündnis aus Energieversorgern und Gewerkschaften stößt
besonders bitter auf, dass Gabriel einem Kapazitätsmarkt skeptisch
gegenübersteht. „Hartz IV für Kraftwerke“ nannte er die Idee. Eine vom
Bundeswirtschaftsministerium beauftragte Studie kam im Sommer zu dem
Ergebnis, der Kapazitätsmarkt sei nicht nötig.
Alle Beteiligten verhandeln derzeit in dem Dialogforum „Plattform
Strommarkt“, wie es weiter gehen soll. Noch im November könnte daraus ein
erstes „Grünbuch“ aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommen, das den Kurs
absteckt.
8 Oct 2014
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Fossile Brennstoffe
Energiewende
Demonstrationen
Verdi
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Strom
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