# taz.de -- Der neue Berliner Bürgermeister: Dreikampf um die Macht | |
> Wer wird Wowereits Nachfolger? Sein langjähriger Kronprinz Müller, der | |
> innovative Macher Stöß oder der erfolgreiche Migrant Saleh? | |
Bild: Der Stadtentwicklungssenator Michael Müller, der SPD-Fraktionsvorsitzend… | |
BERLIN taz | Der ruhige Nachlassverwahrer. Der selbsternannte Neuerer. Der | |
junge Migrant. Es mangelt nicht an Etiketten für [1][Michael Müller] (49), | |
[2][Jan Stöß] (41) und [3][Raed Saleh] (37), die SPD-Politiker, die | |
Regierender Bürgermeister von Berlin werden wollen. Noch-Amtsinhaber Klaus | |
Wowereit hat vor rund sechs Wochen seinen Rücktritt zum 11. Dezember | |
angekündigt. Seither sind Müller, Stöß und Saleh weniger Senator für | |
Stadtentwicklung, Parteichef und Fraktionsvorsitzender als parteiinterne | |
Wahlkämpfer. | |
[4][Seit knapp drei Wochen läuft die Briefwahl], mit der die rund 17.200 | |
Berliner SPD-Mitglieder noch bis zum 17. Oktober bestimmen können, wen sie | |
am liebsten als Wowereit-Nachfolger hätten. Offiziell ist das nur eine | |
Empfehlung an die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, dem Landesparlament – | |
und die des Koalitionspartners CDU. De facto aber kann die SPD-Basis direkt | |
den Regierungschef bestimmen. Ganz ohne allgemeine Wahlen und | |
Koalitionsverhandlungen. | |
In dieser Konstellation ist das ein absolutes Novum in der Partei. Eine | |
Urwahl zwischen drei Bewerbern hatte die SPD zwar schon mal: 1993 auf | |
Bundesebene. Da aber ging es nur um den Parteivorsitz und nicht um einen | |
Regierungschef. | |
Dem Koalitionspartner geht der parteiinterne Wettstreit inzwischen zu weit. | |
„Die SPD zwingt Berlin ihren Machtkampf auf“, kritisierte jüngst der | |
CDU-Landesvizechef und Bundestagsabgeordnete Frank Steffel, der 2001 selbst | |
„Regierender“ werden wollte. Zuvor hatte Kandidat Stöß ein | |
100-Tage-Programm für den Fall seiner Wahl vorgestellt. Für Steffel ist das | |
nicht akzeptabel: Immerhin gebe es einen gültigen Koalitionsvertrag. | |
## Saleh will nachjustieren | |
Saleh und Müller machen es eine Nummer kleiner als Stöß – weil sie den ganz | |
großen Aufschlag auch nicht brauchen. Müller, erfahren in Partei-, | |
Fraktions- und Regierungsämtern, fährt als langjähriger Wowereit-Kronprinz | |
die Linie, sich die Wowereit’sche Politik der vergangenen 13 Jahre, die | |
auch die seine war, nicht schlechtreden zu lassen. | |
Aber auch [5][Saleh hat kein Interesse], sich als Umstürzler hervorzutun. | |
Der SPD habe es nicht gut getan, immer wieder nach neuen Rezepten zu | |
suchen, sagte er beim ersten Mitgliederforum der Partei in der Berliner | |
Bundeszentrale, dem Willy-Brandt-Haus. | |
Saleh will bloß vieles noch ein bisschen besser machen, quasi | |
nachjustieren, will Leuten mit wenig Chancen mehr Hoffnung auf einen | |
Aufstieg geben und ist dabei sein eigenes Beispiel: vom Burgerbräter zum | |
Fraktionschef und Unternehmer. Wobei die Geschichte genauer betrachtet | |
etwas weniger spektakulär ist: Kandidat Saleh war nicht etwa perspektivlos | |
ohne Abschluss, als er an der Fritteuse anfing, sondern auf dem Weg zum | |
Abitur. | |
Nichtsdestotrotz ist seine Biografie die auffälligste der drei Bewerber. | |
Saleh wäre zwar nicht der erste Ministerpräsident mit Migrationshintergrund | |
– das war 2010 der schottlandstämmige CDU-Politiker David McAllister in | |
Niedersachsen. Aber Saleh wäre der erste Premier aus einem arabischen Land | |
und der erste Muslim in diesem Amt. | |
Stöß, der intellektuell beeindrucken kann, manchmal aber etwas abgehoben | |
wirkt, fehlt ein derartiges Alleinstellungsmerkmal. Zu glatt ist sein Weg | |
vom Jurastudium mit Prädikatsexamen, Promotion, Anwalts- und | |
Richterstationen bis zum zwischenzeitlichen Stadtrat im Bezirk | |
Friedrichshain-Kreuzberg, was einem Dezernenten in einer | |
300.000-Einwohner-Großstadt entspricht. Was Müller aus Wowereits Erbe und | |
Saleh aus seinen Wurzeln zieht, das muss Stöß mit dem Bild des innovativen | |
Machers ausgleichen. | |
## Müller weit vor Stöß und Saleh | |
Dafür bleibt ihm noch knapp eine Woche Zeit. Nur noch eine Woche. Denn in | |
einer Umfrage für die Berliner Zeitung lag Müller weit vor Stöß und Saleh �… | |
sowohl bei allen Berlinern als auch bei denen mit SPD-Parteibuch, im Osten | |
wie im Westen der Stadt und auch bei CDU-Mitgliedern. Nur bei Grünen- und | |
Linkspartei-Anhängern lag Stöß etwas weniger weit zurück. | |
Daraus lässt sich aber nicht direkt schließen, dass der neue Regierungschef | |
mit Sicherheit Müller heißen wird. Denn falls der nicht gerade eine | |
absolute Mehrheit der Stimmen bekommt, gibt es eine Stichwahl zwischen den | |
beiden Bestplatzierten. Gesetzt den Fall, die Anhänger des Drittplatzierten | |
wandern weitgehend zum Zweiten, wird die Sache spannend. | |
Aber bis dahin stehen noch weitere Mitgliederforen und diverse Termine an, | |
in den Kreisverbänden und anderswo. Die können die Lage verändern. Saleh | |
etwa, zuvor nicht als begnadeter Rhetoriker bekannt, hinterließ im | |
Willy-Brandt-Haus überraschend den besten Eindruck – zu Füßen der | |
Dreimeterstatue des Exparteivorsitzenden, der auch mal Regierender | |
Bürgermeister von Berlin war. | |
Aber die Zahl derer, die die drei bei ihren Auftritten und | |
Diskussionsrunden (und vor allem die Berichterstattung darüber) noch auf | |
ihre Seite ziehen können, nimmt ab. Offensichtlich warten nicht alle | |
SPD-Mitglieder den Wahlkampf ab, bis sie sich entscheiden. Schon jetzt | |
haben rund 10.000 der 17.200 Stimmberechtigten ihre Briefwahlunterlagen | |
zurückgeschickt. | |
Doch ausgezählt wird erst am 18. Oktober. Und so kann selbst das letzte der | |
vier Mitgliederforen drei Tage vor Einsendeschluss noch von Bedeutung sein. | |
Für Müller mit Blick auf eine absolute Mehrheit der Stimmen, die ihm eine | |
Stichwahl ersparen würde. Und für Stöß und Saleh für den gesichtswahrenden | |
zweiten Platz – und die Hoffnung, in dieser Stichwahl die Sache doch noch | |
für sich drehen zu können. | |
12 Oct 2014 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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um. |