| # taz.de -- SPD-Wahlkampf beginnt: Antrittsbesuch bei Willy Brandt | |
| > Beim ersten Mitgliederforum im Willy-Brandt-Haus gehen die drei | |
| > Kandidaten für die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters sehr | |
| > pfleglich miteinander um. | |
| Der große alte Mann im Innenhof der SPD-Bundeszentrale streckt seine Hand | |
| über die drei. Würde er sie salben? Was würde Willy Brandt überhaupt denken | |
| von diesen Männern, die sein Nachfolger als Regierender Bürgermeister | |
| werden wollen? Michael Müller, Jan Stöß und Raed Saleh stehen an diesem | |
| Abend beim ersten von vier SPD-Mitgliederforen zur Wowereit-Nachfolge unter | |
| der über drei Meter hohen Bronzeskulptur. So artig sie dastehen, so geht es | |
| in den nächsten Stunden weiter: Plauderstunde statt Dreikampf. | |
| Kampf hieße nämlich, die Dinge beim Namen zu nennen. Dann dürfte Saleh | |
| nicht nur sagen, dass er als junger Abgeordneter Wohnungsverkäufe | |
| verhindern wollte, sondern auch, dass der verkaufswillige Fraktionschef | |
| damals Müller hieß. Dann müsste Stöß auf die Frage nach seiner größten | |
| politischen Niederlage nicht bloß die Teilausschreibung der S-Bahn durch | |
| den Senat nennen, sondern auch die Namen Müller und Wowereit in den Mund | |
| nehmen. | |
| Dabei wären das an diesem Abend schon die heftigsten Vorwürfe. Je zehn | |
| Minuten darf jeder der drei frei für sich werben, bevor die 700 Mitglieder | |
| im Innenhof fragen dürfen. Vieles davon ist so sehr SPD-Allgemeingut, dass | |
| die gerade zuhörenden Kandidaten ihre Konkurrenten notgedrungen beklatschen | |
| müssen. Egal ob Rekommunalisierung, mehr Wohnungen, mehr Toleranz – immer | |
| wieder fangen Sätze an mit „Jan hat ja richtig gesagt“ oder „Es stimmt j… | |
| wenn Michael …“ | |
| Es hat etwas von US-Wahlkampf, wie sie auf der kleinen Bühne auf und ab | |
| schreiten, gestikulieren, die Fäuste ballen. Saleh sticht optisch heraus, | |
| hat das Jackett abgelegt, das blendend weiße Hemd mit den aufgekrempelten | |
| Ärmeln leuchtet vor dem roten Hintergrund. | |
| Da spricht ein ganz anderer Saleh als der, der sich so oft am Rednerpult | |
| des Abgeordnetenhauses schwergetan hat. Statt an Worthülsen festzuhalten, | |
| plaudert er locker. Er bekommt den größten Applaus des Abends, als er mit | |
| einem eingängigen Vergleich für mehr Druck auf Eltern drängt: „Man darf in | |
| Berlin sein Auto nicht falsch parken. Aber man darf sein Kind vor dem | |
| Fernseher parken, das tolerieren wir.“ Er schafft es sogar, von einem | |
| Besuch am Grab seines Vaters zu erzählen, ohne übermäßig pathetisch zu | |
| wirken. | |
| Auch Müller redet locker und wird später die klare Ansage bringen, dass | |
| auch er, so nett er wirken mag, nicht nur zuhören kann: „Manche | |
| unterschätzen mich: Ich kandidiere nicht als Regierender Moderator.“ | |
| Es ist Stöß, dem ein Alleinstellungsmerkmal fehlt, wie es Müller mit seiner | |
| Rolle als Wowereit-Erbe hat und Saleh mit dem Aufstieg vom Burger-Bräter | |
| zum Fraktionschef. Stöß müsste attackieren – und lobt vielmehr Wowereit, | |
| fordert eine bessere Verwaltung und mehr Wohnungsbau. Das klingt nach | |
| Wünsch-dir-was statt nach Abgrenzung. | |
| „Stöß ist raus“, raunen einem Saleh-Vertraute aus dem Abgeordnetenhaus zu. | |
| Andere meinen, der Dreikampf um die Wowereit-Nachfolge bleibe offen. Aber | |
| unter der Hand von Übervater Brandt wird eines klar: Der schon | |
| abgeschriebene Saleh ist alles andere als weg vom Fenster. | |
| 24 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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