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# taz.de -- Tropenmediziner über Ebola: „Hier wird es keine Epidemie geben“
> Es bleibt immer ein Restrisiko. Vereinzelte Ebolafälle kann es deshalb
> auch in Deutschland geben – aber keine Epidemie, sagt Tropenmediziner
> August Stich.
Bild: Temperatur messen bei der Einreise auf dem Flughafen von Skopje: Wer kein…
taz: Herr Stich, in den USA – mit einem der besten Gesundheitssysteme der
Welt – hat sich ein Pfleger in der Klinik mit Ebola infiziert. [1][In
Spanien ist eine Pflegerin erkrankt], auch in Deutschland werden
Ebolapatienten aus Westafrika therapiert, [2][einer ist gerade in Leipzig
gestorben]. Der Bundesgesundheitsminister hält eine Ebolainfektion
hierzulande weiterhin für unwahrscheinlich. Eine naive Hoffnung zur
Beruhigung der Bevölkerung?
August Stich: Es gibt nie eine 100-prozentige Sicherheit, aber mit guter
Ausrüstung und entsprechendem Training des Personals ist die Restgefahr
äußerst gering. Und selbst wenn es einzelne Sekundärinfektionen gäbe,
werden wir einen Ausbruch mit der Dynamik, wie wir sie zurzeit in
Westafrika erleben, bei uns nicht haben.
Was macht Sie so sicher?
Wir haben sieben hoch spezialisierte Behandlungszentren in Deutschland mit
sehr gut ausgebildeten Ärzten und Pflegern und Laborpersonal. Sie verfügen
über eine maximale Schutzausrüstung und trainieren regelmäßig die Abläufe
auf den Sonderisolierstationen.
Galt das nicht auch für die Pflegerinnen in den USA und in Spanien?
Nein. Das spanische Krankenhaus hatte solches Personal nicht ausreichend.
Über den Infektionsweg in den USA wissen wir noch zu wenig. Aber, klar: Wir
müssen Schwachstellen identifizieren und daraus lernen.
Wie kann es sein, dass man sich trotz Schutzkleidung infiziert?
Unser Standpunkt ist, dass jemand, der die Schutzkleidung richtig nutzt und
trainiert ist, sicher ist. Das schließt aber nicht den menschlichen Fehler
oder einen Unfall aus, etwa durch eine Nadelstichverletzung.
Was heißt das?
Wenn ein Pfleger beim Patienten Blut abnimmt und sich hinterher mit der
Nadel durch den Schutzhandschuh sticht, kann er sich infizieren. Oder wenn
er beim Ausziehen der Schutzkleidung versehentlich einen Blutspritzer
berührt und sich anschließend mit der Hand durch die Augen wischt. Das
Entscheidende ist aber, dass von solchen Einzelfällen keine Infektionskette
ausgeht.
Genau diese Angst haben aber viele Menschen.
Ein zweiter Erkrankungsfall ist nicht gleichbedeutend mit einer Epidemie.
Zu der wird es in Deutschland nicht kommen.
Sollte es dennoch anders kommen – wie viele Menschen können behandelt
werden?
Unsere sieben Zentren sind baulich konzipiert für etwa 50 Betten. Diese
Betten können aber nicht alle gleichzeitig belegt werden. Wir müssen
ausreichend Personal und Zeiten für die Desinfektion einkalkulieren. Es
kommt auch darauf an, wie intensiv die Behandlung des jeweiligen Patienten
ist. Die wahre Zahl derer, die behandelt werden können, liegt also deutlich
darunter.
Angenommen, ein Reisender aus Westafrika erkrankt erst in Deutschland an
Ebola. Wer soll wissen, zu wie vielen Personen er zuvor Kontakt hatte? Wer
soll sie orten, wer sie überwachen? Da ist die 50-Betten-Kapazität schnell
erschöpft, oder?
Genau hier liegt der Denkfehler, der schnell zur Panik führt: Ein Patient,
der noch kein Fieber hat, stellt keine Gefahr dar. Wer morgen Ebolasymptome
entwickelt, kann heute noch niemanden anstecken.
Aber sobald er Symptome entwickelt?
Dann muss er umgehend isoliert werden, klar. Das heißt aber nicht, dass
auch alle Kontaktpersonen vorsorglich isoliert werden müssten.
Sondern?
Sie müssen lediglich überwacht werden, mehrmals täglich müssen sie Fieber
messen. Die Gesundheitsämter übernehmen diese Betreuung.
Sie dürfen ihre Wohnungen nicht mehr verlassen, sie dürfen nicht zur Schule
und zur Arbeit gehen?
Man muss im Einzelfall sehen, welche Auflagen sinnvoll sind. Zunächst
einmal spricht nichts dagegen, dass symptomfreie Menschen ihr ganz normales
Leben weiterführen. Es gibt allerdings Personen, die das Wissen, dass sie
Kontakt zu einem Ebolakranken hatten, stark psychisch belastet. Diese
Menschen würden bloß ihre Umgebung verrückt machen und sollten zu Hause
bleiben.
Der öffentliche Gesundheitsdienst in Deutschland ist dezentral organisiert.
Sind die Auflagen von Stadt zu Stadt unterschiedlich?
Der zuständige Amtsarzt hat die Entscheidungsgewalt. Die Regeln, nach denen
er handeln muss, sind zentral vom Robert-Koch-Institut festgelegt.
Wer Fieber hat, sich erbricht oder starke Kopfschmerzen hat, geht
vermutlich erst einmal zum Hausarzt – und wird dort womöglich gar nicht als
potentieller Ebolapatient erkannt.
Die Ärzte mit Erstkontakt zu den Patienten sind stärker gefragt denn je.
Sie haben die Pflicht, sich zu informieren, wachsam zu sein, genau
nachzufragen, wo der Patient die letzten drei Wochen war. Sie stellen die
entscheidenden Weichen. Ärzte in Deutschland können sich die nötigen
Informationen beschaffen. Niemand kann sich herausreden, er hätte noch nie
etwas von Ebola gehört.
Die EU-Gesundheitsminister beraten ab Donnerstag, wie sie einer Ausbreitung
von Ebola in Europa vorbeugen können. Diskutiert wird etwa, kollektives
Pflichtfiebermessen bei allen aus Westafrika Einreisenden anzuordnen.
Diese Kontrollen finden inzwischen bereits bei der Ausreise aus den
Ebolaregionen statt. Alle anderen Maßnahmen müssen aber praktikabel
bleiben.
Sie selbst haben lange Zeit in Afrika gearbeitet. Jetzt bilden Sie Ärzte
und Pfleger vor ihrem Einsatz im Kampf gegen Ebola aus. Die
Arbeitsbedingungen vor Ort entsprechen nicht unseren Klinikstandards. Haben
Sie ein schlechtes Gewissen Ihren Kollegen gegenüber?
Ein gewisses Restrisiko gehört zu unserem Beruf. Wir versuchen, es auf ein
Minimum zu reduzieren. Uns wird jetzt vorgeworfen, wir würden, indem wir
helfen, die gefährliche Krankheit nach Europa bringen. Das Gegenteil ist
der Fall: Wir müssen alles daran setzen, Ebola in Westafrika effektiv zu
bekämpfen. Die Eindämmung der Epidemie in Afrika ist die beste Prävention
für die Verbreitung des Virus.
15 Oct 2014
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## AUTOREN
Heike Haarhoff
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