| # taz.de -- Ebola-Tagebuch – Folge 30: Kein Bett für Infizierte | |
| > Gesundheitsexperten bitten dringend um mehr Hilfe für Seuchenopfer und | |
| > mehr medizinisches Personal. In Liberia fehlen sogar Leichsäcke. | |
| Bild: Selbst Leichensäcke sind Mangelware in Liberia. | |
| BERLIN taz | Es wurde still im holzgetäfelten Weltsaal des Auswärtigen Amts | |
| in Berlin, als am Montagmorgen Ethel Davis, die Botschafterin Liberias in | |
| Deutschland, ans Rednerpult des Weltgesundheitsgipfels trat – und sich an | |
| die internationale Staatengemeinschaft wandte. | |
| Die Prognose zur weiteren Ausbreitung von Ebola in Westafrika, errechnet | |
| von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sei ja nun hinlänglich bekannt, | |
| erklärte Davis. Der Ton sachlich, die Miene unbewegt. Mehr als 9.000 | |
| Menschen seien erkrankt, 4.500 gestorben, und bis Jahresende werde mit | |
| 5.000 bis 10.000 weiteren Neuerkrankungen gerechnet – wöchentlich. | |
| Ebola töte die Menschen „schneller als im Bürgerkrieg“, sagte sie: „Und | |
| deswegen brauchen wir mehr Personal, mehr Schutzausrüstung, mehr | |
| Medikamente und“, Ethel Davis hielt kurz inne, „und auch mehr Leichensäcke | |
| für die Toten.“ | |
| Leichensäcke – in Online-Shops kostet das Zehnerpack 135,90 Euro. Die | |
| Botschafterin Liberias muss auf dem Weltgesundheitsgipfel darum betteln. | |
| Das Versagen der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen die Seuche, | |
| nichts hätte es besser zusammenfassen können als dieser bescheidene | |
| Hilferuf. | |
| ## Es mangelt am Nötigsten | |
| Das Virus, daran erinnerten neben Ethel Davis zehn weitere internationale | |
| Experten, die ihr Symposium als „Weckruf für globale Gesundheit“ verstanden | |
| wissen wollten, breitet sich in Westafrika auch deswegen so rasant aus, | |
| weil es am Nötigsten mangelt: Gummihandschuhe, Desinfektionsmittel, Betten | |
| für die Schwerstkranken. Insgesamt, sagte der WHO-Chefwissenschaftler | |
| Roberto Bertollini, stünden in den von Ebola betroffenen Ländern Guinea, | |
| Sierra Leone und Liberia 1.126 zur Ebola-Behandlung geeignete Krankenbetten | |
| zur Verfügung. Gebraucht würden aber – schon jetzt, da die Epidemie ihren | |
| voraussichtlichen Höhepunkt noch gar nicht erreicht hat – 4.388 Betten. | |
| 1.000 internationale und 20.000 lokale Helfer seien in der Region tätig; | |
| auch hier gelte es aufzustocken. Erst in sechs bis neun Monaten rechnet die | |
| WHO damit, den Ebola-Ausbruch gestoppt zu haben. Die unzureichende Hilfe, | |
| gepaart mit dem Kollaps der ohnehin fragilen nationalen Gesundheitssysteme, | |
| mache es schwer, die Neuerkrankungen verlässlich zu erfassen, warnte | |
| Bertollini. | |
| Dazu kommt: Ebola beginnt mit Symptomen, die auch für andere | |
| Tropenkrankheiten wie Malaria oder Typhus charakteristisch sind: Fieber, | |
| Durchfall, Kopfschmerzen. Die Ärzte vor Ort seien in Ermangelung | |
| entsprechender Labore aber nicht in der Lage, Ebola bereits zu einem frühen | |
| Zeitpunkt zu diagnostizieren, beklagte Roland Göhde, Direktor des | |
| Biotechnologieunternehmens Partec, das Diagnostik-Systeme für HIV/AIDS, | |
| Tuberkulose und Malaria entwickelt. Die Laborproben der Patienten, so | |
| Göhde, müssten mitunter nach Dakar im Senegal ausgeflogen werden. Doch die | |
| Kapazitäten des dortigen Labors lägen bei 1.000 Diagnostiken – pro Jahr. | |
| Viele Fluggesellschaften weigerten sich zudem, Proben zu transportieren. | |
| ## Stigmatisierung und Angst | |
| Die Folge: Viele Kranke werden fälschlicherweise für Ebola-Patienten | |
| gehalten – und umgekehrt. Die Stigmatisierung, geschuldet der Angst vor | |
| Ansteckung und mangelnder Aufklärung, sei dramatisch, berichtete die | |
| französische Gesundheitsministerin Annick Girardin nach ihrem Besuch in | |
| Guinea: „Ebola-Überlebende wie Helfer haben zum Teil ihre Wohnungen und | |
| ihre Jobs verloren, sie werden ausgegrenzt.“ Der deutsche | |
| Ebola-Sonderbeauftragte Walter Lindner, der ebenfalls kürzlich nach | |
| Westafrika gereist war, sagte sichtlich berührt: „So etwas habe ich noch | |
| nie erlebt.“ | |
| Der Geschäftsführer der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, Florian | |
| Westphal, nutzte seine Redezeit für eine Abrechnung mit jenen Politikern | |
| und Experten, die Ebola wider die alarmierenden Appelle seiner Organisation | |
| über Monate kleingeredet hatten: Er empfinde eine „immense Frustration“ | |
| über die Untätigkeit, schimpfte Westphal, es sei „riskant“, die Bekämpfu… | |
| einer Epidemie zunächst in die Hand einer einzigen NGO gelegt zu haben, und | |
| „jetzt“, rief er, „ist die Zeit des Theoretisierens vorbei“. | |
| 20 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Haarhoff | |
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