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# taz.de -- Konferenz zu Biodiversität: Nur toter Fisch ist guter Fisch
> Die UN wollen mehr Geld zum Erhalt der Artenvielfalt ausgeben. Das
> Problem bleibt: Biodiversität kommt in Wirtschaftsstatistiken nicht vor.
Bild: Diesem Riesenotter ist die orale Erfassung von Fisch wichtiger als die st…
BANGKOK taz | Am heutigen Tag sterben bis zu 380 Tier- und Pflanzenarten
aus. Und morgen wieder. Jeden Tag. Die meisten dieser Wesen hat der Mensch
nicht einmal entdeckt. Von den bekannten Arten sind ein Viertel der Säuger,
ein Zehntel der Vögel und 40 Prozent der Amphibien kurz vorm Aussterben.
Biologen sprechen vom sechsten großen Massenaussterben in der Erdgeschichte
– das die UN bis zum Jahr 2020 stoppen wollen. Wie, darum ging es auf einer
am Freitag mit einem bescheidenen Erfolg zu Ende gegangenen Konferenz im
südkoreanischen Pyeongchang: Die 194 Mitgliedsländer der
UN-Biodiversitätskonvention CBD haben dort versprochen, mehr in den
Artenschutz zu investieren. Die finanzielle Unterstützung für die ärmsten
Länder der Welt und die kleinen Inselstaaten soll verdoppelt werden. Doch
das hatten die Staaten schon vor zwei Jahren beschlossen. Erst jetzt
konnten sie sich einigen, wie diese Verdopplung zu berechnen ist.
Bereits vor vier Jahren haben die CBD-Mitgliedsländer die sogenannten
Aichi-Ziele verabschiedet, nach denen der Verlust an natürlichen
Lebensräumen bis 2020 halbiert, die Überfischung der Weltmeere gestoppt
sowie 17 Prozent der Landfläche und 10 Prozent der Meere unter Schutz
gestellt werden sollen. Doch ein Zwischenbericht offenbarte, dass sich die
Situation weiter verschlechtert hat.
Das kann die Welt teuer zu stehen kommen, wie Achim Steiner, der Chef des
UN-Umweltprogramms, festgestellt hat: „Wenn wir nicht handeln, um den
Artenverlust zu stoppen, werden sich die Kosten pro Jahr ab 2050 auf 14
Billionen Dollar summieren.“ Das entspricht knapp einem Fünftel der
aktuellen weltweiten Wirtschaftsleistung.
Investitionen in den Schutz der Artenvielfalt lohnen sich. Trotzdem werden
die Beschlüsse nicht reichen, wie EU-Umweltkommissar Janez Potocnik sagt:
„Es wird nicht möglich sein, die Finanzierungslücke komplett zu schließen,
solange wir Entwicklungen fördern, die den Verlust an Artenvielfalt
beschleunigen.“
## Die Ausrottung von Arten wird subventioniert
Denn in vielen Ländern wird die Ausrottung von Arten subventioniert, etwa
durch Beihilfen für die Fischereiindustrie oder die Subvention von fossilen
Energien wie Kohle, Öl und Gas. „Es ist inakzeptabel, dass ökologisch
nachteilige Subventionen hundert- bis tausendmal höher sind als die
Fördermittel zum Schutz der Biodiversität“, sagt auch Hubert Weiger, der
Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
Das Problem ist, dass der Verlust an Arten keinen Eingang in
wirtschaftliche Überlegungen findet. Fische, die gefangen und verkauft
werden, zählen zur Wirtschaftsleistung, während Fische im Meer wertlos
sind.
Dies beklagt auch Yvo de Boer, der frühere Chef der UN-Klimakonvention und
heutige Chef des Global Green Growth Institute: „Das fundamentale Problem
ist, dass so viele Werte keinen Eingang in die Gleichung finden“, wie etwa
auch beim Klimawandel: „Es hat lange gedauert, bis die Leute verstanden
haben, dass es beim Klimawandel auch um die Umwelt geht, aber noch viel
mehr um harte Ökonomie.“
Aus diesem Grund hatte sich de Boer auch mehr Ökonomen und Manager bei der
Konferenz in Südkorea gewünscht. Außerdem beklagt er fehlendes Interesse am
Artenschutz: „Biodiversität ist das Stiefkind des internationalen
Prozesses. Das Klima bekommt die ganze Aufmerksamkeit und der Artenschutz
fast keine.“
Doch immerhin wurden bisher drei Viertel der Meere auf ihren Artenreichtum
untersucht und 150 besonders wertvolle Meeresgebiete identifiziert.
Außerdem beschloss die Konferenz, weltweit den Verlust und die
Wiederherstellung von Lebensräumen an Land und zur See zu überwachen. Zudem
trat während der Konferenz das Nagoya-Protokoll in Kraft. Es regelt, wer
die genetische Vielfalt von Tieren und Pflanzen etwa in Medikamenten nutzen
und damit Gewinne erzielen darf. Viele Entwicklungsländer befürchteten
Biopiraterie durch ausländische Großkonzerne, die sich genetische
Ressourcen aneignen.
19 Oct 2014
## AUTOREN
Christian Mihatsch
## TAGS
Biodiversität
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Artensterben
Tiere
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