| # taz.de -- Agrarpolitik und Naturschutz: Wir waren bisher nicht erfolgreich | |
| > Wie am besten das Verschwinden der Arten in Äckern, Wiesen und Auen | |
| > umkehren? Unser Gastkommentator stellt sieben Forderungen. | |
| Bild: In der Agrarlandschaft fehlt oft „ökologische Infrastruktur“ wie Fel… | |
| Nach der Intensivierung der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. | |
| Jahrhunderts, die mit einem Verlust an Vielfalt in der Kulturlandschaft | |
| einherging, ist aktuell eine weitere Intensivierungswelle zu beobachten – | |
| bedingt durch die Zunahme des Anbaus von Energiepflanzen und die weltweit | |
| wachsende Lebensmittelnachfrage, was die Teilnahme an Umweltprogrammen | |
| zunehmend unattraktiv werden lässt. | |
| Diese Entwicklungen tragen zusammen mit der Abschaffung der | |
| Flächenstilllegung, der Verengung von Fruchtfolgen sowie dem vermehrten | |
| Umbruch bzw. der Intensivierung von Dauergrünland dazu bei, dass eine | |
| erneute Verarmung der biologischen Vielfalt in unseren Agrarlandschaften | |
| festgestellt werden muss. | |
| So nehmen von 20 typischen Brutvögeln landwirtschaftlicher Lebensräume in | |
| Deutschland die Bestände von 15 Arten ab, für keine Art sind Zunahmen zu | |
| beobachten. Seit etwa 1950 ist zudem die Fläche des artenreichen | |
| Feuchtgrünlands in den Flussauen Nordwestdeutschlands um 85 Prozent | |
| zurückgegangen. | |
| Hochrechnungen zeigen zudem, dass die Populationen charakteristischer | |
| Pflanzenarten des feuchten und mäßig feuchten Grünlands in diesem Zeitraum | |
| um 95 bis 99 Prozent und die des Ackerlands in ähnlichem Ausmaß | |
| zurückgegangen sind. Dadurch sind von vielen kennzeichnenden Arten heute | |
| nur noch kleine Restbestände vorhanden. | |
| ## Keiner Besserung in Sicht | |
| In Anbetracht dieser Situation ist es offensichtlich, dass die bisher | |
| ergriffenen Naturschutzmaßnahmen nicht erfolgreich waren. Sowohl Umfang als | |
| auch Qualität der Aktivitäten sind nicht ausreichend, um die durch die | |
| Intensivierung der Landwirtschaft verursachten Verluste der Biodiversität | |
| im Agrarbereich zu stoppen. Für die nächste Zukunft ist zudem mit keiner | |
| Besserung zu rechnen, da das im Zuge der reformierten EU-Agrarpolitik | |
| eingeführte „Greening“ der Direktzahlungen aufgrund zahlreicher | |
| Verwässerungen keine Perspektive bietet. | |
| Um zu verhindern, dass Fauna und Flora in großen Bereichen Deutschlands | |
| weiter rasch verarmen, werden dringend neue und innovative Schutzansätze | |
| benötigt. Diese müssen anspruchsvolle, gebietsspezifisch festgelegte | |
| Aktivitäten mit weniger differenzierten, überregionalen Maßnahmen | |
| kombinieren und begleitende Beratungsleistungen anbieten. Vor diesem | |
| Hintergrund [1][erhebt der NABU] folgende Mindestanforderungen an eine | |
| zukunftsfähige Agrarpolitik: | |
| 1. Künftig sind von allen landwirtschaftlichen Betrieben 10 Prozent | |
| Vorrangflächen für die Biodiversität einzurichten. Die Vorrangflächen | |
| dienen dem Aufbau einer „ökologischen Infrastruktur“ in der Agrarlandschaft | |
| sowie zum Erhalt der bisher extensiv genutzten bzw. artenreichen Flächen. | |
| Hierzu gehören zum Beispiel Feldgehölze, Blühstreifen, Brachen, | |
| Altgrasstreifen oder Extensivgrünland. | |
| 2. Die europäischen Agrargelder sind komplett zugunsten der ländlichen | |
| Entwicklung umzuschichten. Als am zielführendsten erscheint eine | |
| Zusammenführung von erster Säule (direkte Zahlungen für Produkte und | |
| Flächen) und zweiter Säule (Entwicklung des ländlichen Raumes) in ein | |
| einziges Finanzierungsinstrument mit einer einheitlichen Kofinanzierung | |
| durch die EU-Mitgliedstaaten. | |
| 3. Die zweite Säule ist stärker auf konkrete gesellschaftliche Leistungen | |
| auszurichten, was die Kürzung oder Neuausrichtung einiger Fördertatbestände | |
| zur Folge hat. Demgegenüber sollten zielspezifische Agrarumweltmaßnahmen | |
| zur Erreichung der europäischen Ziele (Natura 2000, Wasserrahmenrichtlinie, | |
| Greening) von der EU prioritär gefördert werden, da sie die größten | |
| Zusatzeffekte bringen. | |
| 4. Die Agrarumweltmaßnahmen müssen so weiterentwickelt werden, dass sie | |
| auch im Sinne des biotischen Ressourcenschutzes zu effektiven Programmen | |
| werden (zum Beispiel Erhaltung artenreichen Grünlands, ergebnisorientierte | |
| Förderung, Aufwertung der Ackerflur, Betriebsentwicklungspläne). | |
| 5. Große Äcker mit einer Größe von mehr als 20 bis 25 ha sollten | |
| untergliedert werden, um Randflächen zu schaffen und die Strukturvielfalt | |
| zu erhöhen. | |
| 6. Ökologischer Landbau muss verstärkt gefördert werden. Dabei gilt es, | |
| naturschutzfachliche Ziele noch besser zu integrieren. | |
| 7. Ein konsequentes Umbruchverbot für Dauergrünland muss erlassen und | |
| Ackerland auf Moorstandorten sowie entlang von Gewässern sollte in Grünland | |
| umgewandelt werden. | |
| ## Über das Gesetz hinaus | |
| In Zukunft sollte ein eindeutiger ordnungsrechtlicher Rahmen mit einer | |
| gezielten Integration von Umweltbelangen in die Agrar- und Förderpolitik | |
| kombiniert werden. Dabei brauchen alle Fördermaßnahmen, egal ob | |
| Investitions- oder Flächenförderungen, eine gute gesellschaftliche | |
| Begründung, das heißt nachvollziehbare Kriterien und Leistungen. | |
| Diese Leistungen müssen klar über die existierenden, gesetzlichen Standards | |
| hinausgehen. Davon profitieren nicht nur Feldlerchen oder bunte | |
| Blumenwiesen, sondern auch der Gewässer- und Klimaschutz und letztlich die | |
| Gesellschaft. | |
| 7 Sep 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/naturschutz/120716_bund… | |
| ## AUTOREN | |
| Hermann Hötker | |
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