# taz.de -- Naturschutz in Mazedonien: Der Balkanluchs hat Glück gehabt | |
> Die Geldgeber der umstrittenen Wasserkraftwerksprojekte im | |
> Mavrovo-Nationalpark ziehen sich offenbar zurück. Naturschützer hatten es | |
> heftig kritisiert. | |
Bild: Idyllisch: Blick auf den Mavrovo-See. | |
SARAJEVO taz | Es ist ein Etappenziel für Umweltschützer: Der umstrittene | |
Bau von zwei Wasserkraftwerken im Naturschutzpark von Mavrovo in Mazedonien | |
ist unwahrscheinlich geworden. Die Geldgeber der Projekte scheinen sich | |
laut Guardian wegen heftiger Kritik von Umweltschützern zurückzuziehen, die | |
sich vor allem auf das mögliche Aussterben des nur noch in der Region | |
lebenden Balkanluchses bezieht. Ulrich Eichelmann von der | |
Naturschutzorganisation „Riverwatch“, die sich für den Schutz der Flüsse … | |
Nationalpark einsetzt, bestätigte das. Allerdings sei formell noch kein | |
Beschluss bei den Geldgebern gefallen, sagt Eichelmann. | |
Es handelt sich bei den Geldgebern um die Europäische Bank für Aufbau und | |
Entwicklung (Ebad) und die Weltbank. Ursprünglich wollte die Ebad das | |
Vorhaben laut Guardian mit 65 Millionen Euro unterstützen. Beim zweiten | |
Wasserkraftwerk in dem Nationalpark, das von der Weltbank mitfinanziert | |
werden sollte, handelt es sich um ein Vorhaben ähnlicher Dimension. Sollten | |
sich beide Institutionen tatsächlich aus den Projekten zurückziehen, müsste | |
der Staat Mazedonien den Bau aufgeben – aus eigener Kraft könne das Land | |
die Pläne nicht mehr realisieren, schätzt etwa Umweltschützer Ulrich | |
Eichelmann. | |
Bei dem Mavrovo-Nationalpark handelt es sich um eine wegen der | |
Artenvielfalt besonders schützenswerte Region, die Rückzugsgebiet für den | |
außerordentlich seltenen Balkanluchs ist. Doch die Landschaft ist bedroht. | |
So weist die Organisation Riverwatch darauf hin, dass die noch vielfach | |
frei fließenden Flusssysteme des Balkans durch eine Offensive von | |
Investoren bedroht sind, die vor allem Wasserwerke bauen wollen: Unter dem | |
Deckmantel umweltfreundlicher erneuerbarer Energien zerstörten die | |
Geldgeber höchst komplizierte Ökosysteme mit einer in Europa einmaligen | |
Biodiversität. | |
Insgesamt seien über 2.000 Wasserkraftwerke in der Region geplant, warnt | |
etwa der Guardian. Ihr Bau führe zum Abholzen von Wäldern, zu Erosion und | |
nicht mehr wieder gutzumachenden Veränderungen bei den Flussläufen, | |
erklären die Umweltschützer von Riverwatch und der Naturschutzstiftung | |
Euronatur. „Wir haben hier auf dem Balkan einen Goldrush auf die Flüsse“, | |
sagt Ulrich Eichelmann. Er denke manchmal, dass die an der Schädigung | |
finanziell beteiligten westlichen Länder gar nicht wüssten, was sie alles | |
mit diesen Projekten zerstören – nämlich die intaktesten Flusslandschaften | |
Europas. | |
## Auch für Albien ist der Bau verlockend | |
Der Ausbau der grünen Energie ist besonders auch für Staaten wie das | |
Nachbarland Albanien verlockend. So sollen auch in Albanien über 400 | |
Wasserkraftwerke entstehen. Doch auch der Widerstand formiert sich, so etwa | |
im Tal des Flusses Vjosa, von dem der österreichische Wissenschaftler | |
Professor Fritz Schiemer erklärte: „Wir wissen mehr über den Amazonas als | |
über die Vjosa.“ | |
Hier ist erstmals in Albanien eine breite Bürgerbewegung entstanden, die | |
sich gegen den Neubau von Wasserkraftwerken stellt. Der albanische | |
Ministerpräsident und ehemalige Künstler Edi Rama nimmt die Umweltschützer | |
zwar ernst, weist jedoch auch auf den Energiemangel des Landes hin, das mit | |
Engpässen bei der Stromversorgung zu kämpfen hat. Ein Ausweg aus diesem | |
Dilemma ist noch nicht zu sehen. | |
In Mazedonien jedoch scheint der Mavrovo-Nationalpark jetzt eine neue | |
Chance zu erhalten: Beide Projekte stehen auf Stopp. Eine | |
„Fact-Finding-Mission“, an der auch die EU beteiligt ist, soll jetzt erst | |
einmal die Tatsachen feststellen. Eichelmann warnt jedoch vor zu viel | |
Optimismus: Der Druck der Investoren bleibe angesichts der Größenordnung | |
der Projekte bestehen. So bleibt die Schlussfolgerung: Im Einklang mit den | |
Interessen der Wirtschaft der beteiligten Staaten hat sich eine mächtige | |
„grüne“ Lobby herausgebildet. Und die verfolgt weiter ihren Plan, | |
Wasserkraftwerke auf dem gesamten Balkan zu bauen. | |
1 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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