# taz.de -- Stichwahl in Brasilien: Dilma Rousseff bleibt Präsidentin | |
> Es war die am heftigsten umkämpfte Stichwahl im Land seit langem. Dilma | |
> Rousseff wurde mit 51,6 Prozent der Stimmen in ihrem Amt bestätigt. | |
Bild: Macht weiter: Dilma Rousseff. | |
RIO DE JANEIRO taz | Knapp, aber es reicht. Den feiernden Anhängern der | |
Arbeiterpartei PT ist die Erleichterung anzusehen. Rote Fahnen werden | |
geschwenkt und innige Umarmungen ausgetauscht. An vielen Orten Brasiliens | |
entlud sich die angestaute Spannung in spontanen Feiern und Freudenfesten. | |
Die Anhänger der Opposition sind fassungslos, viele haben Tränen in den | |
Augen. Es war das knappste Wahlergebnis und die am heftigsten umkämpfte | |
Stichwahl um das höchste Amt im Staate seit langem. Und zudem ein äußerst | |
aggressiv geführter Wahlkampf, der das Land an den Rand einer Spaltung | |
gebracht hat. | |
Mit 51,6 Prozent der Stimmen ist Dilma Rousseff im Präsidentenamt bestätigt | |
worden. Weitere vier Jahre Mandat für die gemäßigt linke PT, die seit zwölf | |
Jahren an der Macht ist. Herausforderer Aécio Neves von der rechtsliberalen | |
PSDB kam bei dem Urnengang am Sonntag auf 48,4 Prozent. | |
Viele soziale Bewegungen und Teile der PT-Basis hatten Rousseff schon vor | |
langem den Rücken gekehrt. Zu groß war die Kritik an ihrer | |
Wachstumspolitik, die sich weder für Umweltzerstörung noch für die | |
Vertreibung von Indígenas interessierte. Doch die Aussicht auf eine | |
PSDB-Regierung veränderte die Stimmungslage. Viele alte und neue Aktivisten | |
machten auf einmal Kampagne für die 13, die Nummer der PT. Viele von ihnen | |
meinen, dass diese Mobilisierung, die so zuletzt 2002 stattfand, geholfen | |
hat, das Ruder herumzureißen. | |
Das Ergebnis entspricht den letzten Umfragen, denen allerdings kaum jemand | |
noch glaubte: Noch Wochen vor dem ersten Wahlgang Anfang Oktober sagten die | |
Institute einen Sieg der ehemaligen Umweltministerin Marina Silva voraus, | |
die schließlich nur den undankbaren dritten Platz belegte. Immerhin | |
erreichte sie beachtliche 21 Prozent Stimmenanteil, den sie und ihre Partei | |
PSB mit einer Unterstützungserklärung an den konservativen Neves | |
weitergeben wollte. | |
## Missglücktes Manöver von Silva | |
Das Manöver ist missglückt, denn zahlreiche Wähler von Silva haben ihre | |
konsequente Rechtswende nicht mitvollzogen. Das zeigt vor allem das | |
Ergebnis im Bundestaat Pernambuco, der Hochburg von Ex-Gouverneur Eduardo | |
Campos, der als PSB-Kandidat im August tödlich verunglückte und so erst die | |
Kandidatur von Silva ermöglichte: Rousseff kam dort auf über 70 Prozent der | |
Stimmen und bekam mindestens die Hälfte der 48 Prozent Stimmen, die Silva | |
dort im ersten Wahlgang auf sich vereinen konnte. | |
Trotz der Beliebtheit von Campos und Marina haben die Pernambucanos der | |
PSB, die bis vor kurzem noch Koalitionspartner der PT war, einen Strich | |
durch die Rechnung gemacht. Statt ins rechte Lager zu wechseln haben sie | |
doch lieber die PT gewählt. | |
Das Ergebnis von Pernambuco zeigt auch die Spaltung, die Brasilien droht. | |
Im gesamten Nordosten, der von Armut geprägt ist und in dem die | |
Sozialprogramme der Regierung besonders wichtig sind, gewann Rousseff rund | |
zwei Drittel aller Stimmen. Auch in den ärmeren Amazonasstaaten lag sie | |
klar vorne. Im reicheren Süden dagegen, in der Agrarstaaten im Westen und | |
vor allem im Industriestaat São Paulo gewann Neves mit Abstand die meisten | |
Stimmen. Diese Spaltung entspricht auch den Diskursen der beiden | |
Kandidaten: Soziale Programme, starker Staat und nachfrageorientierte | |
Wirtschaftspolitik seitens Rousseff; mehr Unternehmensnähe und liberale | |
Wirtschaftsausrichtung bei Neves. | |
## Neue Töne von Rousseff | |
„Das Land ist nicht gespalten“, beteuerte Rousseff in ihrer ersten | |
Ansprache nach der Wahl. Notwendig sei jetzt ein „konstruktiver Dialog | |
aller Kräfte, um die Probleme Brasiliens schnell zu lösen“. Dialog und | |
Einheit seien die erste Priorität ihrer Regierung. Rousseff, die bisher | |
nicht einmal in der Lage war, mit ihrer eigenen Parteibasis und den | |
sozialen Bewegungen zu sprechen, schlägt die neuen Töne sehr bewusst an. | |
Sie muss neue Allianzen bilden, um regierungsfähig zu bleiben. Und die | |
rechte Opposition hat zwar ihre vierte Niederlage in Folge einstecken | |
müssen, geht aber nicht geschwächt aus der Wahl hervor. Die Parteien, die | |
Neves unterstützt haben, konnten ihre Position im Parlament und im Senat | |
ausbauen. | |
Angesichts des knappen Wahlausgangs war zu erwarten, dass Rousseff auf die | |
Opposition zugehen wird. Es geht ihr aber auch darum, die Spaltung, die in | |
den Verbalattacken des Wahlkampfs und in der Gegenüberstellung von | |
„Sozialprogrammen versus Politik für die Reichen“ zu Ausdruck kam, nicht zu | |
vertiefen. | |
Vor ihren jubelnden Anhängern versprach Rousseff aber noch ein anderes | |
Projekt: Die politische Reform. Schon nach den Massendemonstrationen in | |
Juni und Juli 2013 hatte sie eine solche Reform als Antwort auf die | |
Forderungen nach weniger Korruption und besserer Politik verkündet. Doch | |
schon die Debatte darum scheiterte am Kongress, wo Freund wie Feind Angst | |
darum hat, Pfründe zu verlieren. Ziel einer solchen überfälligen Reform ist | |
das Ende privater Wahlkampffinanzierung und des Handels um politische | |
Gefälligkeiten. | |
27 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Behn | |
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