| # taz.de -- Nach der Parlamentswahl in Brasilien: Am Amazonas wird weiter gehol… | |
| > Nach der Wahl hat die Agrarierfraktion nun die Mehrheit im Parlament. | |
| > Schlechte Aussichten für den Regenwald und die Indigenas. | |
| Bild: Was vom Regenwald übrigblieb. | |
| RIO DE JANEIRO taz | Schon bevor am 26. Oktober entschieden wird, wer die | |
| brasilianische Präsidentschaft übernimmt, hat die Umwelt verloren. Denn die | |
| wichtigsten Entscheidungen sind bereits bei den Parlamentswahlen Anfang | |
| Oktober gefallen, bei denen die Agrarlobby, die größte parteiübergreifende | |
| Interessenvertretung im Parlament, kräftig hinzugewonnen hat. Das bedeutet: | |
| Im Amazonasgebiet wird die Abholzung weitergehen, wahrscheinlich noch | |
| schneller als bisher. | |
| 257 Abgeordnete aus allen Bundesstaaten zählt die Frente Parlamentar da | |
| Agropecuária, mehr als die Hälfte der 513 Parlamentarier. Und diese | |
| vertreten Interessen des Agrobusiness und der großen Bergbauunternehmen. | |
| Auch im Senat konnten die Agrarier ihren Einfluss ausbauen. Damit wird die | |
| Situation der Indigenas und der auf Förderung angewiesenen | |
| Ökolandwirtschaft noch schwieriger. | |
| In der vergangenen Legislaturperiode saßen bereits 191 Agrarier in der | |
| Volksvertretung. Ihr größter Erfolg war 2012 die Neufassung des einst | |
| vorbildlichen Waldgesetzes Brasiliens: Etliche Ausnahmeregelungen wurden | |
| geschaffen, illegale Rodungen aus der Vergangenheit von der Strafverfolgung | |
| freigestellt. | |
| Statt dem Umweltschutz diene das Waldgesetz jetzt „den kurzfristigen | |
| Interessen der Agrarindustrie“, kritisiert Roberto Maldonado vom | |
| Umweltverband WWF. „Wer Kahlschläger amnestiert, darf sich über mehr | |
| Abholzung nicht wundern." | |
| ## Weitere Gesetzesänderungen | |
| Jetzt setzt die Agrarlobby auf weitere Gesetzesänderungen. Ganz oben auf | |
| ihrer Wunschliste: die PEC 215. Ein Verfassungszusatz, der die Entscheidung | |
| über die Einrichtung von Schutzgebieten von der Bundesregierung auf den | |
| Kongress übertragen soll. | |
| Das betrifft vor allem Schutzgebiete für Indigene, die auf ihr Recht | |
| pochen, das Land ihrer Vorfahren zu besiedeln, sowie Quilombolas, die | |
| Nachfahren einst geflohener Sklaven. Mit der PEC 215 wäre die ohnehin | |
| zögerliche Vergabe geschützter Regionen kaum noch durchzusetzen. Die | |
| Agrarier bezeichnen die Interessen von Indigenas und Quilombolas als | |
| Entwicklungshemmnis für eine hochprofitable industrielle Landwirtschaft. | |
| Zwei weitere Verfassungszusätze sollen die rechtliche Neuordnung auf dem | |
| Land abrunden: Sie sollen sowohl der Agrarwirtschaft als auch der | |
| Bergbauindustrie erlauben, in bereits eingerichteten Schutzgebieten | |
| ökonomisch aktiv zu werden. Ziel ist es, den ökologischen Raubbau zu | |
| legalisieren. Absehbar ist, dass dadurch die Zahl der gewalttätigen | |
| Auseinandersetzungen zwischen Indigenas und Landbesitzern steigt, die schon | |
| jetzt zahlreiche Todesopfer fordern. | |
| Auch die Kandidatur der ehemaligen Umweltministerin Marina Silva für den | |
| Posten als Präsidentin hat nichts daran geändert, dass Umweltthemen im | |
| Wahlkampf kaum ein Rolle spielten. Im Gegenteil: Um die Wirtschaft nicht | |
| mit ihrem „dritten Weg“ zu verschrecken, suchte sie die Nähe zur Agrarlobby | |
| und machte deutlich, dass sie ökologische Richtlinien nicht über | |
| unternehmerische Interessen setzen würde. Genützt hat es ihr nichts: Sie | |
| kam, wie vor vier Jahren, im ersten Wahlgang nicht über den undankbaren | |
| dritten Platz hinaus. | |
| ## Umwelt nur ein Randthema | |
| Für Amtsinhaberin Dilma Rousseff wie für den konservativen Herausforderer | |
| Aécio Neves, die nun in der Stichwahl sind, ist Umwelt ohnehin nur ein | |
| Randthema. Rousseffs gemäßigt linke Regierung setzt auf nachholende | |
| Entwicklung und gibt großen Infrastrukturprojekten auch im Amazonasgebiet | |
| Vorrang vor Umweltzielen. Unternehmerfreund Neves wird kaum andere | |
| Prioritäten setzen. Nach wie vor ist der Export von Agrargütern und | |
| Mineralien Wachstumsmotor, ebenso die Tiefsee-Ölförderung vor der Küste. | |
| Mit ihrem Desinteresse an ökologischen Fragen hat sich Rousseff viele | |
| Sympathien ihrer eigenen Basis verscherzt. In Umfragen liegt sie derzeit | |
| mit Neves gleichauf und bangt um ihre Wiederwahl. | |
| Doch die Aussicht auf einen Präsidenten der konservativen PSDB mit ihrer | |
| Rechtsallianz mobilisiert große Teile der sozialen Bewegungen, die | |
| Unterschiede der beiden Optionen zu betonen: Ein Beispiel ist | |
| Sklavenarbeit, die insbesondere in der Landwirtschaft immer noch verbreitet | |
| ist. | |
| Zumal die Agrarier hier gern ein Auge zudrücken. Anders als Rousseff und | |
| Silva weigerte sich Neves, die Bekämpfung von sklavereiähnlichen | |
| Arbeitsverhältnissen zu einem Schwerpunkt seiner Politik zu erklären. | |
| „Leider ist es nicht überraschend, dass Neves sich nicht zu der Frage | |
| ausbeuterischer Arbeit äußern will“, erklärt Xavier Plassat von der | |
| Landpastorale CPT, die die Kampagne gegen Sklavenarbeit koordiniert. Ihm | |
| gehe es um die Stimmen „der reaktionärsten Teile der brasilianischen | |
| Gesellschaft, der Landherren und des alteingesessenen Unternehmertums“. | |
| 15 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Behn | |
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