| # taz.de -- Aktionsplan für die Textilindustrie: Der Fluch der Lieferkette | |
| > Die Wirtschaft will nicht Entwicklungsminister Müllers Bündnis für höhere | |
| > Sozial- und Ökostandards beitreten. Umweltschützer sind sauer. | |
| Bild: TextilarbeiterInnen sollen es künftig besser haben | |
| BERLIN taz | Es hätte der große Wurf von CSU-Entwicklungsminister Gerd | |
| Müller sein können: ein Aktionsplan für höhere soziale und ökologische | |
| Standards in der Textilproduktion mit breiter Unterstützung der Industrie. | |
| Mitte Oktober hat sich das Bündnis zur Umsetzung des Plans gegründet – doch | |
| die großen Namen fehlen. Unternehmen wie Otto, Kik und C&A verweigern eine | |
| Unterschrift. | |
| Warum eigentlich? Der Plan sei in seiner jetzigen Form „nicht umsetzbar“, | |
| sagt Kai Falk, Geschäftsführer und Pressesprecher des Handelsverbands | |
| Deutschland (HDE). Er verweist unter anderem auf die komplexen | |
| Lieferketten, bei denen eine Überwachung kaum möglich sei. Auf genau die | |
| kommt es an. Ein zentraler Punkt ist der existenzsichernde Lohn: | |
| ArbeiterInnen sollen so bezahlt werden, dass sie auch eine Altersvorsorge, | |
| ihre Familie und die Bildung der Kinder finanzieren können. Doch viele | |
| Firmen stünden nie in direktem Kontakt zu den Fabriken, sagt Falk. Sie | |
| beauftragten Agenturen, die wiederum Aufträge vergeben. | |
| Das trifft zumindest teilweise auf Verständnis bei der 40 Mitarbeiter | |
| zählenden Outdoorkleidungsfirma Elkline, die dem Bündnis beigetreten ist. | |
| „Die textile Kette ist wirklich ein Dickicht“, sagt die Produktionschefin | |
| Maren Brandt. „Ich kann die Probleme verstehen. Aber das heißt ja nicht, | |
| dass ich keine Mitverantwortung habe“, schränkt sie ein. Dem Bündnis | |
| beigetreten sind neben Organisationen wie Transparency International und | |
| dem DGB vor allem kleinere Firmen und Hersteller wie Hess Natur, Vaude und | |
| Trigema, die bereits zuvor auf höhere Standards geachtet haben. | |
| Allein in Indien arbeiten 40 ArbeiterInnen ausschließlich für Elkline. In | |
| China arbeite die Firma mit einer Agentur zusammen, deren Zulieferer und | |
| Partner Standards einhalten. Es geht also. Dennoch hat die | |
| Produktionschefin Verständnis für die Großen der Branche. Die Umsetzung sei | |
| für ein kleineres Unternehmen mit flachen Hierarchien einfacher. | |
| Allerdings: „Egal wo ich stehe: Ich kann immer anfangen“, sagt Brandt. Dass | |
| große Konzerne zudem aufgrund ihrer Marktmacht eher höhere Standards bei | |
| Zulieferern durchsetzen könnten, hatte Vaude-Geschäftsführerin Antje von | |
| Dewitz zum Start des Bündnisses bemerkt: „Die Großen können einfach sagen: | |
| ’Macht das, bitte!‘, und die können sogar noch das ’bitte‘ weglassen.�… | |
| ## Industrie in Öko-Bredouille | |
| Der Aktionsplan ist lediglich eine Selbstverpflichtung, deren Ansprüche die | |
| Mitglieder nach und nach in den kommenden Jahren erfüllen sollen. Vielen | |
| geht das trotzdem zu schnell: „Einige Ziele sind zeitlich zu ambitioniert“, | |
| sagt Marcello Concilio, Pressesprecher des münsterländischen Textilhauses | |
| Ernsting’s Family. Concilio ist Teil des Nachhaltigkeitsteams des | |
| Unternehmens, das auch über den Eintritt zum Bündnis beraten hat. Er sagt, | |
| dass Hersteller von Outdoor- und Regenkleidung den Einsatz von Chemikalien | |
| nicht so schnell verringern können – obwohl etwa die Firma Vaude genau das | |
| geschafft hat. | |
| HDE-Sprecher Falk sieht eine weitere Öko-Bredouille bei einigen | |
| Baumwollfasern, die nicht ohne bestimmte Chemikalien hergestellt werden | |
| könnten. Greenpeace stellt das infrage und ist dem Bündnis nicht | |
| beigetreten, weil die Standards zu niedrig seien. Die Umweltschützer haben | |
| einen eigenen Standard, dem sich bereits Konzerne wie H&M, Adidas oder | |
| Burberry verpflichtet haben. Weniger Chemie scheint also möglich. | |
| Die Waren für die rund 1700 Ernsting’s-Family-Filialen in Deutschland und | |
| Österreich werden unter anderem in Indien, China, Indonesien und | |
| Bangladesch gefertigt. Zwar ist die Firma zum Beispiel Mitglied in der | |
| Initiative Business Social Compliance, die die Einhaltung bestimmter | |
| Sozialstandards in der Produktion voraussetzt. Die Ziele für das | |
| Textilbündnis hält der Konzern dennoch für zu hoch gegriffen: „Wir sind bei | |
| einigen der Forderungen noch relativ am Anfang“, gibt Sprecher Concilio zu. | |
| Ein Problem sei die Kontrolle: Ernsting’s Family arbeite mit Lieferanten | |
| zusammen. Eine „100-prozentige Kontrolle“ sei aber nur mit eigenen | |
| Fertigungsstätten möglich. „Wir stoßen uns zudem daran, dass es ein | |
| deutscher Alleingang ist“, sagt Concilio. Wenn aber ein nationales Bündnis | |
| scheitert, stellt sich die Frage, wie es international klappen soll. | |
| 7 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva Oer | |
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