# taz.de -- Neuer Aktionsplan: Textilindustrie will höhere Löhne | |
> Auf Initiative von Entwicklungsminister Müller einigen sich Verbände, | |
> Firmen und Kritiker auf einen sozialökologischen Standard für die | |
> Produktion. | |
Bild: Viel Arbeit, lange Dienste: Textilarbeiterin in China. | |
BERLIN taz | Die Beschäftigten in den Zulieferbetrieben deutscher | |
Textilhändler sollen existenzsichernde Löhne erhalten. Für Hunderttausende | |
Arbeiterinnen und Arbeiter in Bangladesch, Pakistan, China und anderen | |
Produktionsländern wäre dies eine wesentliche Verbesserung. Das ist ein | |
zentraler Punkt im Aktionsplan für nachhaltige Textilien, den | |
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) mit Unternehmen, Verbänden und | |
Gewerkschaften erarbeitet hat. | |
Gestartet hat Müller seine Initiative als Reaktion auf den Einsturz des | |
Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka im April 2013. | |
In dem teils illegal ausgebauten Komplex waren über 1.100 Beschäftige | |
gestorben, von denen manche auch für deutsche Textilketten gearbeitet | |
hatten. | |
Nun sagt Lorenz Berzau von der Business Social Compliance Initiative (BSCI) | |
in Brüssel, einer Firmenvereinigung für Sozialstandards mit rund 1.400 | |
Mitgliedsunternehmen: „Ich halte es für richtig, wenn sich unsere | |
Initiative im Aktionsbündnis engagiert.“ Ähnliches ist von der | |
Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE) zu hören. Unter | |
anderem Adidas, H & M, C & A, der TÜV, der Deutsche Gewerkschaftsbund und | |
die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) beteiligten sich daran, den Text | |
auszuarbeiten. „Der Aktionsplan entspricht in weiten Teilen dem, was wir | |
für richtig halten“, so Sandra Dusch Silva von der Christlichen Initiative | |
Romero, die die CCC mitträgt. | |
Am Donnerstag kommender Woche soll das Bündnis offiziell gegründet werden. | |
Bis dahin sollen sich die Organisationen und Firmen entscheiden, ob sie | |
unterschreiben. Es handelt sich um eine freiwillige Vereinbarung. Sie | |
könnte jedoch Standards setzen, an denen sich die Branche künftig messen | |
lassen muss. Den Kritikern ist es erstmals gelungen, den Begriff des | |
„existenzsichernden Einkommens“ zur Grundlage zu machen. Das bedeutet: | |
Beschäftigte in den Zulieferfirmen sollen nicht mit den meist niedrigen | |
Mindestlöhnen abgespeist werden, sondern haben künftig einen Anspruch auf | |
Bezahlung, mit der sie die Grundbedürfnisse der Familie, die Ausbildung der | |
Kinder und die Altersvorsorge finanzieren können. Diesen Lohn sollen die | |
Arbeiter für die „reguläre Arbeitszeit“ erhalten, nicht erst unter Einbez… | |
der Überstunden. Wie hoch ein solches Einkommen sein muss, steht nicht im | |
neuen Standard – darüber wird es Auseinandersetzungen geben. Geeinigt haben | |
sich die Beteiligten auch darauf, dass maximal 48 Stunden pro Woche | |
gearbeitet werden soll, plus höchstens 12 Überstunden. Gegenwärtig sind | |
auch 70 oder 80 Stunden wöchentlich nicht ausgeschlossen. | |
## Gegen ein Textilsiegel wehren sich viele Unternehmen und einige Verbände | |
Die Unterzeichner sichern zu, die Regeln in der Textilproduktion bis 2020 | |
umzusetzen, in der Erzeugung von Baumwolle bis 2024. Enthalten sind auch | |
ökologische Verbesserungen und Mechanismen zur Überprüfung. | |
Nicht durchsetzen konnte Müller bisher sein Ziel, bis Ende des Jahres ein | |
neues Textilsiegel einzuführen. Dieses sollte dem Verbraucher sichtbar | |
machen, ob die Kleidung in den Geschäften dem Standard entsprechend | |
produziert wurde. Doch dagegen wehren sich viele Unternehmen und einige | |
Verbände. | |
„Statt einer freiwilligen deutschen Vereinbarung sollte Minister Müller | |
eine verpflichtende europäische Lösung anstreben“, kritisierte die | |
Vorsitzende des Verbraucherausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), | |
„sonst können sich die Unternehmen davonstehlen.“ Sie sagte: „Wir brauch… | |
ein europäisches Sozial- und Ökosiegel als Orientierung für die | |
Verbraucher. Eine Basis dafür muss sein, dass alle Unternehmen in der EU | |
regelmäßig offenlegen, in welchen Zulieferbetrieben sie zu welchen | |
Bedingungen produzieren lassen.“ | |
7 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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