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# taz.de -- Menschenrechtler über Morde in Mexiko: „Die Mafia tötet Soziala…
> Die Ermittlungen im Fall der 43 mexikanischen Studenten sind
> unzureichend. Und die Angehörigen sind skeptisch, sagt
> Menschenrechtsaktivist Abel Barrera.
Bild: Mexikaner fordern in der Hauptstadt Gerechtigkeit für die 43 Studenten.
taz: Herr Barrera, letzte Woche hat die Generalstaatsanwaltschaft im Fall
der 43 verschwundenen Studenten drei Geständige präsentiert. Sie gaben an,
sie hätten die Studenten getötet, verbrannt und die Asche weggeworfen. Die
Angehörigen sind skeptisch. Warum?
Abel Barrera: Die Behörden versuchen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf
ein paar Jugendliche zu lenken, die für die organisierte Kriminalität
arbeiten. Indem sie die Geständnisse so hervorheben, wollen sie die
Verantwortung staatlicher Behörden vertuschen. Man will an dem Bild
festhalten, das Problem sei nur die Mafia. Bislang liegen keine
wissenschaftlichen Beweise vor. Warum sollten sich die Angehörigen mit den
Aussagen von drei Personen zufriedengeben, wo es viel mehr Zeugen gibt?
Ist es ein Zufall, dass ausgerechnet die Studenten der pädagogischen
Fachschule Ayotzinapa so brutal angegriffen wurden?
Nein, das hat damit zu tun, dass Ayotzinapa für ein anderes Bildungskonzept
steht. Man will dort Lehrer aus armen Gemeinden ausbilden, die danach in
ihren Dörfern sozialen Wandel voranbringen. An diesem Konzept aus der
mexikanischen Revolution haben die heutigen Regierungen kein Interesse.
Deshalb arbeiten sie darauf hin, die Schulen zu schließen. Dagegen wehren
sich die Studenten und haben sich dabei radikalisiert. In der
Öffentlichkeit werden sie deshalb stigmatisiert. Der „Ayotzinapo“ ist zum
Synonym für einen Krawallmacher geworden. Damit wird die Gewalt gegen die
Studenten legitimiert.
In diesem Fall hat aber der Bürgermeister José Luis Abarca von Iguala den
Befehl gegeben, gegen die Studenten vorzugehen.
Aber die entsprechende Stimmung war bereits geschaffen. Nur so ist zu
erklären, dass Abarca einen solchen Einsatz anordnen kann. Er hat eindeutig
signalisiert: „Stoppt sie, unterwerft sie.“ Bei nicht ausgebildeten
Polizisten, die für die Mafia arbeiten und nur gewohnt sind, ihre Waffen zu
benutzen, kann das alles bedeuten. Der Angriff dauerte zwei Stunden, und
Abarca hat nie eingegriffen. Auch die bundesstaatlichen und föderalen
Polizisten schauten nur zu.
Wie ist das zu erklären?
Sie gaben später an, sie hätten keinen Befehl bekommen und es stünde ihnen
nicht zu, gegen die Lokalpolizei vorzugehen. Ähnlich agierte das Militär.
Normalerweise richtet die Armee sofort Kontrollposten ein, wenn schwere
Waffen im Spiel sind. Diesmal nicht, obwohl Streitkräfte in der Nähe waren.
Im Gegenteil: Die Soldaten durchsuchten einen verletzten Studenten, der
dringend ins Krankenhaus musste. Die Armee hätte schon viel früher etwas
unternehmen müssen. Sie kannte die Struktur der organisierten Kriminalität
in Iguala.
Auch der Geheimdienst Cisen war informiert, dass Abarcas Frau María de los
Angeles in die Verbrecherbande Guerreros Unidos eingebunden ist …
Nicht nur das. Sie wussten auch, dass dort viele Menschen hingerichtet
wurden. Es war klar, dass es in Iguala viele Massengräber gibt. Außerdem
ist Abarca wohl für die Ermordung von drei Oppositionellen im Jahr 2013
verantwortlich. Aber niemand hat ermittelt. Andere, die den Angriff damals
überlebten, mussten die Gegend verlassen, weil sie mit dem Tod bedroht
wurden.
Warum wurde nicht ermittelt?
Dafür war Gouverneur Angel Aguirre verantwortlich. Aber auch die
Bundesregierung hat den Fall einfach hingenommen. Die Witwe eines
Ermordeten hat vergeblich bei föderalen Behörden geklagt. Aguirre hat den
Bürgermeister auch jetzt in Schutz genommen. Obwohl klar war, dass Abarca
Verantwortung trägt, ließ er ihn laufen. Er begründete das damit, dass der
Gemeindevorsteher Immunität genieße. In einer solchen Situation gibt es
Möglichkeiten, ihn festzuhalten. Aguirre hat sich mindestens zum Komplizen
der Politik der Straflosigkeit gemacht.
Wieso diese Ignoranz?
Die organisierte Kriminalität hat die Regierungen unterwandert. Wir haben
es mit einer De-facto-Allianz auf allen drei Ebenen zu tun: lokal,
bundesstaatlich, föderal. Im Fall Iguala überschneiden sich alle Ebenen:
Die Bundesregierung hat nichts dagegen unternommen, dass die Mafia
Sozialaktivisten tötet. Der Gouverneur ließ den Bürgermeister frei walten,
und dessen Polizeichef übergab die Männer den Kriminellen.
13 Nov 2014
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Mexiko
Mafia
Studenten
Iguala
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