| # taz.de -- Debatte Langzeitarbeitslosigkeit: Bei Jugendlichen anfangen | |
| > Hartz IV hat Langzeitarbeitslosen die Wiedereingliederung ins | |
| > Erwerbsleben so gut wie unmöglich gemacht. Das muss nicht so bleiben. | |
| Bild: Viele kommen da so schnell nicht wieder raus. | |
| Auch nach bald zehn Jahren Hartz IV bleibt die Langzeitarbeitslosigkeit auf | |
| hohem Niveau. Daran haben die gute Konjunktur, Rekordbeschäftigung, Abbau | |
| der Arbeitslosigkeit insgesamt und die ständige Propaganda mit dem | |
| Fachkräftemangel nichts geändert. Vielmehr verschärft sich die eklatante | |
| soziale Ungerechtigkeit weiter. Arbeitnehmer zahlen von ihrem Einkommen | |
| Pflichtbeiträge zur Arbeitslosenversicherung, beziehen im Fall der | |
| Erwerbslosigkeit aber noch nicht einmal ein Drittel der von ihnen | |
| mitfinanzierten Arbeitslosenversicherung (ALG I). | |
| Stattdessen werden sie in die Armutsfalle Hartz IV sowie in die Jobcenter | |
| abgedrängt. Dort wird die Eingliederung ins Arbeitsleben erheblich | |
| erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Die Gründe dafür sind vor | |
| allem das Kompetenzgerangel zwischen Kommunen und Arbeitsagenturen, die | |
| hohe Fehlerquote, die zu einer Klageflut vor den Sozialgerichte führt, der | |
| hohe Anteil von nur befristeter Beschäftigung und der ständige Aderlass bei | |
| den Finanzen. Was folgt aus dieser bitteren Bilanz? Wie ließen sich die | |
| Fehler der letzten 10 Jahre grundlegend aufarbeiten? | |
| Dringend erforderlich ist ein erneuter Paradigmenwechsel in der | |
| Arbeitsmarktpolitik von der gesellschaftlichen Aussonderung | |
| langzeitarbeitsloser Menschen in Hartz IV zur Inklusion in Arbeit und | |
| Gesellschaft. Unabdingbare Voraussetzungen hierzu sind eine erhebliche | |
| Aufstockung der ALG-II- Leistungen ohne die entwürdigende Bedarfsermittlung | |
| sowie eine ausreichende Arbeitsförderung durch Qualifizierung, | |
| Eingliederungshilfen und existenzsichernde, sinnvolle Beschäftigung. | |
| Dazu müssen Langzeitarbeitslose mit vorheriger Erwerbstätigkeit | |
| grundsätzlich in die Arbeitsagenturen zurückgeführt werden. Das aber | |
| bedeutet, dass sich die Arbeitsagenturen wieder stärker um die | |
| Eingliederung der schwerer vermittelbaren Personengruppen kümmern – so wie | |
| es der Bundesrechnungshof der Bundesagentur für Arbeit erst kürzlich | |
| verlangte. | |
| Dies bedingt die gesetzliche und praktische Eindämmung der Privatisierung | |
| in der Arbeitsmarktpolitik vor allem durch die boomenden | |
| Leiharbeitsagenturen. Die Jobcenter, ob in Eigenregie der Kommunen oder | |
| gemeinsam mit den Arbeitsagenturen, hätten dann die notwendigen Kapazitäten | |
| für die flankierenden sozialen Leistungen, wie Kinderbetreuung, Schuldner- | |
| und Suchtberatung sowie den sozialen Arbeitsmarkt. | |
| Über die Hälfte der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger hat gravierende | |
| Verschuldungs-, Sucht- oder psychosoziale Probleme. Alleinerziehende | |
| erhalten keine ausreichenden Kinderbetreuungsangebote, genauso wenig, wie | |
| Menschen mit Behinderungen auf angemessene Unterstützung rechnen können. | |
| Nur wenige von ihnen erhalten auch nur die erforderliche Beratung in den | |
| Jobcentern. Deshalb ist es notwenig, dass Langzeitarbeitslose von diesen | |
| nicht mehr betreut werden. | |
| ## Alleinerziehende eingliedern | |
| Der Transfer arbeitsloser Menschen aus den Jobcentern in die | |
| Arbeitsagenturen könnte stufenweise vorgenommen werden. Zu beginnen ist | |
| damit, die jugendlichen Bewerber um einen Ausbildungsplatz aus der | |
| Stigmatisierung der Zugehörigkeit zu Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften und | |
| Jobcentern zu befreien. Auch sind die beinahe 600.000 Alleinerziehenden – | |
| zumeist Frauen – aus der Hartz-IV-Falle herauszuholen und durch die | |
| Arbeitsagenturen zu fördern und beruflich einzugliedern. | |
| Mit 40 Prozent in Hartz IV, muss gerade auch Alleinerziehenden und ihren | |
| Kindern die Inklusion in Beruf und Gesellschaft ermöglicht werden. Wenig | |
| überzeugend sind die Argumente, dies sei nicht zu bezahlen. Die mit | |
| erfolgreicher Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit einzusparenden hohen | |
| materiellen und immateriellen Kosten liegen um ein Vielfaches höher. | |
| Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) probt gerade den politischen | |
| Aufschlag zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit mit großzügigen | |
| Lohnkostenzuschüssen bis zu 100 Prozent und einer Eingliederungsbegleitung | |
| durch Coachs für die Arbeitslosen. Doch das bietet der Wirtschaft vor allem | |
| einen Anreiz, die großzügigen Zuschüsse mitzunehmen, unabhängig von der | |
| jeweils vorhandenen Leistungsfähigkeit der betroffenen Arbeitslosen. Auch | |
| fehlt es an der nötigen Aufstockung von Personal und Finanzen in den | |
| Jobcentern für die Begleitung langzeitarbeitsloser Menschen auch nach der | |
| Eingliederung ins Arbeitsleben. | |
| ## Grünen- und Linkspartei-Pläne | |
| Insgesamt kommt die Erkenntnis reichlich spät, dass es für diese Menschen | |
| auch bei guter Konjunktur keinen Beschäftigungsautomatismus gibt. Die | |
| vormalige Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte unter | |
| der Knute von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die | |
| Arbeitsmarktförderung drastisch zusammengestrichen. Als bittere Folge hält | |
| die Bundesrepublik unter den vergleichbaren EU-Ländern einen traurigen | |
| Rekord: 40 Prozent der Arbeitslosen sind hier langzeitarbeitslos. | |
| Ihr mit großem Medienwirbel verkündetes Projekt der Bürgerarbeit hat gerade | |
| mal 27.000 Langzeitarbeitslosen eine Beschäftigung ermöglicht. Leider ist | |
| auch die Initiative von Andrea Nahles für etwa 30.000 Betroffene, | |
| finanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds in Höhe von 470 | |
| Millionen Euro und ergänzend aus Mitteln der Jobcenter, nur ein Tropfen auf | |
| den heißen Stein. Sie doktern an den Symptomen herum, vermögen aber das | |
| gesellschaftliche Übel Langzeitarbeitslosigkeit nicht an der Wurzel zu | |
| packen. | |
| Wenig tiefgründig sind auch die Vorstellungen aus Kreisen der CDU, | |
| Leistungen von ALG II zur Arbeitsförderung einsetzen zu können. Am Mangel | |
| an Einstellungsbereitschaft der Wirtschaft sowie dem generellen | |
| finanziellen Mangel würde sich dadurch nichts ändern. Bleibt zu hoffen, | |
| dass sich die Opposition von Grünen und Linken trotz ihrer politischen | |
| Minderheitenrolle Gehör verschaffen kann. Die unverantwortlichen Kürzungen | |
| von Eingliederungsleistungen müssen rückgängig gemacht und gerade | |
| langzeitarbeitslosen Menschen darf der Mindestlohn nicht verweigert werden. | |
| 17 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ursula Engelen-Kefer | |
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