| # taz.de -- Schwarze enttäuscht wegen Ferguson: An Lynchmorde erinnert | |
| > Eine neue Welle der Empörung und Wut rollt von der Ost- bis zur | |
| > Westküste: Vor allem schwarze US-Amerikaner sind frustriert und entsetzt. | |
| Bild: Wütende Grüße: Protestierende vor einer Polizeiwache in Ferguson | |
| PITTSBURGH ap | Der Fall Michael Brown hat in den USA unter den Schwarzen | |
| Emotionen wieder hochkochen lassen, die nach dem Erfolg von Afroamerikanern | |
| wie Oprah Winfrey oder Barack Obama fast überwunden schienen: | |
| Unterdrückung, Verweigerung von Chancengleichheit und das Gefühl, Bürger | |
| zweiter Klasse zu sein. Dabei war die Bürgerrechtsbewegung in den 1960er | |
| Jahren angetreten, genau das hinter sich zu lassen. | |
| Dass nun diese Welle der Empörung und Wut von der Ost- bis zur Westküste | |
| die USA überflutet, liegt an der Entscheidung einer Grand Jury vom Montag. | |
| Danach wird ein weißer Polizist im Staat Missouri nicht angeklagt, der | |
| einen unbewaffneten 18-jährigen Schwarzen erschoss. | |
| „Es fühlt sich wie die Lynchmorde an, die es im vergangenen Jahrhundert | |
| gab“, sagt der Leiter der Bürgerrechtsorganisation BK Nation, Kevin Powell. | |
| Er arbeitet seit den tödlichen Polizeischüssen auf Michael Brown in | |
| Ferguson. „Ich fühle mich deprimiert und taub, obwohl ich die Entscheidung | |
| erwartet habe. Ich billige keinerlei Art von Gewalt, aber sicherlich | |
| verstehe ich die Wut der Leute da draußen. Ich bin selber wütend.“ | |
| Seit der Bekanntgabe der Geschworenenentscheidung gab es in Ferguson und | |
| vielen Städten in den USA einen Proteststurm, nicht alle Demonstrationen | |
| blieben friedlich. Aber es wird nicht nur auf den Straßen protestiert; am | |
| Arbeitsplatz gibt es hitzige Diskussionen zwischen Kollegen; es gibt | |
| wütende Wortmeldungen im Talk-Radio und leidenschaftliche Kommentare in den | |
| sozialen Medien. | |
| ## „Es ergibt keinen Sinn“ | |
| Zentrale Punkte sind immer wieder die Art und Weise, in der Staatsanwalt | |
| Bob McCulloch die Beweislage präsentierte: widersprüchliche Erklärungen und | |
| die Zusammenstellung der Anklagekammer. Unter den zwölf Geschworenen waren | |
| nur drei Schwarze – und für die Entscheidung der Jury wurde keine | |
| Einstimmigkeit verlangt. | |
| Aber es gibt auch grundsätzliche Reaktionen losgelöst vom Fall, fehlendes | |
| Vertrauen in Fairness und Integrität des US-Rechtssystems. „"Ich bin | |
| enttäuscht und wütend“, sagt die Lehrerin Shakealia Finley aus Atlanta. „… | |
| ist eine Fehlentscheidung.“ Als US-Bürger wolle man sich darauf verlassen | |
| können, im Justizsystem Recht bekommen zu können, sagt Finley. „Ich | |
| beobachte aber weiter Vorkommnisse, in denen die Justiz Fehler macht, wenn | |
| es um die schwarze Bevölkerung geht. Sie finden jede Art von Schlupfloch | |
| und technische Feinheit um zu dem Ergebnis zu kommen, den Mörder | |
| davonkommen zu lassen.“ | |
| Im Fall Brown hätte Polizist Wilson nach ihrer festen Überzeugung warten | |
| müssen, bis Verstärkung eintrifft, sagt Finley. Aussagen des Beamten und | |
| einiger Zeugen, Brown habe sich auf Wilson zubewegt, als er erschossen | |
| wurde, glaubt sie nicht. „Ich glaube nicht, dass er jemand angriff, der | |
| eine Waffe auf ihn richtete“, sagt Finley. „Kein Szenario lässt mich das | |
| denken. Es ergibt einfach keinen Sinn.“ | |
| ## Emotional und rational | |
| Reagiert sie rational oder emotional? „Ich denke, es ist beides, und ich | |
| denke, das ist okay“, antwortet die Lehrerin. „Es ist okay zu sagen, das | |
| ist ein weiterer Fall, in dem Schwarzen in der Gesellschaft keine | |
| Gerechtigkeit widerfährt. Mike Brown hat in der Situation eine schlechte | |
| Entscheidung getroffen. Es hätte ihm nicht sein Leben kosten dürfen.“ | |
| Malaika Adereo, Verlegerin in New York, sieht das ähnlich: Brown habe | |
| seinen Teil zu den Ereignissen beigetragen und ein Polizist habe das Recht, | |
| sich selbst zu verteidigen. „Aber dennoch gibt es für mich keine | |
| Rechtfertigung für den Tod dieses jungen Mannes“, betont sie. „Das ist Teil | |
| eines verstörenden Musters, das es seit langem gibt. Es ist herzzerreißend, | |
| weil es für die Richtung steht, in die sich dieses Land bewegt.“ | |
| Adero gesteht ein, dass sie nicht das ganze Beweismaterial gelesen habe, | |
| das der Grand Jury vorgelegt und inzwischen veröffentlicht wurde. „Ich habe | |
| den Verdacht, dass Wilson ein Verbrecher ist. Noch wichtiger ist für mich, | |
| dass die Polizei kriminell ist. Die Polizeiführung ist kriminell. Ich weiß | |
| nichts über Wilson. Aber ich weiß, dass der Staat systematisch Verbrechen | |
| begeht.“ | |
| Die Grundschullehrerin Jo Cabey aus Blytheville in Arkansas sagt, Browns | |
| Tod repräsentiere mehr als ein Einzelschicksal. „Ich bin enttäuscht und | |
| frustriert, dass dieses Justizsystem sagt, es gebe Freiheit und | |
| Gerechtigkeit für alle. Aber schwarze Männer werden weiterhin von Leuten | |
| getötet, die uns eigentlich schützen sollten.“ | |
| ## Symbol für Misstrauen und Rassismus | |
| Der Leiter der soziologischen Fakultät der La-Salle-Universität in | |
| Philadelphia, Charles Gallagher, erklärt, es gehe gar nicht mehr nur um | |
| Recht oder Unrecht in dem einzelnen Fall Brown. „Gerechtfertigt oder nicht, | |
| was diese Schüsse wieder einmal an den Tag brachten ist eine weiße | |
| Machtstruktur, die Schwarze als Bürger zweiter Klasse behandelt“, erklärte | |
| er. Dinge wie rassisches Profiling, hohe Strafen für geringe Vergehen, der | |
| Wegzug von Weißen und schrumpfende Bildungsausgaben hätten in Ferguson dazu | |
| geführt, das „Michael Brown ein Symbol für brodelndes Misstrauen und | |
| Rassismus wurde“. | |
| Powell beschreibt das so: „Es ist fast so, als ob man zu einer Familie | |
| gehört, aber für immer vom Betreten ihres Hauses ausgeschlossen ist. Man | |
| denkt, man ist hinein gekommen, weil Präsident Obama im Weißen Haus ist, | |
| weil es Oprah und andere erfolgreiche Schwarze gibt, und dann passiert das | |
| – und man fragt sich: Werden wir in diesem Land jemals gleich behandelt | |
| werden?“ | |
| 26 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jesse Washington | |
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