# taz.de -- Debatte Polizeigewalt in Ferguson: Verkommene Standards | |
> Die Entscheidung der Grand Jury im Fall Michael Brown setzt den | |
> Notwehrexzess als legitimierte Regel fest. Sie trifft damit vor allem | |
> Schwarze. | |
Bild: Eine Wandmalerei zum Gedenken an Michael Brown in New York | |
Es war vollkommen vorhersehbar, was sich in dieser Woche in der | |
US-amerikanischen Kleinstadt Ferguson im Bundesstaat Missouri abspielte. | |
Dass die Grand Jury zu dem Schluss kommen würde, es gebe keinen Grund, | |
Anklage gegen den Polizisten Darren Wilson zu erheben, war ebenso abzusehen | |
wie die Reaktionen darauf. | |
Wilson hatte im August dieses Jahres in Ferguson den 18-jährigen | |
unbewaffneten Schwarzen Michael Brown erschossen. Am Montagabend kam es | |
nach der Grand-Jury-Entscheidung in Ferguson zu Demonstrationen und | |
Ausschreitungen, mehrere Gebäude und Autos gingen in Flammen auf, andere | |
wurden geplündert. Am Folgetag demonstrierten in weit über 100 | |
US-amerikanischen Städten Zigtausende gegen Rassismus und Polizeigewalt. | |
Für die schwarze Bevölkerung der USA reihte sich die Entscheidung in ein | |
Narrativ ein, das ihrer Erfahrungswelt entspricht: Man kann mit uns machen, | |
was man will, ohne dafür belangt zu werden. Präsident Barack Obama erklärte | |
zwar seinen Respekt vor der Entscheidung, gab aber zu bedenken, dass die | |
Benachteiligung von Schwarzen und People of Colour durch Polizei und | |
Rechtssystem ja nicht frei erfunden sei. | |
Rund 400 Personen werden jedes Jahr von der Polizei erschossen. Das sind | |
mittlerweile mehr als zehnmal so viele Menschen wie zum Tode verurteilt und | |
hingerichtet werden. Es sind weniger als die, die in Brasilien durch die | |
Kugeln der Militärpolizei sterben, aber im Vergleich zu anderen | |
entwickelten Demokratien ist ihre Zahl unglaublich hoch (Beispiel | |
Deutschland: Hier wurden 2012 und 2013 jeweils 8 Menschen von der Polizei | |
erschossen). | |
## Polizei nicht geschult | |
Polizisten in den USA sind kürzer und schlechter ausgebildet als anderswo – | |
das gilt insbesondere für die lokalen Polizeikräfte, die den meisten | |
Bürgerkontakt haben. Oftmals kennen sie nicht einmal die Gesetze, nach | |
denen sie eigentlich handeln sollen, vor allem aber fehlt in der Regel jede | |
spezielle Ausbildung für eine gewaltfreie Konfliktlösung. | |
Psychisch kranke Personen etwa laufen besonders große Gefahr, ein | |
Zusammentreffen mit den Uniformierten nicht zu überleben. Eine in diesem | |
Sommer veröffentlichte Studie aus Los Angeles belegt, dass dort, wo | |
Polizisten speziell auf den Umgang mit geistig verwirrten Personen | |
vorbereitet werden, die Zahl der Todesfälle deutlich sinkt – doch zu solch | |
einer Schulung sind viele Lokalpolizeien weder fähig noch willens. | |
Und solange es, wie jetzt im Fall Mike Brown, ausreicht, dass ein Polizist | |
erklärt, sich bedroht gefühlt zu haben, um zwölf Schüsse auf einen | |
Unbewaffneten zu rechtfertigen, wird sich daran auch nichts ändern. Selbst | |
wenn die Angaben Darren Wilsons zu 100 Prozent stimmen sollten – Zweifel | |
sind angebracht –, so ist doch nicht einzusehen, dass der Konflikt wirklich | |
nicht anders hätte gelöst werden können als mit Schüssen. Der Notwehrexzess | |
als legitimierte Regel – auch das bedeutet die Entscheidung von Ferguson. | |
## Bedrohungsgefühl reicht aus | |
Aber auch das ist nicht isoliert zu sehen, folgt es doch derselben Logik, | |
die auch den in vielen Bundesstaaten geltenden „Stand your ground“-Gesetzen | |
zugrunde liegt. Müsste ein Bürger eigentlich vom Gesetz dazu animiert | |
werden, einem gewaltsamen Konflikt möglichst aus dem Weg zu gehen oder ihn | |
so niedrigschwellig wie irgendwie möglich zu lösen, so legitimieren diese | |
Gesetze auch die Anwendung tödlicher Gewalt – immer dann, wenn der Täter | |
angibt, sich bedroht gefühlt zu haben. | |
Polizei und Bürger in einem Land ohne staatliches Gewaltmonopol handeln | |
gleichermaßen verantwortungslos – und die Gesetze sorgen nicht dafür, die | |
Standards nach oben zu verschieben, sondern sie setzen sie im Gegenteil | |
weiter herab. | |
Erst in diesem Kontext wird die legal ausgeübte Gewalt so exzessiv. Dass | |
sie dann vor allem Schwarze trifft, ist keine Besonderheit der Polizei: Es | |
ist nur eine Fortschreibung der Benachteiligung, die Schwarze in allen | |
anderen Lebensbereichen auch erfahren. | |
29 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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