# taz.de -- Todesschüsse von Ferguson: Randale nach Jury-Entscheidung | |
> Allen Mahnungen zum Trotz: Eine Jury lehnt die Anklage gegen den | |
> Polizisten Wilson ab. Es kommt zu schweren Ausschreitungen. | |
Bild: Ferguson in der Nacht von Montag auf Dienstag | |
NEW YORK taz | Staatsanwalt Robert McCulloch nutzt seine Pressekonferenz am | |
späten Montagabend für zwei Dinge: Er erklärt, dass der Polizist, der am 9. | |
August den unbewaffneten schwarzen Teenager Michael Brown erschossen hat, | |
nicht angeklagt wird. | |
Nachdem er den Todesschützen von jedem Verdacht fehlerhaften Verhaltens | |
reingewaschen hat, beschimpft McCulloch die Medien. Er macht den | |
24-Stunden-Rhythmus der TV-Sender – und nicht den Rassismus der Polizei, | |
der quer durch das Land am Pranger steht – dafür verantwortlich, dass die | |
kleine Vorstadt Ferguson in Aufruhr ist. | |
Was in den Folgestunden passiert, ist die Chronik einer angekündigten | |
Randale. Das ganze Land starrt auf die 21.000-Einwohner-Vorstadt am Rande | |
von St. Louis, deren Namen bis zum 9. August kaum jemand außerhalb von | |
Missouri gekannt hat. Dort explodiert die Wut, die sich in Wochen des | |
Hoffens auf eine Anklage gegen den Polizisten Darren Wilson und auf einen | |
öffentlichen Prozess angestaut hat. | |
Warum Staatsanwalt McCulloch seine Pressekonferenz am späten Montagabend | |
angesetzt hat, bleibt sein Geheimnis. Die Terminierung sorgt dafür, dass | |
die Auseinandersetzungen in Ferguson tief in der Nacht stattfinden. | |
Demonstranten ziehen durch die Stadt und verlangen trotzig weiter ein | |
Gerichtsverfahren, das die Grand Jury ihnen verwehrt hat. | |
## Polizei in Kampfmontur | |
Gruppen von Randalierern fackeln Polizeiautos ab und und setzen Geschäfte | |
auf der Florissant Road in Brand, wo in den vergangenen gut drei Monaten | |
fast allnächtlich Proteste stattgefunden haben. Die Polizei tritt von | |
Anfang an in voller Kampfuniform auf und schießt Tränengas in die | |
Menschenmenge. Inmitten des nächtlichen Chaos versuchen religiöse | |
Würdenträger und Bürgerrechtsaktivisten, die Lage zu deeskalieren. | |
Gleich nach McCullochs Pressekonferenz veröffentlichen die Eltern des | |
erschossenen Michael Brown einen offenen Brief. Darin drücken sie | |
einerseits ihre tiefe Enttäuschung darüber aus, dass der „Killer unseres | |
Kindes“ nicht vor Gericht kommt. Und fordern andererseits die Demonstranten | |
in Ferguson zu „positiven Aktionen“ auf; sie sollen nicht alles | |
„kaputtmachen“. In eben diesem Sinne hatte Michael Brown Sr., der Vater, | |
schon vorab erklärt, er wolle nicht, dass sein Sohn „umsonst“ gestorben | |
sei. | |
Auch der Abgeordnete John Lewis, der in der Bürgerrechtsbewegung der 60er | |
Jahren von der Polizei so schwer misshandelt worden ist, dass er es beinahe | |
nicht überlebt hätte, meldet sich zu Wort: „Ich weiß, das ist hart“, | |
erklärt der beliebte alte Mann kurz nach der Veröffentlichung der | |
Entscheidung, „gebt nicht der Versuchung von Gewalt nach. Es gibt einen | |
kraftvolleren Weg.“ | |
## Appell von Obama | |
Um zehn Uhr Abends schaltet sich aus dem Weißen Haus auch Barack Obama ein. | |
Als der Präsident im Fernsehen spricht, haben in Ferguson bereits heftige | |
Auseinandersetzungen begonnen und die direkt darin Involvierten haben keine | |
Gelegenheit, seinen Appellen zu lauschen. Aber jenen, die ihm zuhören, sagt | |
Obama nicht, was sie von ihm über rassistische Ungerechtigkeiten und | |
Diskriminierungen in Ferguson hören wollen. Er beschreibt lediglich das | |
größere Bild. Er sagt, dass es sich nicht nur um eine Angelegenheit von | |
Ferguson handelt, sondern das ganze Land angeht: „Es gibt noch Probleme und | |
die Communities of Color erfinden das nicht einfach“. | |
Obama schließt sich den Friedensappellen von Michael Browns Eltern an und | |
fordert beide Seiten zur Ruhe auf. Noch während der Präsident im Fernsehen | |
sagt, dass Vandalismus das Problem nicht lösen werde, zeigen die Sender auf | |
der anderen Hälfte ihrer Bildschirme die neuen Auseinandersetzungen in | |
Ferguson. Zwei Stunden später, gegen Mitternacht, sind die Rauchwolken über | |
den brennenden Geschäften von weither zu sehen. | |
## Polizist fühlte sich bedroht | |
Wie die zwölf Mitglieder der Grand Jury – darunter neun Weiße und drei | |
Schwarze – exakt gestimmt haben, schlüsselt Staatsanwalt McCulloch nicht | |
auf. Aber er sagt in seiner Pressekonferenz, dass die Grand Jury in ihrer | |
ungewöhnlich langen Befassung mit dem Fall die „Fakten von der Fiktion“ | |
getrennt habe. | |
Aus dem am Montagabend veröffentlichten Bericht der Grand Jury geht hervor, | |
dass der Polizist Darren Wilson sich von dem Teenager, den er angehalten | |
hatte, weil er mitten auf der kleinen Straße und nicht auf dem Bürgersteig | |
ging, „verhöhnt“ und „bedroht“ fühlte. | |
Wilson nannte Michael Brown „crazy“. Der Grand-Jury-Bericht enthüllt auch, | |
dass der Polizist zwölfmal geschossen hat. Bislang war nur bekannt, dass | |
der Junge von sechs Kugeln getroffen wurde. Wilson war nach den tödlichen | |
Schüssen abgetaucht. Seine Aussagen vor der Grand Jury waren – wie alle | |
anderen Details der Arbeit des Gremiums – nicht öffentlich. | |
25 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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