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# taz.de -- Inklusion in Unternehmen: Ungenutzte Fähigkeiten
> Die deutsche Wirtschaft boomt. Doch Menschen mit Behinderung werden kaum
> eingestellt. Firmen sind dazu verpflichtet, zahlen aber lieber Strafe.
Bild: Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitsplätzen sind dazu verpflichtet, zu ei…
BERLIN taz | Als Alexander Abasov vor mehr als drei Jahren in die
Werbeagentur „Zitrusblau“ rollte, war Geschäftsführer Martin Keune zunäc…
ratlos. Ob er ein Praktikum machen könne, wollte Abasov von ihm wissen. Der
Behördengang ergab: Nein, konnte er nicht, weil bei einem Praktikum der
Staat nicht die Kosten für eine Arbeitsassistenz übernimmt.
Abasov ist Tetraspastiker, nur seine rechte Hand ist beweglich. Deshalb
sitzt er im Rollstuhl. Stattdessen bot ihm Keune einen Ausbildungsplatz an.
Der Fahrdienst und die Assistenz, die ihm bei der Arbeit hilft, wurden vom
Integrationsamt und der Arbeitsagentur bezahlt. „Alexander hat eine
Motivation und einen Willen, da kann sich kaum jemand messen“, sagt Keune
heute. Trotzdem konnte er Abasov nicht ohne Probleme unbefristet als
Grafiker einstellen: Nach der Ausbildung wurden alle Zahlungen eingestellt.
Der Antragsmarathon ging von Neuem los.
„In Deutschland fehlt kein Sonderförderprogramm für Behinderte, denn es ist
der Alltag, der nicht funktioniert. Es kann nicht sein, dass Alexander
seine Arbeitsassistenz zwischendurch aus eigener Tasche finanzieren
musste“, sagte Keune bei einer Podiumsdiskussion, zu der die
Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, am Montag in
Berlin eingeladen hatte. Unter dem Titel „Fachkräfte mit Behinderung –
Risiken, Chancen, Gewinn?“ ging es um konkrete Maßnahmen, behinderte
Menschen besser in den Arbeitsmarkt einzugliedern.
## Zu oft „ungeeignet“
Diesen Herbst konnten 20.000 Ausbildungsstellen nicht besetzt werden,
Tendenz steigend. Vier von zehn Unternehmen in Deutschland haben derzeit
Probleme, geeignete Bewerber zu finden, ergab einer Studie des
Personaldienstleisters Manpower Group.
Doch zu den „geeigneten“ Menschen gehörten zu selten Menschen mit
Behinderungen. Obwohl sie im Schnitt besser ausgebildet sind als der Rest
der Gesellschaft, stieg im Vergleich zum Vorjahr der Anteil derer, die
keine Arbeit finden.
Dabei sind Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitsplätzen dazu verpflichtet, zu
einem Anteil von mindestens 5 Prozent schwerbehinderte Menschen zu
beschäftigen. Wer dagegen verstößt, muss pro nicht besetztem Arbeitsplatz
monatlich bis zu 290 Euro zahlen. 25 Prozent aller Unternehmen nehmen diese
Strafe aktuell in Kauf.
## Notwendige Hilfe für Fachkräftemangel
Dabei könnten Menschen mit Behinderungen die gleichen Leistungen bringen,
setzte man sie genau nach ihren Fähigkeiten ein. Eine Gehörlose kann eine
gute Handwerkerin sein, ein Blinder ein guter Jurist. „Fakt ist: Wer einmal
einen Schwerbehinderten einstellt, der stellt auch mehr Schwerbehinderte
ein“, sagte Raimund Becker von der Agentur für Arbeit.
Achim Dercks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag argumentierte
pragmatisch: „Quote und Sozialpolitik, damit können Sie Unternehmen nicht
überzeugen, die brauchen eine schwarze Bilanz.“ Menschen mit Behinderung
seien einfach eine notwendige Hilfe, um dem Fachkräftemangel zu entgehen.
3 Dec 2014
## AUTOREN
Laura Backes
## TAGS
Inklusion
Behinderung
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