# taz.de -- Deutsches „Energiewende-Paradox“: Eigenlob stimmt – zum Teil | |
> Deutschland präsentiert sich international als Vorbild beim Klimaschutz, | |
> der CO2-Ausstoß steigt dennoch. Denn trotz allem geht die Industrie oft | |
> vor. | |
Bild: Hunderte Solarpanels in einem bayerischen Solarpark: Deutschland gilt als… | |
BERLIN taz | Das Lob kam von ganz oben: Das „Experiment Energiewende wird | |
von vielen Staaten sehr genau beobachtet“, sagte die Chefin des | |
UN-Klimasekretariats Christiana Figueres erst vor zwei Wochen in Berlin. | |
Beim Ausstieg aus der Kohle und bei ehrgeizigen Klimazielen müsse „jedes | |
Industrieland den gleichen Weg wie Deutschland gehen“. Und die | |
Entwicklungsländer ohne Infrastruktur von Kohle, Gas und Öl interessierten | |
sich „für den anderen deutschen Weg“ – den rasanten Ausbau von Wind- und | |
Solaranlagen. | |
Neben Figueres saß Jochen Flasbarth. Der Staatssekretär im | |
Umweltministerium sagte es nicht laut, aber die Bundesregierung sieht sich | |
selbstverständlich als Vorreiter beim Klimaschutz. In der Tat sind die | |
Erfolge eindrucksvoll. Kein anderes wichtiges Industrieland mit | |
vergleichbarer Energieinfrastruktur hat sich so ehrgeizige Ziele wie eine | |
CO2-Reduktion um 40 Prozent bis 2020 gesetzt, von denen bereits etwa 24 | |
erreicht sind. | |
Auf der Erfolgsbilanz steht noch mehr: ein Ausbau von erneuerbaren | |
Energien, die inzwischen etwa ein Drittel des Stroms liefern und die | |
Struktur der Energiewirtschaft durcheinanderwirbeln. Im Gegensatz zu | |
anderen Ländern ist die Energiewende auch bei Parteien und Bürgern relativ | |
unumstritten. | |
Als Erfolg kann Deutschland auch verbuchen, dass es einer der großzügigsten | |
Spender für Klimaprojekte in armen Ländern und etwa für den „Grünen | |
Klimafonds“ ist – etwa 1,8 Milliarden Euro gibt Deutschland jedes Jahr für | |
Klimaschutz in der ganzen Welt aus. | |
## 48 Milliarden Euro Staatshilfe für Kohle, Gas und Öl | |
Bei den UN-Konferenzen spielt die Delegation aus Berlin eine wichtige Rolle | |
als Vermittler zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und als | |
Gastgeber des „Petersberger Klimadialogs“. Nicht zuletzt greift Berlin auch | |
dem UN-Klimasekretariat in Bonn finanziell und organisatorisch unter die | |
Arme. | |
Das klingt nach Musterschüler. Aber die schwarzen Flecken auf der grünen | |
deutschen Weste zeigen sich, wenn es an industrielle Kerninteressen geht: | |
Wenn die Kanzlerin wie 2013 in Brüssel interveniert, um die deutschen | |
Autobauer vor Umweltauflagen zu verschonen. Beim Verkehr und der | |
Energieeffizienz steht Deutschland häufig auf der Bremse. Auch Deutschland | |
verhalte sich im Zweifel „nach den nationalen Interessen“, sagt die | |
ehemalige EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. | |
Die Quittung dafür ist das „Energiewende-Paradox“. Trotz immer mehr | |
Windrädern und Solaranlagen steigt der deutsche CO2-Ausstoß. Nach einer | |
aktuellen Studie der Umweltschutzgruppe CAN ist Deutschland außerdem in der | |
EU das Land mit den meisten Subventionen für fossile Energien: In den | |
letzten 15 Jahren waren es demnach 48 Milliarden Euro an staatlichen Hilfen | |
für Kohle, Gas und Öl. | |
„Das deutsche Ziel von 40 Prozent bis 2020 ist ehrgeizig“, sagt Jan Burck | |
von der Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Aber es fehlen jetzt die | |
klaren politischen Signale, wie wir das erreichen wollen.“ Wegen der | |
steigenden Emissionen landete Deutschland im globalen Klimapolitik-Ranking | |
von Germanwatch 2013 auch nicht etwa in der Champions League, sondern nur | |
auf Platz 19 von 58 Ländern. | |
4 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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