# taz.de -- Chemieverbands-Chef über Klimaziele: „Die Energiepreise sind ein… | |
> Neue Klimavorgaben für die Industrie lehnt Utz Tillmann ab. Trotz bester | |
> wirtschaftlicher Lage warnt er vor einer „De-Industrialisierung“ | |
> Deutschlands. | |
Bild: Die Chemiebranche klagt über die hohen Energiekosten. | |
taz: Herr Tillmann, um das deutsche Klimaziel doch noch zu schaffen, setzt | |
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor allem auf mehr Effizienz. Kann er | |
dabei auf Ihre Unterstützung zählen? | |
Utz Tillmann: Wir haben für die Chemiebranche bereits eine eigene | |
Effizienzstrategie entwickelt und versuchen, die Firmen dafür zu gewinnen. | |
Insofern ist das Thema bei uns schon lange angekommen und wir unterstützen | |
die Initiative von Herrn Gabriel. | |
Aber die bisherigen Bemühungen langen ja offenbar nicht. Deswegen sind auch | |
bei der Industrie weitere deutliche Einsparungen vorgesehen. Schaffen Sie | |
das? | |
Wir sind als Industrie dem europaweiten Emissionshandel unterworfen und | |
haben seit 1990 unsere Emission bereits um knapp 50 Prozent reduziert. Man | |
hätte viel früher erkennen müssen, dass es nicht geht, uns zusätzliche | |
nationale Beiträge abzuverlangen. Als Industrie kämpfen wir ohnehin schon | |
mit den europäischen Vorgaben – da kann man uns jetzt nicht noch etwas | |
draufschlagen. | |
Das heißt, Sie lehnen eine weitere nationale Effizienzverpflichtung ab? | |
Wir machen alles, was möglich ist. Aber wenn die Ziele weiter verschärft | |
werden, werden wir sie kaum erreichen können. | |
Ein weiterer Plan der Regierung ist es, die Stromproduktion aus | |
klimaschädlichen Kohlekraftwerken zu reduzieren. Was halten Sie davon? | |
Nicht viel. Zum einen unterliegen ja auch die Kraftwerksbetreiber dem | |
Emissionshandel, so dass es europaweit nichts bringt, wenn wir hier weniger | |
Treibhausgase ausstoßen. Zum anderen steigt natürlich der Strompreis, wenn | |
man Kapazitäten vom Markt nimmt. Die hohen Energiepreise in Deutschland | |
sind schon heute ein Problem für die Wettbewerbsfähigkeit vieler Betriebe. | |
Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht selbst in Richtung | |
De-Industrialisierung befördern. | |
Die Zahlen, auch aus Ihrer Branche, stützen die These von der bedrohten | |
Industrie nicht wirklich. Der Exportüberschuss hat sich seit der | |
Jahrtausendwende mehr als verdoppelt – auf zuletzt 54 Milliarden Euro. Sie | |
jammern nicht nur auf hohem, sondern auf steigendem Niveau. | |
Wir stellen eben gute Produkte her, darum steigen unsere Exporte. | |
Langfristig entscheidend ist aber, wo die Unternehmen investieren. Und da | |
ist der Trend klar: Die großen energieintensiven Anlagen gehen verstärkt in | |
die USA. Langfristig folgen dann auch jene Unternehmen, die auf die | |
Grundstoffe angewiesen sind. Das ist es, was ich mit De-Industrialisierung | |
meine. | |
Aber für die energieintensiven Unternehmen ist der Strompreis in | |
Deutschland doch gar nicht gestiegen. Die sind praktisch von allen Abgaben | |
befreit, und der Börsenpreis für Strom sinkt seit Jahren. | |
Trotzdem sind die Strom- und Gaspreise für die Industrie zumindest im | |
außereuropäischen Raum, etwa in den USA, erheblich niedriger. Zudem fehlt | |
in Deutschland die Planungssicherheit. Beispielsweise bei der Frage, wie es | |
nach 2016 mit dem Strom aus unseren eigenen Kraftwerken weitergeht, der | |
derzeit von der EEG-Umlage befreit ist. In dieser Situation sollten wir | |
zumindest nicht noch zusätzliche Belastungen obendrauf packen. | |
Glauben Sie denn, dass die Preise in den USA auf Dauer so günstig bleiben? | |
Der Fracking-Boom flaut dort doch schon ab. | |
Ich sehe zwar nicht, dass es noch billiger wird. Beim Gas ist sogar ein | |
Preisanstieg zu erwarten. Aber selbst bei einem Anstieg von 10 bis 15 | |
Prozent wäre die Differenz zu Europa noch enorm groß. | |
Wenn Sie weder neue Effizienzvorgaben wollen noch weniger Kohlekraftwerke – | |
wie soll das deutsche Klimaziel denn dann erreicht werden? | |
Man sollte sich mit Zielen auf die Bereiche konzentrieren, die nicht dem | |
Emissionshandel unterliegen – also Gebäudedämmung, Verkehr, Gewerbe und | |
Landwirtschaft. | |
Alle Experten sagen, dass das nicht reichen wird. Wären Sie also dafür, das | |
deutsche Ziel aufzugeben? | |
Jedenfalls darf es nicht dazu führen, die Industrie aus dem Land zu | |
treiben. Wir haben uns mit dem deutschen Ziel ein Stück weit in eine | |
Sackgasse manövriert. | |
3 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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