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# taz.de -- Norwegen schützt fossile Energien: Ja zum Klimaschutz und zur Kohle
> Der norwegische Pensionsfonds soll nicht mehr in erderwärmende Vorhaben
> investieren. Klimaschützer sind trotzdem enttäuscht.
Bild: Die im Hintergrund sind nicht pauschal unethisch, finden Experten
STOCKHOLM taz | In der vergangenen Woche hat er erstmals die Hürde von
6.000 Milliarden Kronen genommen. Auf umgerechnet über 860 Milliarden
Dollar beläuft sich damit das Vermögen des staatlichen norwegischen
Pensionsfonds. Hinter dem japanischen Regierungsfonds GPIF ist er der
zweitgrößte der Welt. Und in Zukunft soll er nicht mehr in Aktivitäten
investieren, die „schädlich für das Klima sind“.
Diese Empfehlung machte am Mittwoch eine Expertengruppe der norwegischen
Regierung. In Oslo legte sie einen Bericht über den künftigen Umgang des
Pensionsfonds mit Investitionen in fossile Energien vor.
Umweltschutzorganisationen hatten auf einen pauschalen Ausstieg aus
Kohleinvestitionen gehofft, und auch eine Parlamentsmehrheit hatte einen
solchen Schritt gefordert.
Nun soll der Katalog „unethischer Investitionen“ lediglich um einen
Klimaparagrafen erweitert werden. Martin Skancke, Vorsitzender der
Expertengruppe, begründet das auf einer Pressekonferenz damit, dass
Kohleproduktion zwar „im Einzelfall unethisch“ sein könne, aber nicht
pauschal „im Widerspruch zu allgemein akzeptierten ethischen Normen“ stehe.
Die Verbrennung von Kohle könne außerdem nicht von heute auf morgen
gestoppt werden, weshalb ein Ausschluss von Kohleinvestitionen aus dem
Pensionsfonds „nur eine Symbolhandlung wäre und wir damit die Klimaprobleme
nicht lösen würden“. Stattdessen wolle man den eigenen Einfluss auf die
Geschäftspolitik von in Fossilkraft aktiven Gesellschaften nutzen, die man
in der Rolle als „aktiver Eigentümer“ habe. Trennen solle man sich nur von
Investitionen, die „in besonderem Maße schädlich für das Klima“ seien.
Konkrete Richtlinien insoweit müssten aber erst noch entwickelt werden.
## Kritik von Klimaschützern
Eine solche Argumentation sei inkonsequent und schwer nachvollziehbar,
kritisierte Marius Holm von der Klimaorganisation Zero: „Glaubt man denn
wirklich, durch Ausübung des Einflusses eines Aktionärs Kohlegesellschaften
in solche verwandeln zu können, die sich mit erneuerbaren Energien
befassen?“
Ein Rückzug aus Kohleinvestitionen hätte eine „kräftige Signalwirkung“
gehabt. Es sei bedauerlich, dass sich Oslo nicht dazu habe durchringen
können. Die politisch Verantwortliche für den Fonds, die der
„Fortschrittspartei“ angehörende Finanzministerin Siv Jensen, hatte sich
sich wiederholt gegen einen Ausschluss von Kohleinvestitionen
ausgesprochen.
Scharfe Kritik übte auch die Umweltschutzorganisation Bellona: Oslo
verteidige nun im Prinzip zukünftige weitgehende Investitionen in
Kohleunternehmen, was eine „regelrechte Beleidigung der Klimaverhandlungen
in Lima“ sei. Bellona-Vorsitzender Frederic Hauge forderte: „Unsere
Spargelder müssen sofort raus aus der Kohle.“ Und Kristin Halvorsen,
Direktorin des Klimaforschungszentrums Cicero, bedauerte es als
„frustrierend, dass sogar der Rockefeller Fund schneller mit dem
Kohleausstieg ist als wir“.
Ob ein zukünftiger Ausschluss von Investitionen, die „in besonderem Maße
schädlich für das Klima“ sind, vielleicht trotzdem ein Schritt nach vorn
sein könnte, wird die Praxis zeigen. Wobei nicht nur entscheidend wäre,
welche konkrete Kriterien man insoweit entwickelt, sondern auch, wie man
Investitionen in Kohle, Gas und Öl überhaupt definiert. Denn darüber gehen
die Meinungen weit auseinander.
## Kohleausstieg dringend empfohlen
In einer in der vergangenen Woche vorgelegten Studie haben mehrere
Umweltorganisationen allein die Kohleinvestitionen mit 82 Milliarden Kronen
beziffert. Danach hat der Fonds in 156 Kohlegesellschaften investiert, die
für 41 Prozent der weltweiten Kohleförderung stehen.
Beim Fondsverwalter, der norwegischen Zentralbank, rechnet man anders. Dort
fallen gerade mal 2,6 Milliarden Kronen unter den Titel
„Kohleinvestitionen“. Man zählt dazu nämlich nur „reine Kohleproduzente…
Firmen mit zusätzlichen anderen Geschäftsfeldern fallen aus dieser
Definition heraus. So beispielsweise auch die deutsche RWE, der neuntgrößte
Kohleproduzent der Welt, deren zweitgrößter Investor der norwegische Fonds
ist.
Schon im eigenen Interesse sei Oslo zumindest ein Kohleausstieg dringend zu
empfehlen, meinte Dimitri Zenghelis, Chefökonom des UN-Projekts New Climate
Economy, kürzlich auf einer vom norwegischen Energiekonzern Statkraft
veranstalteten Konferenz: Schon in wenigen Jahren werde der Wert von in
Kohle engagierten Gesellschaften nämlich massiv einbrechen.
4 Dec 2014
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Norwegen
Kohle
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