| # taz.de -- Kommentar Richterbesoldung: Wenn Richter über Richter richten | |
| > Es ist eine Gefahr für den Rechtsstaat, wenn sich die Justiz finanziell | |
| > im Abseits sieht. Aber Richter, die nur aufs Geld schielen, sind auch | |
| > nicht gut. | |
| Bild: Wahrscheinlich entscheidet am Ende das Parlament über den Sold. | |
| Riecht das nicht nach gruppenbezogener Selbstbedienung? Wenn Richter | |
| finden, dass sie viel zu wenig verdienen, dann reichen sie eine Klage ein. | |
| Am Ende entscheiden Verfassungsrichter (von denen viele vor ihrem Ruf nach | |
| Karlsruhe auch Richter waren), ob die Klage der Richter berechtigt war. Aus | |
| der Sicht anderer Berufsgruppen klingt das wohl wirklich nach einem | |
| bequemen Modell. Aber so einfach ist es nicht. | |
| Die meisten anderen Berufsgruppen können streiken, Richter nicht. Normale | |
| Beschäftigte können mit ihrem Chef über die Höhe des Gehalts verhandeln, | |
| Richter können das nicht. Wie Beamte haben sie nur einen Anspruch auf | |
| „angemessenen“ Lebensunterhalt. Und was das ist, darüber kann man lange | |
| streiten. Von der Politik in den Ländern fühlen sich die Richter jedenfalls | |
| im Stich gelassen, deshalb ist der Weg nach Karlsruhe ihre letzte Hoffnung. | |
| Am gestrigen Mittwoch verhandelte das Bundesverfassungsgericht. | |
| Die Argumente der klagenden Richter sind aber nur teilweise überzeugend. | |
| Die Sorge, dass künftig die besten Jura-Absolventen nicht mehr Richter | |
| werden wollen, sondern als Anwälte zu Großkanzleien gehen, sind alt und | |
| längst widerlegt. Natürlich wirkt ein Einstiegsgehalt von 100.000 Euro bei | |
| einer Lawfirm deutlich attraktiver als die derzeitige | |
| Richter-Einstiegsbesoldung von im Schnitt 41.000 Euro. Das wäre aber auch | |
| nicht anders, wenn Jungrichter 10.000 Euro mehr bekämen. | |
| Es ist ja vielleicht nicht verkehrt, dass eher diejenigen Richter werden, | |
| die nicht nur aufs Geld schauen und denen etwas an diesem Beruf und am | |
| Gemeinwohl liegt. Und es macht das Richteramt auch nicht zum „zweitrangigen | |
| Beruf“ (wie gestern in Karlsruhe zu hören war), wenn nun dort besonders | |
| viele Frauen in Teilzeit arbeiten - weil es eben möglich ist. Vielleicht | |
| tut ein hoher Frauenanteil der Justiz sogar gut und hebt ihr Ansehen. | |
| ## Karlsruhes Lösung ist vernünftig | |
| Gefährlicher ist es, wenn sich die Richter von der allgemeinen | |
| Lohnentwicklung völlig abgekoppelt fühlen. Manche in Karlsruhe vorgelegte | |
| Statistik ging von bis zu 40 Prozent relativem Verlust gegenüber der | |
| normalen Kaufkraft-Entwicklung der letzten Jahrzehnte aus. Es kann aber | |
| nicht gut sein, wenn Richter den Eindruck haben, die Politik kümmere sich | |
| nicht um ihre Interessen und nutze sie aus. Dazu ist die Aufgabe der | |
| Richter zu verantwortungsvoll, egal ob sie Menschen hinter Gitter bringen, | |
| über Hartz IV-Klagen entscheiden oder über eine Mietminderung. | |
| Allerdings sind Statistiken nie so objektiv, wie sie aussehen. Deshalb ist | |
| die Lösung, die sich in Karlsruhe andeutet, vernünftig. Die | |
| Verfassungsrichter wollen Parameter definieren, ab wann eine Abkoppelung | |
| der Richter von allgemeinen Lohn- und Preisentwicklungen naheliegt. Der | |
| Gesetzgeber müsste dann begründen, warum die Bezahlung der Richter dennoch | |
| angemessen ist. Das Verfassungsgericht wird die Klage der Richter aber | |
| nicht einfach abnicken. Zum einen nicht, weil auch in Karlsruhe jeder weiß, | |
| dass es heikel ist, wenn Richter über Richter richten. Das letzte Wort | |
| werden also auch künftig die Parlamente haben. | |
| Vor allem aber werden die Verfassungsrichter auch an die Schuldenbremse | |
| denken, die ursprünglich eine Karlsruher Erfindung war. Würden die 20.000 | |
| Richter und 5.000 Staatsanwälte sofort mehr Geld bekommen, dann wäre das | |
| vielleicht noch finanzierbar, aber die neuen Regeln würden auch für 1,7 | |
| Millionen Beamte gelten, von denen viele ebenfalls finden, dass sie | |
| verfassungswidrig niedrig bezahlt werden. | |
| Und wenn es um die Zufriedenheit der Richter geht, ist Besoldung ja auch | |
| nicht alles. Eine demokratischere Struktur der Justiz, transparentere | |
| Geschäftsverteilung in den Gerichten und eine gelegentliche Renovierung | |
| mancher Gebäude würden auch das justizielle Wohlbefinden verbessern. Eine | |
| Erhöhung der Richterzahl, um die teilweise „Fließbandarbeit“ zu verringer… | |
| fänden viele sicher auch gut, aber da wären wir schon wieder beim Geld. | |
| 4 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
| ## TAGS | |
| Gericht | |
| Bundesverfassungsgericht | |
| Beamte | |
| Justiz | |
| Sachsen-Anhalt | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Beamte | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Reform der Bundesrichterwahlen: Die Black Box knacken | |
| Wer Bundesrichter wird, braucht – anders als vorgesehen – Unterstützer in | |
| der Politik. Zwei Länder wollen das nun ändern. | |
| Verfassungsurteil zur Richterbesoldung: Unterbezahlung kann zulässig sein | |
| Das Bundesverfassungsgericht hat Regeln für Mindesteinkommen von Richtern | |
| festgelegt. Die Besoldung in Sachsen-Anhalt war verfassungswidrig niedrig. | |
| HoGeSa in Hannover: Gericht erlaubt Kundgebung | |
| Rechtsradikale und Hooligans dürfen sich am Samstag in Hannover versammeln. | |
| Die Polizei erwägt einen Widerspruch vor dem Oberlandesgericht. | |
| Streit um Beamtensold in NRW: Staatsdiener fühlen sich verraten | |
| Im Landtag in NRW wird das Beamtenbesoldungsgesetz verhandelt. Rot-Grün | |
| will eine Nullrunde für höhere Beamte. Die Opposition empört sich. | |
| Beamtenbesoldung: Meuterei auf der Dienststelle | |
| Die Polizisten in Bremen begehren auf, weil sie nur teilweise und | |
| zeitverzögert mehr Geld bekommen sollen. Gewerkschaftler sprechen von einem | |
| „Skandal. | |
| Keine Gehaltserhöhung für Minister: Kanzlerin verzichtet auf mehr Gehalt | |
| Nach den Parlamentariern müssen sich auch die Mitglieder der Regierung mit | |
| dem bisherigen Einkommen bescheiden. |