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# taz.de -- Energiewirtschaft in Deutschland: Der 100-Prozent-Atomstrom-Tarif
> Eine Augsburger Firma bietet Versorgung mit reiner Kernenergie an. Das
> soll Klimarettung sein – Endlagerung und Rückbau nicht mitgerechnet.
Bild: Hier steht die Klimarettung: Kernkraftwerk Grohnde in Niedersachsen
FREIBURG taz | Pure Atomenergie für Deutschlands Steckdosen: Der erste
Atomstromtarif ist auf dem Markt. Die Firma Maxenergy GmbH aus Augsburg hat
mitgeteilt, sie beliefere unter dem Produktnamen „Maxatomstrom“ ab sofort
Haushalte zu 100 Prozent mit Atomkraft. Dafür haben die Augsburger eine
klare Zielgruppe auserkoren: Klimaschützer, die nukleare Energie als
saubere Alternative etwa zu Strom aus Kohlekraftwerken sehen.
Firmensprecher Jan Pflug erklärt auf Nachfrage: Maxenergy kauft am Markt
einen Energiemix, den normalen „Graustrom“, ein und erwirbt dann über einen
Schweizer Energiehändler eine entsprechende Menge an Atomstromzertifikaten.
Mit diesen wird die erworbene Energie in Atomstrom umetikettiert. Für die
Zertifikate müsse Maxenergy einen Aufpreis bezahlen, sagt Pflug. Zur Höhe
der Mehrkosten will er sich nicht äußern. Aber klar ist: Wer den Atomstrom
bucht, gewährt den Reaktorbetreibern Zusatzeinnahmen. Den Weg über die
Schweiz habe man gewählt, weil in Deutschland solche Zertifikate für
Atomstrom nicht zu bekommen seien.
Das Modell mit den Zertifikaten ist nicht neu, es wird auch von einigen
Ökostromanbietern genutzt: Unternehmen kaufen den gern als „Egalstrom“
bezeichneten Energiemix am Markt, etwa an der Börse, und erwerben zugleich
grüne Zertifikate von Ökostromerzeugern, die sie so fördern wollen.
Das kann auch mit Atomstrom funktionieren – vorausgesetzt, Kunden sehen in
dem speziellen Atommix tatsächlich einen Mehrwert. Billiger als den
durchschnittlichen Mixstrom gibt es auch den Atomstrom nicht am Markt zu
kaufen. Für den Endkunden ergibt sich ein Preis, der etwa dem allgemein
üblichen Niveau entspricht.
## Marketing-Gag der Atomlobby
Da der Preis je nach Postleitzahl in Deutschland variiert und zudem der
Kilowattstundenpreis auch noch von der Verbrauchsmenge abhängt, sind
grundsätzliche Preisvergleiche kaum möglich. Nur so viel fällt auf:
Sparsame Haushalte kommen mit den Ökostrom-Angeboten oft günstiger weg als
mit dem Atomtarif.
Maxatomstrom wirbt mit dem Klimavorteil des neuen Angebots: „Neukunden
können ihren jährlichen CO-Fußabdruck von durchschnittlich fast 2 Tonnen
auf 0,02 Tonnen senken.“ Im Kleingedruckten ist dann allerdings
nachzulesen, dass diese Rechnung „ohne Rückbau und Endlagerung“ gemacht
wurde. In seinem Werbeauftritt gibt sich das Augsburger Unternehmen
durchweg als Klimaschützer und klagt auch die Politik an: „Allen
UN-Klimakonferenzen zum Trotz steigen die weltweiten CO-Emissionen rapide.
Und der angebliche Musterschüler Deutschland geht mit schlechtem Vorbild
voran.“
Damit stellt sich natürlich die Frage, wie ernst es dem Unternehmen mit dem
Klimaschutz ist – oder ob dieser nur als Marketing-Gag im Sinne der
Atomlobby genutzt wird.
Also lohnt ein Blick auf die Personen, die hinter dem Unternehmen stehen:
Die beiden Geschäftsführer der Firma Maxenergy sind Jürgen Schalk und Bernd
Neider. In der Energiebranche sind sie schon länger tätig, allerdings in
einer Firma, die man mit Klimaschutz nicht unbedingt in Zusammenhang
bringt: Bis Ende 2013 waren die beiden als Geschäftsführer der Sailer
Mineralölhandel GmbH in Augsburg tätig – ehe sie plötzlich im Atomstrom den
Klimaretter erkannten.
8 Dec 2014
## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Energieversorgung
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