# taz.de -- Klimakonferenz in Lima: Die Schlupflochjäger | |
> Beim „Climate Action Tracker“ sagen Wissenschaftler, was die Klimaziele | |
> der Staaten wirklich wert sind. Das kann für manche Länder peinlich | |
> werden. | |
Bild: Die einen wollen weniger Wald roden, die anderen mehr auf Solarenergie se… | |
LIMA taz | 0,2 bis 0,4 Grad Celsius: Diese Erwärmung bleibt der Welt | |
erspart, wenn die USA, China und die EU ihre aktuellen Ankündigungen zum | |
Klimaschutz umsetzen. „Das würde den globalen Temperaturanstieg bis 2100 | |
auf 3 Grad begrenzen“, sagt Bill Hare von der Organisation [1][„Climate | |
Action Tracker“] bei der Vorstellung der neuesten Berechnungen seiner | |
Expertengruppe. Aber er warnt auch: Mit den Maßnahmen, die alle Regierungen | |
bislang tatsächlich umsetzen, landen wir bei 3,9 Grad. | |
Dass diese Zahlen auf den Tisch kommen, ist das Verdienst einer Initiative, | |
die die Verhandlungen rund ums Klima wie kaum eine andere beeinflusst hat: | |
Seit 2009 gibt es den „Klima-Aktions-Überwacher“ und er schlägt regelmä�… | |
Schneisen in den Datendschungel der Klimapolitik, in dem Ankündigungen, | |
Ziele, Maßnahmen und Emissionskurven wuchern. Die Wissenschaftler hinter | |
dem „Tracker“ bringen eine Transparenz in die Debatte, die gerade jetzt im | |
letzten Jahr vor der entscheidenden UN-Konferenz in Paris für eine | |
öffentliche Debatte dringend nötig ist: Welches Land betreibt wieviel | |
Klimaschutz? Und reicht das aus? | |
Denn eines der großen Probleme beim Klimaschutz ist die Unvergleichbarkeit | |
der Zahlen, wenn hemmungslos Äpfel mit Birnen und Ananas verglichen werden: | |
Die EU will Emissionen gegenüber 1990 reduzieren, die USA gegenüber 2005. | |
China will seinen Ausstoß irgendwann senken und mehr Wind, Solar und Atom | |
bauen. Brasilien weist darauf hin, dass es weniger Wald abholzt. | |
Andere Länder versprechen, den Einsatz von Energie zu verringern, die etwa | |
für die Produktion eines Autos genutzt werden. Andere wollen einfach | |
erneuerbare Energien ausbauen. Wer diese verschiedenen Angebote zum | |
Klimaschutz liest – wie sie etwa in Kopenhagen und Cancun festgelegt wurden | |
- verzweifelt daran, daraus eine allgemeine Bewertung zu erstellen. | |
## Abgespeckte Klimamodelle | |
Die „Climate Action Tracker“ schaffen das für die 22 wichtigsten Staaten. | |
Die Initiative finanziert sich aus dem Geld dreier Stiftungen und wird von | |
den deutschen Instituten Climate Analytics, Ecofys, Potsdamer Institut für | |
Klimafolgenforschung PIK und dem New Climate Institute getragen. Die | |
Wissenschaftler haben die großen komplizierten Klimamodelle auf abgespeckte | |
Versionen eingedampft, mit denen sie relativ schnell (Tage statt Wochen) | |
die Konsequenzen aus mehr oder weniger Emissionen berechnen können. | |
Mit der Aussage der 0,2 bis 0,4 Grad der US/EU/China ließen sich die | |
Experten einen Monat Zeit. „Unser Modell erfasst etwa 80 Prozent aller | |
globalen Emissionen und kann die Temperaturwerte gut errechnen“, sagt | |
Louise Jeffrey vom PIK, die beim „Action Tracker“ dabei ist. Sie nutzen die | |
offiziellen UN-Zahlen und die Unterlagen, die Staaten ihnen zur Verfügung | |
stellen. Wenn es die Daten nicht gibt oder die Länder sich nicht in die | |
Karten sehen lassen, stellen sie Material aus öffentlichen Quellen auch | |
selbst zusammen. Und prüfen genau, welche Verpflichtungen die Länder | |
eingehen, was das für die globale Temperatur bedeutet – und vor allem, was | |
die Staaten davon umsetzen. | |
Die Daten sind oft erstaunlich und für die Staaten manchmal peinlich – wenn | |
sie etwa beim Schummeln erwischt werden. So rechneten die „Action Tracker“ | |
vor einem Jahr vor, dass Japan die Abschaltung seiner Atomkraftwerke nach | |
dem Unglück von Fukushima nur als Vorwand nahm, um seine Klimaversprechen | |
zu kassieren. Und der australischen Regierung weisen sie nach, dass ihre | |
Emissionen eigentlich um 30 Prozent steigen und nur durch einen legalen | |
Rechentrick kleingerechnet werden. | |
Für viele Verhandler, Umweltgruppen und Medien sind die „Action Tracker“ | |
ein unverzichtbarer Maßstab. Ihre Arbeit wird immer wichtiger, weil es | |
immer unübersichtlicher wird. Denn im UN-Prozess ist vorgesehen, dass die | |
Staaten bis Mitte 2015 ihre eigenen Klimaziele vorlegen – und da kann erst | |
mal jeder auf den Tisch legen, was er möchte. Spätestens bis zur Konferenz | |
in Paris müssen die Staaten aber wissen, was die einzelnen Ziele jeweils | |
wert sind und wie etwa weniger Emissionen aus Kohlekraftwerken hier gegen | |
mehr Schutz für Wälder dort aufzurechnen sind. Den „Climate Action | |
Trackern“ wird die Arbeit so schnell nicht ausgehen. | |
9 Dec 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://climateactiontracker.org/ | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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