| # taz.de -- Konferenz in Lima: Klimakiller vor Gericht | |
| > Juristen wollen Kohle- und Ölindustrie für Klimaschäden zur Verantwortung | |
| > ziehen. 90 Konzerne verursachen die Hälfte aller Treibhausgase. | |
| Bild: Und wer kommt dafür wieder auf? Wasserreinigungsarbeiten in Hyderabad, I… | |
| LIMA taz | Anfang November 2013 verwüstete der Taifun „Haijan“ die | |
| Philippinen. Nach offiziellen Angaben starben 6.300 Menschen, 28.000 wurden | |
| verletzt, der Sachschaden betrug über zwei Milliarden Dollar. Wer kommt | |
| dafür auf? | |
| Bisher der philippinische Staat und internationale Hilfsorganisationen. | |
| Aber das könnte sich ändern. Im nächsten Frühjahr wollen Rechtsanwälte und | |
| Klimaaktivisten des „Climate Justice Networks“ vor Gericht ziehen und die | |
| Schäden durch Haiyan bei der Öl- und Kohleindustrie einklagen. Wenn sie | |
| auch nur einen Teilerfolg erringen, könnte es die Industrie der fossilen | |
| Energien weltweit erschüttern. | |
| Bislang sind die Versuche, den Klimawandel vor Gericht zu bekämpfen, nicht | |
| erfolgreich. 2009 etwa scheiterte der Staat Mikronesien mit einem Einspruch | |
| gegen das tschechische Kohlekraftwerk Prunerov. Allerdings empfahl eine | |
| Arbeitsgruppe der internationalen Anwaltsgesellschaft IBA im Herbst 2014, | |
| es solle ein eigenes internationales Klimarecht und einen „grünen“ | |
| internationalen Gerichtshof geben. | |
| Niemand kann bis heute gerichtsfest beweisen, dass eine bestimmte | |
| Naturkatastrophe auf den Klimawandel zurückgeht – und wenn doch, wer dafür | |
| verantwortlich ist. Doch nicht nur der Klimawandel geht weiter, auch die | |
| Wissenschaft macht Fortschritte. Inzwischen sind sich manche | |
| Klimawissenschaftler sicher, dass einige Ereignisse wie der Supersturm | |
| „Sandy“ 2012 an der Ostküste der USA mit dem Klimawandel direkt | |
| zusammenhängen. | |
| Und auch bei der Zuordnung zu einzelnen „Tätern" kommen die Juristen | |
| offenbar voran: Demnächst soll nach Auskunft von Lilly Fuhr von der | |
| Grünen-nahen Böll-Stiftung ein wissenschaftlicher Aufsatz in der | |
| Zeitschrift „Climate Change“ mehr Aufklärung darüber bringen, wer für die | |
| Hitzewelle in Europa 2003 verantwortlich war. | |
| ## Wo und wie „Carbon Majors“ wüten | |
| Wer einen Großteil der aktuellen Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen | |
| hat, ist inzwischen relativ genau geklärt: 63 Prozent aller | |
| klimaschädlichen Gase zwischen 1854 und 2010 kommen von nur 90 Firmen | |
| weltweit. Die Öl-, Zement- und Kohlekonzerne haben insgesamt 914 Milliarden | |
| Tonnen CO2 und Methan direkt oder durch ihre Produkte erzeugt und dabei | |
| allein im letzten Jahrzehnt etwa eine Billion Dollar verdient. | |
| Unter den größten „Carbon Majors“ findet eine wissenschaftliche Studie in | |
| „Climatic Change“ den Kohlebergbau in Russland und der Ex-UdSSR mit 9 | |
| Prozent Anteil am Problem, dicht gefolgt von der chinesischen | |
| Kohleindustrie. Bei den privaten Konzernen sind die größten Verschmutzer | |
| die US-Ölfirmen ChevronTexaco und ExxonMobil, die jeweils für etwa drei | |
| Prozent der Emissionen zuständig sind. Die deutschen Konzerne RWE und | |
| RAG-Ruhrkohle sind unter den Top 90 der Klimakiller mit einem Anteil von | |
| 0,5 bzw 0,08 Prozent relativ kleine Fische. | |
| Diese Gesellschaften „haben mit der Förderung und dem Verkauf von fossilen | |
| Rohstoffen massive Profite gemacht, ohne für den Schaden aufzukommen, den | |
| ihre Produkte verursachen“, heißt es in einer Erklärung des „Climate | |
| Justice Programme“ und der Böll-Stiftung auf dem Klimagipfel in Lima. Die | |
| Konzerne sollten zu einer Entschädigungszahlung für die Schäden der | |
| Vergangenheit verpflichtet werden und außerdem eine Abgabe für die aktuelle | |
| Förderung der Fossilen entrichten. | |
| Das Geld, so die Forderung, solle in den „Internationalen Mechanismus für | |
| Verlust und Schaden“ fließen, den die Klimakonferenz 2013 in Warschau | |
| angeschoben hatte. Dieser Fonds, aus dem etwa Hilfen für Opfer, Vorsorge | |
| gegen Schäden oder Versicherungen finanziert werden sollen, ist bislang | |
| eine leere Hülle. Die Industriestaaten hatten sich in Warschau gegen dieses | |
| Instrument gesträubt – vor allem aus Angst vor möglichen Klagen. | |
| ## Wie die Tabakindustrie | |
| Diese Angst könnte nun wahr werden. Die „Climate Justice“-Anwälte stützen | |
| sich auf Grundsätze des internationalen Rechts wie das Verbot, einem | |
| anderen Partner Schaden zuzufügen und ziehen Parallelen etwa zu den | |
| Entschädigungsregeln bei Ölunfällen oder Atomkatastrophen. Vor allem aber | |
| hat der Gang vor die Gerichte auch eine politische Dimension, sagt Lilly | |
| Fuhr von der Böll-Stiftung. | |
| Ähnlich wie die „Divestment“-Bewegung, die darauf setzt, den fossilen | |
| Konzernen das Kapital zu entziehen, ziele auch der Angriff über die | |
| juristische Flanke darauf ab, „den Firmen die soziale Betriebsgenehmigung | |
| zu entziehen und langfristig ihr Geschäftsmodell unmöglich zu machen.“ Auch | |
| die Tabakindustrie in den USA habe lange geglaubt, juristisch unangreifbar | |
| zu sein, bis sie in spektakulären Prozessen zu Milliardenstrafen verurteilt | |
| wurde. | |
| Wie groß die Bereitschaft der UN-Staaten ist, über die Gerichte solche | |
| Prozesse auch gegen fossile Konzerne zuzulassen, muss sich erst noch | |
| zeigen. Schließlich sind die allergrößten Klimakiller nicht etwa die | |
| üblichen Verdächtigen wie Exxon und Co. Sondern die Staatsbetriebe und | |
| staatlich beherrschten Kohle- und Ölfirmen in Russland, China und | |
| Saudi-Arabien – die mit ihren Einkünften die Staatskassen auffüllen. | |
| 11 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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