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# taz.de -- UN-Klimakonferenz: Indien bevorzugt Wachstum
> Das Land ist ohne konkrete Zusagen zur Konferenz nach Lima gereist. Um
> den wachsenden Energiebedarf zu stillen, wird weiter vor allem auf Kohle
> gesetzt.
Bild: Rauchende Schornsteine außerhalb von Neu Delhi.
DELHI taz | Dichter grauer Smog hängt über Delhi, die Sonne ist nirgendwo
am Himmel zu sehen. Barun Aggarwal sitzt im Zentrum der indischen
Hauptstadt und schüttelt den Kopf. „Die Luft hier bringt uns um“, sagt der
erfolgreiche Geschäftsmann vom Paharpur Business Center.
Aggarwal verweist auf eine aktuelle Studie der Weltgesundheitsorganisation,
wonach die Luft der indischen Hauptstadt die schlechteste weltweit ist.
„Nirgendwo sonst müssen die Menschen derart viel Dreck einatmen“, sagt
Aggarwal. Der 40 Jahre alte Inder hat sich vor Kurzem an die indische
Regierung gewandt, nun drängt er zum Handeln. „Man kennt das Problem. Jetzt
ist die Zeit, endlich etwas zu unternehmen.“
Es ist die Zeit der 20. Weltklimakonferenz. In der peruanischen Hauptstadt
Lima werden derzeit die Grundlagen für ein neues, weltweit gültiges
Klimaabkommen gelegt. Dabei gehört Indien als drittgrößter Produzent von
Treibhausgasen nach den USA und China eher zu den Bremsern. Während Peking
und Washington sich kürzlich auf gemeinsame Emissionsziele verständigt
haben, hat die Regierung in Delhi bislang nichts versprochen. Im Gegenteil.
Indiens Premierminister Narendra Modi setzt auf Entwicklung. Dafür braucht
das Land dringend Strom – und setzt dabei vor allem auf den
Umweltverschmutzer Kohle.
Das Land verfügt über die fünftgrößten Kohlevorhaben der Welt, schon jetzt
werden zwei Drittel der Energie aus Kohle gewonnen. In den kommenden fünf
Jahren will die Regierung gar doppelt so viel Kohle verheizen wie bisher.
Wurden im vergangenen Jahr rund 565 Millionen Tonnen Kohle gefördert,
frohlockt Indiens Energieminister Piyush Goyal: „2019 werden wir eine
Milliarde Tonnen schaffen.“ Indiens Kohle ist von geringer Qualität, ihr
Verschmutzungsgrad ist beinahe doppelt so hoch wie die sauber verbrennende
Kohle aus dem Ausland. Dafür ist sie jedoch wesentlich billiger zu haben.
Schon in den letzten fünf Jahren wurden deshalb zahlreiche neue
Kohlekraftwerke gebaut, die indische Stromproduktion stieg um 73 Prozent.
## Ehrgeizige Wirtschaftsziele
Doch noch immer haben fast 300 Millionen Inder keinen Strom, etliche
verfügen nur über einen sporadischen Zugang. Zudem leidet das Land unter
konstanter Energieknappheit, selbst in den großen Industriezentren des
Landes fällt mehrmals täglich der Strom aus. 2012 kam es gleich zu zwei
gigantischen Black-outs: Als damals die Stromnetze in der Hälfte des Landes
zusammenbrachen, waren Hunderte Millionen Menschen ohne Elektrizität. Das
alles schadet der Wirtschaft und schreckt ausländische Investoren ab.
Um die ehrgeizigen Wirtschaftsziele der Regierung zu erreichen, braucht das
Land schnell und viel Energie – und billig soll sie natürlich auch noch
sein. Zwar setzt Ministerpräsident Modi auch auf Atomkraft, zudem sind
riesige Solarparks in Planung, auch wurden die Steuern auf Kohle
verdoppelt, um so erneuerbare Energiegewinnung zu fördern. Doch vorerst
wird sich Indiens Entwicklung vor allem auf Kohle stützen.
## Warnung vor lokaler Umweltkatastrophe
Diese Pläne sind keineswegs unumstritten. Kritiker warnen, dass ein
Kohleboom zu einer lokalen Umweltkatastrophe führen könnte. Schon heute
leiden nicht nur Großstädte wie Delhi unter der zunehmenden
Luftverschmutzung, auch auf dem Land sind die Folgen bereits unübersehbar.
Wissenschaftler der Universität von Kalifornien haben errechnet, dass
aufgrund der hohen Umweltbelastung inzwischen die Ernten der Bauern bis zu
50 Prozent schlechter ausfallen.
Und auch global könnte Indiens Lust auf Kohle zu einer ernsten Gefahr
werden, warnt Sunita Narrain vom Zentrum für Wissenschaft und Umwelt in
Delhi. „Indiens Kohlekraftwerke verschmutzen nicht nur die Luft. Sie
verstärken auch die weltweite Erwärmung und lassen die Meeresspiegel
steigen.“
Indiens Energieminister Goyal lässt sich von seinen Plänen nicht abbringen.
„Das für Indien notwendige Wachstum darf nicht auf dem Altar von allenfalls
in einigen Jahren drohenden Klimaveränderungen geopfert werden“, sagte er
im Vorfeld der Klimakonferenz. „Der Westen hat selbst jahrelang von den
Früchten der Umweltzerstörung gelebt. Nun wird er anerkennen müssen, dass
die Armen auch Bedürfnisse haben.“
10 Dec 2014
## AUTOREN
Michael Radunski
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