# taz.de -- Kommentar Flüchtlingsrekord: Ignoranz ist der Skandal | |
> Das UNHCR spricht von einem neuen Rekord an Menschen, die auf der Flucht | |
> sind. Auch Deutschland tut zu wenig. Doch nicht nur das ist ein Problem. | |
Bild: Gerettet: Bootsflüchtlinge vor der italienischen Küste. | |
Fast jeden Monat gibt es neue Flüchtlingsrekorde: mehr Asylanträge, mehr | |
Bootsflüchtlinge, mehr Tote, mehr Vertriebene, mehr Kriegsopfer. Die Folge | |
ist Abstumpfung, eine Mischung aus Entpolitisierung und Abwehrreflex. Das | |
Problem erscheint vielen, auch vielen Medien, als eine Art | |
Naturkatastrophe: aus undurchsichtigen Gründen in die Welt gekommen und | |
nicht zu verhindern. Zu hoffen bleibt dann nur noch, dass sie einen nicht | |
selbst erwischt. | |
Aber so ist es nicht. Es gibt sinnvolle Wege, Leid, Not und Vertreibung zu | |
bekämpfen. Allerdings keine, die umsonst sind. Dabei verlangt niemand von | |
Deutschland, alle Flüchtlinge aufzunehmen, wie Populisten à la Pegida es | |
gern hinstellen. Im Gegensatz zu den Fluchtbewegungen jenseits von Europa | |
ist die Lage hier durchaus zu bewältigen. Und: Wahrlich nicht jeder will | |
hierher. | |
Trotzdem tut Deutschland zu wenig. Vor Jahrzehnten haben sich die | |
Industriestaaten verpflichtet, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für | |
Entwicklungshilfe bereitzustellen. Genauso lange halten sie sich schon | |
nicht daran. Deutschland geht es wirtschaftlich besser denn je, doch für | |
den Kampf gegen Hunger, Krankheit und Armut gibt es nur gut die Hälfte | |
dessen her, was versprochen ist: 0,38 Prozent. 11 Milliarden Euro zu wenig | |
zahlt Deutschland dieses Jahr. Die Summe wäre ausreichend, um Maßnahmen | |
gegen Landraub, Verwüstung, Krankheiten, für Bildung, sauberes Wasser, | |
gerechte Entwicklung und auch Nothilfe zu fördern, von denen viele | |
Millionen Menschen profitieren würden. | |
Aber die Geldfrage ist nicht das einzige Problem. Schlimm ist, sich für | |
Konflikte erst dann zu interessieren, wenn sie vollends eskaliert sind – | |
wie in Syrien. Oder das Interesse sofort wieder zu verlieren – wie in | |
Zentralafrika. | |
Das Gegenteil tut not. Es wird aber nichts daran ändern, dass Menschen | |
hierherkommen. Je eher wir das akzeptieren, desto besser. Das | |
Flüchtlingsrekordjahr brachte in dieser Hinsicht einen Rückschritt: Als | |
Italien das Seenotrettungsprogramm „Mare Nostrum“ auch auf deutschen Druck | |
hin einstellte, hat die EU das Todesurteil für Tausende Bootsflüchtlinge | |
unterschrieben. Empört hat das kaum jemanden. Das Sterben im Mittelmeer | |
gilt zu vielen als normaler Teil der Realität, den wir nur bedauern, aber | |
nicht ändern können. Das ist der eigentliche Skandal. | |
10 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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