# taz.de -- Venezuela macht die Grenzen dicht: Das Land des Billigsprits leidet | |
> Der niedrige Ölpreis ruiniert das Land. Weitere Verluste entstehen durch | |
> Benzinschmuggel in die Nachbarländer. Nun sind die Grenzen zu. | |
Bild: Ölförderanlage im Cabimas, Venezuela. | |
BUENOS AIRES taz | Venezuela hat die Grenzen zu allen Nachbarländern seit | |
dieser Woche für Personen und Fahrzeuge von 22 bis fünf Uhr geschlossen. | |
Beladene Lkws dürfen bereits ab 18 Uhr die Grenzen nicht mehr passieren. | |
Damit will die Regierung Schmugglern das Handwerk legen. Bereits seit | |
August sind die nächtlichen Grenzübertritte in Richtung Kolumbien | |
untersagt. Seit dieser Woche sind nun auch die Grenzen zu Brasilien und | |
Guyana in der Nacht dicht. | |
Benzin und Diesel sind an Venezuelas Zapfsäulen außerordentlich günstig, | |
die Preise für Grundnahrungsmittel sind stark herabsubventioniert. Der | |
Liter Benzin kostet nur umgerechnet rund 0,02 Euro, im Nachbarland | |
Kolumbien zahlt man rund 0,79 Euro für einen Liter, in Brasilien 0,90 Euro. | |
Der Schmuggel in die Nachbarländer ist also ein lohnendes Geschäft. Nach | |
Regierungsangaben entsteht dem Land allein durch den Schmuggel von | |
Treibstoffen und Nahrungsmitteln jährlich ein Schaden von rund 7,2 | |
Milliarden Dollar. Geld, die das vom sinkenden Ölpreis geplagte Land | |
dringend gebrauchen könnte. | |
Würden die Preise erhöht, hätte das wohl Proteste der Bevölkerung zur | |
Folge. Hartnäckig halten sich aber vor allem die Gerüchte, dass Präsident | |
Nicolás Maduro die Spritpreise nicht anheben will, weil er unter Druck vor | |
allem aus Teilen des Militärs steht. Denn das verdient kräftig am | |
Schmuggel. Nach Schätzungen könnte der Staat jährlich 12 bis 15 Milliarden | |
Dollar einsparen, würde der Sprit zu ähnlichen Preisen wie in den | |
Nachbarländern verkauft werden. | |
Wie lange sich jedoch Venezuela die Spottpreise für Benzin und Diesel noch | |
leisten kann, ist offen: Das Land stöhnt unter dem Verfall des Ölpreises. | |
Seit Juni ist der Preis für venezolanisches Öl um rund 40 Prozent | |
eingebrochen. Seinen Spitzenwert von 99 Dollar erreichte das Fass Öl im | |
Juni. Seither geht es abwärts. | |
Gegenwärtig gibt die Regierung den Preis mit 57,53 Dollar an. Venezuela ist | |
vom Öl abhängig, da mehr als 95 Prozent der Exporterlöse aus dem Ölverkauf | |
stammen. Gleichzeitig muss das Land allein rund 75 Prozent seiner | |
Nahrungsmittel importieren. Dazu kommt der Importzwang bei Medikamenten und | |
Kapitalgütern. Das alles ist nur gegen Dollar auf dem Weltmarkt zu haben. | |
## Staatseinnahmen brechen ein | |
„Wird es Probleme mit dem Dollarzufluss geben?“, fragte Präsident Maduro | |
vor wenigen Tagen und gab zugleich die Antwort: „Ganz eindeutig ja. Wir | |
müssen jeden Dollar, der reinkommt, maximal nutzen.“ Maduro sagte einen | |
Verlust für die Staatseinnahmen von bis zu 40 Prozent vorher. Im November | |
hatte das Opec-Mitglied Venezuela vergeblich versucht, die anderen | |
Mitgliedstaaten zu einer Senkung der Ölförderung zu bewegen, um so den | |
Preisverfall durch geringeres Angebot zu stoppen. | |
„Der Markt wird mit umweltschädlichem Öl aus den Vereinigten Staaten | |
überschwemmt“, machte Maduro den Hauptschuldigen aus. „100 Dollar pro Fass | |
wäre der gerechte Preis.“ Dem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr liegt | |
denn auch ein Ölpreis von 60 Dollar pro Fass zugrunde. Darin wird die | |
Inflation trotz schwieriger Lage auf zwischen 25 und 30 Prozent geschätzt | |
und ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent vorhergesagt. | |
Für das laufende Jahr wurde im August aber noch eine Inflationsrate von | |
knapp 64 Prozent vorhergesagt – seither hat die Regierung keine Zahlen mehr | |
veröffentlicht. Dass die Rate 2015 auf 30 Prozent gedrückt werden könnte, | |
scheint reines Wunschdenken. Auch die für 2015 erwarteten Einnahmen von | |
knapp 20 Milliarden Dollar aus dem Ölgeschäft erscheinen genauso | |
unwahrscheinlich wie die angesetzten rund 81 Milliarden Dollar aus den | |
geschätzten Steuereinnahmen. | |
## Die Wirtschaft schrumpft | |
Jeder Dollar weniger pro Fass bedeutet für Venezuela einen Einnahmeverlust | |
von rund 700 Millionen Dollar. Venezuelas Zentralbank schätzt, der Preis | |
müsse gar auf 117 Dollar pro Fass steigen, um die nötigen Devisen für alle | |
Importe und den Schuldendienst bereitstellen zu können. Und erst kürzlich | |
hatte die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik | |
(Cepal) für Venezuela ein Schrumpfen der Wirtschaft für 2014 um drei | |
Prozent ausgewiesen und den weiteren Rückgang um ein Prozent für das | |
kommende Jahr prognostiziert. | |
Der Ausweg, die Dollarlücke über den internationalen Kreditmarkt zu | |
schließen, erscheint schwierig. Die Ratingagentur Moody’s hatte Venezuela | |
gerade bescheinigt, dass ein Ölpreis um die 60 Dollar „signifikant das | |
Risiko der Zahlungsunfähigkeit erhöhen würde“. Eine Währungsabwertung leh… | |
die Regierung bisher ab. Weiterhin gibt es drei offizielle Wechselkurse für | |
den Bolívar von 6,30 bis zu 50 Bolívar für einen Dollar. Auf dem | |
Schwarzmarkt ist der Wert des Bolívar mit 180 Bolívar für einen Dollar | |
längst ins Bodenlose abgerutscht. | |
18 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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