# taz.de -- Neue Demonstrationen in Venezuela: Proteste und Putschvorwürfe | |
> Zum Jahrestag der Protestwelle 2014 geht die Opposition wieder auf die | |
> Straße. Die ökonomische Lage hat sich weiter verschlechtert. | |
Bild: Donnerstag in Caracas: Barrikade in Flammen. | |
BUENOS AIRES taz | War das der Auftakt zu einer neuen Protestwelle gegen | |
Venezuelas chavistische Regierung? Am Donnerstag gingen mehrere tausend | |
Menschen landesweit auf die Straßen und forderten den Rücktritt von | |
Präsident Nicolás Maduro. | |
Dabei kam es vor allem im Bundesstaat Mérida zu gewaltsamen | |
Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und den staatlichen | |
Sicherheitskräften. Auch in der Hauptstadt Caracas endete die zunächst | |
friedliche Demonstration im Steinhagel und mit Gasgranaten. | |
Vor genau einem Jahr hatte mit [1][Studentendemonstrationen] in den | |
westlichen Bundesstaaten Mérida und Táchira eine Protestwelle ihren Ausgang | |
genommen, die sich schnell als allgemeine Proteste gegen die politische und | |
vor allem wirtschaftliche Lage über Venezuela ausbreitete und an deren Ende | |
mindestens 43 Menschen tot waren, viele davon AnhängerInnen der Regierung. | |
Von den zahlreich Verhafteten sitzen noch immer über 50 Personen in Haft. | |
Die Regierung war auf den Tag vorbereitet und beanspruchte ihrerseits die | |
Medienöffentlichkeit, in dem sie die Pläne zu einem mutmaßlich groß | |
angelegten Putschversuch veröffentlichte. Angehörige der Luftwaffe hätten | |
demnach unter der Führung von rechten Parlamentsabgeordneten einen Angriff | |
auf den Präsidentenpalast Miraflores geplant, um den Präsidenten zu | |
stürzen. Nach Angaben der Regierung wurden bereits mehrere Personen | |
festgenommen. | |
## Die Opposition hat sich zusammengerauft | |
Die zwischenzeitlich zerstrittene Opposition kündigt derweil an, auf der | |
Straße bleiben zu wollen. Sie hat sich zusammengerauft. 2014 war sie an der | |
Frage auseinandergebrochen, ob mit dem Druck der Straße die Regierung | |
gestürzt werden solle. Während der ehemalige Präsidentschaftskandidat und | |
Oppositionsführer Henrique Capriles für einen gemäßigten Kurs eintrat, | |
setzte die radikalere Opposition um den verhafteten Leopoldo López und | |
María Corina Machado auf den Druck der Straße. | |
Doch inzwischen hat Capriles einen Schwenk vollzogen. Angesichts der sich | |
immer weiter verschlechternden Versorgungslage müssen die Menschen auf die | |
Straße gehen, sagte Capriles im Januar. Nächster Termin könnte wieder ein | |
Jahrestag sein. Am 18. Februar sitzt Leopoldo López genau ein Jahr im | |
Gefängnis. | |
Die Lage im Land hat sich tatsächlich weiter verschlimmert. Venezuela | |
leidet unter dem Verfall der Ölpreise und den daraus folgenden | |
Einnahmeverlusten. Ende Januar war der Preis für ein Fass Rohöl unter die | |
40-Dollar-Marke gefallen. Mitte 2014 lag er noch bei knapp 100 Dollar. | |
Mehr als 95 Prozent der Exporterlöse des südamerikanischen Landes stammen | |
aus dem Ölgeschäft. Gleichzeitig muss das Land allein rund 75 Prozent | |
seiner Nahrungsmittel importieren. Für 2015 wird eine Inflationsrate von | |
über 100 Prozent nicht ausgeschlossen. | |
## Die Dollars werden knapper | |
Die Dollars für die Importe werden von Monat zu Monat knapper. War bereits | |
2014 die Versorgungslage selbst bei Grundnahrungsmitteln wie Maismehl oder | |
Frischmilch schlecht, hat sich die Gesamtsituation weiter verschärft. | |
Selbst Kondome werden knapp, weshalb Spötter vor einem geburtenstarken | |
Mangelwirtschaftsjahrgang warnen. | |
Für die Regierung ist dies jedoch alles nur eine Facette eines ökonomischen | |
Krieges gegen sie und ihre Politik. Kein Zweifel besteht daran, dass | |
Unmengen an subventionierten Lebensmitteln und Treibstoffen in die | |
Nachbarländer geschmuggelt werden und dort für weit höhere Preise abgesetzt | |
werden. | |
Fakt ist auch, dass im Land selbst der Schwarzhandel mit notwendigen | |
Produkten floriert. Wer keine Zeit hat, sich täglich stundenlang in die | |
Schlangen vor den Supermärkten einzureihen, der geht auf den Schwarzmarkt | |
oder engagiert sich einen Colero, einen professionellen Schlangesteher. Das | |
ist eines der wenigen Gewerbe, das gerade Hochkonjunktur hat. | |
Knapp ist aber auch der Dollar. Seit Monaten erreicht der Wechselkurs auf | |
dem Schwarzmarkt immer neue schwindelnde Höhen. Lag er vor einem Jahr noch | |
bei um die 60 Bolívares, so ist er inzwischen auf rund 190 Bolívares für | |
einen Dollar gestiegen. Diese Woche ist die Regierung erstmals gegen die | |
rasante Entwertung der eigenen Währung auf dem Dollar-Schwarzmarkt | |
vorgegangen. | |
## Liberalisierung des Dollarhandels | |
Seit Donnerstag dürfen alle ihre Bolívares gegen Dollar wieder in den | |
normalen Wechselstuben umtauschen. Privatpersonen ist der Kauf von täglich | |
300 Dollar erlaubt, höchstens aber 2.000 Dollar im Monat und 10.000 Dollar | |
pro Kalenderjahr. Wer andere ausländischen Devisen möchte, wie | |
beispielsweise Euro, bekommt sie im Gegenwert zur erlaubten Dollarmenge. In | |
den letzten zwei Jahren war der Kauf von Devisen nur unter strengen | |
Auflagen in den staatlichen Wechseleinrichtungen erlaubt. | |
Indem sie jetzt den Hahn wieder etwas aufdreht, versucht die Regierung den | |
Druck auf den Schwarzmarktkurs abzumildern. Die ersten Dollars wurde jedoch | |
zum Preis von rund 170 Bolívares nur wenig unter dem Schwarzmarktkurs | |
verkauft. Es bleibt abzuwarten, ob der Schwarzmarktkurs in den kommenden | |
Wochen tatsächlich gedrückt werden kann. | |
Grundsätzlich hält die Regierung jedoch ihren dreigeteilten staatlich | |
kontrollierten Devisenmarkt fest. Importeure, die auf den internationalen | |
Märkten Nahrungsmittel, Medikamente oder sonstigen Waren für eine | |
Grundversorgung einkaufen will, werden weiterhin den Dollar zum Gegenwert | |
von 6,30 Bolívares erhalten. Damit will die Regierung sicherstellen, dass | |
es bei den Waren zur Grundversorgung nicht zu einer Preisexplosion kommt. | |
Für Waren die nicht in diese Rubrik fallen, müssen sich die Importeure auch | |
weiterhin an einem staatlichen Versteigerungssystem, dem Sistema | |
Complementario de Administración de Divisas‘, kurz Sicad, beteiligen. Das | |
Mindestgebot für einen Dollar beträgt 12 Bolívares. Die Gebote werden den | |
Preis aber schnell nach oben treiben. | |
13 Feb 2015 | |
## LINKS | |
[1] /!132947/ | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
## TAGS | |
Erdöl | |
Wirtschaft | |
Henrique Capriles | |
Nicolás Maduro | |
Venezuela | |
Barack Obama | |
Sanktionen | |
Einkaufen | |
Venezuela | |
Nicolás Maduro | |
Investitionen | |
Venezuela | |
USA | |
Venezuela | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Machtkampf in Venezuela: Der Putsch ist nicht mehr nötig | |
Die Position von Venezuelas Präsident Maduro war zuletzt schwach. Nach der | |
Intervention von US-Präsident Obama stellt sich nun ganz Lateinamerika | |
hinter ihn. | |
Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro: Obama ist wie Nixon und Bush | |
Der US-Präsident repräsentiere die „imperialistische Elite“, so Maduro. Er | |
ist sauer, weil Obama die Lage in Venezuela als „außergewöhnliche | |
Bedrohung“ gewertet hat. | |
Versorgungskrise in Venezuela: Shoppen nur mit Fingerabdruck | |
Venezuelas Regierung will gegen Hamsterkäufe im Land vorgehen. Deshalb | |
sollen Lebensmittelkäufe der Bürger künftig per Fingerabdruck kontrolliert | |
werden. | |
Proteste in Venezuela: 14-jähriger von Polizei erschossen | |
Bei Protesten von Regierungsgegnern stirbt in San Cristobal ein Schüler. | |
Das Innenministerium bestätigt, dass ein Polizist geschossen hat. | |
Festnahme in Venezuela: Geheimdienst gegen Bürgermeister | |
Antonio Ledezma gehört zu führenden Oppositionellen in Venezuela. Nun wurde | |
er in Carcas festgenommen. Seine Frau spricht von Entführung. | |
Ölpreisverfall in Venezuela: Regierungschef auf Betteltour | |
Nicolás Maduro ist nach China gereist, um die Wirtschaft anzukurbeln. Er | |
will Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Dollar eingeworben haben. | |
Venezolanische Eisdiele wird Politikum: Zank um Schinken-Käse-Eis | |
Die weltberühmte Eisdiele „Coromoto“ in Merida schloss offiziell wegen | |
Mangel an Milch. Die Regierung wittert eine Kampagne der Opposition. | |
Verhältnis USA zu Lateinamerika: Übernimmt Venezuela Kubas Rolle? | |
Nur einen Tag nach der Annäherung an Kuba setzt Barack Obama Sanktionen | |
gegen venezolanische Funktionäre in Kraft. Mit dem Ölpreis sinkt der | |
Einfluss. | |
Venezuela macht die Grenzen dicht: Das Land des Billigsprits leidet | |
Der niedrige Ölpreis ruiniert das Land. Weitere Verluste entstehen durch | |
Benzinschmuggel in die Nachbarländer. Nun sind die Grenzen zu. |