| # taz.de -- Erneuerbare Energien: „Der blinde Fleck muss weg“ | |
| > Ein Kohlekonsens ist für die Energiewende zentral, meint Patrick | |
| > Graichen, Direktor des Agora-Thinktanks. Ob die Regierung aber zu ihrer | |
| > Zusage steht, ist für ihn offen. | |
| Bild: Für den Transport der Windkraft aus dem Norden braucht es Leitungen, sag… | |
| taz: Herr Graichen, Ihr Amtsvorgänger Rainer Baake ist seit einem Jahr als | |
| Staatssekretär im Wirtschaftsministerium für die Umsetzung der Energiewende | |
| verantwortlich. Wie zufrieden sind Sie mit seiner Politik? | |
| Patrick Graichen: Die Leitlinien entscheidet primär der Minister. Aber wenn | |
| man sieht, was im ersten Jahr geschehen ist, dann ist einiges dabei, worauf | |
| wir in den Jahren zuvor lange gewartet haben. So gab es zwar keine | |
| Beschleunigung der Energiewende, sondern ein Weiterfahren entlang der alten | |
| Mindestziele. Aber Deutschland spielt in Brüssel endlich wieder eine aktive | |
| Rolle in der Klimapolitik. Und die Frage, wie es mit den Kohlekraftwerken | |
| weitergeht, wird jetzt auch endlich diskutiert. | |
| Manche Beobachter halten die Energiewende für gescheitert, weil trotz des | |
| Ausbaus der Erneuerbaren der deutsche CO2-Ausstoß gestiegen ist. Auch Sie | |
| wurden kürzlich so zitiert. Ist die Lage wirklich so schlimm? | |
| Nein, die Energiewende ist nicht gescheitert. Aber sie hat bisher einen | |
| blinden Fleck gehabt, nämlich die Frage, wie es mit dem fossilen | |
| Kraftwerkspark weitergeht. Eigentlich sollte ja der Emissionshandel dafür | |
| sorgen, dass Gaskraftwerke sich gegen Kohlekraftwerke durchsetzen – was | |
| derzeit nicht funktioniert. Darum muss jetzt politisch gehandelt werden, um | |
| diesen blinden Fleck zu beseitigen und die Klimaschutzziele zu erreichen. | |
| Auch die Regierung hat das jetzt ja erkannt und will den Ausstoß der | |
| Kohlekraftwerke reduzieren. Manche sehen darin einen großen Fortschritt, | |
| andere eine komplette Luftnummer. Wie bewerten Sie die Beschlüsse der | |
| Regierung? | |
| Im Beschluss steht, dass im Kraftwerkspark 22 Millionen Tonnen CO2 | |
| zusätzlich eingespart werden sollen. Die spannende Frage ist: Was heißt | |
| zusätzlich? Auf welche Entwicklung, die ohnehin angenommen wurde, kommt | |
| diese Einsparung obendrauf? Was genau wird eingerechnet? Die Diskussion ist | |
| noch offen. Bis das Gesetz im Bundestag verabschiedet ist, ist alles | |
| möglich. | |
| Was wäre denn aus Ihrer Sicht die beste Möglichkeit, die Kohle-Emissionen | |
| zu reduzieren? | |
| Wir führen derzeit zwei Diskussionen: über unsere Klimaschutzziele und über | |
| Reservekraftwerke, die wir in einigen wenigen Engpasssituationen pro Jahr | |
| brauchen. Diese beiden Diskussionen müssen endlich verzahnt werden. Alte | |
| Kohlekraftwerke würden dann Geld dafür bekommen, dass sie für solche | |
| Engpässe bereitstehen – und ansonsten keinen Strom produzieren. Das hilft | |
| dem Klima und der Versorgungssicherheit gleichermaßen. | |
| Gegen den Kohle-Ausstieg formiert sich Widerstand nicht nur in der | |
| Industrie, sondern auch bei den Gewerkschaften. | |
| Jeder Strukturwandel hat Gewinner und Verlierer. Aber wenn wir einen | |
| gesellschaftlichen Konsens über die Zukunft der Kohle in den nächsten 30 | |
| Jahren hinkriegen würden, dann könnte man diesen Strukturwandel sozial | |
| begleiten. Dann sind auch die Gewerkschaften mit im Boot. | |
| Für viel Streit sorgen auch die geplanten Hochspannungsleitungen. Nicht nur | |
| Horst Seehofer und Bürger entlang der geplanten Trassen sind dagegen. Auch | |
| viele Anhänger der Energiewende halten die Leitungen im geplanten Ausmaß | |
| für unnötig. Wie sehen Sie das? | |
| Die Anhänger der Energiewende, die skeptisch sind beim Netzausbau, | |
| befürchten in der Regel, dass der Netzausbau eigentlich der Braunkohle | |
| nutzt … | |
| … was ja zumindest bei der Südost-Spange nicht ganz von der Hand zu weisen | |
| ist. | |
| Deshalb bin ich davon überzeugt, dass ein Kohle-Konsens auch für den | |
| Netzausbau elementar ist. Wenn klar ist, dass durch die neuen Leitungen | |
| zwar übergangsweise auch Braunkohlestrom fließt, sie aber langfristig vor | |
| allem für den Transport des Stroms der Offshore-Windanlagen dienen, können | |
| die Umweltverbände das besser mittragen. | |
| Aber braucht man dafür wirklich so viele Leitungen? | |
| Ich bin kein Netzplaner. Aber ich kenne kein Szenario für eine | |
| Stromversorgung mit 80 Prozent Erneuerbaren, das ohne massiven Netzausbau | |
| auskommt. Denn wir haben den meisten Wind nun mal im Norden. | |
| 19 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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