# taz.de -- Flüchtlingsheime in Berlin: „Eine Wende eingeleitet“ | |
> In Köpenick hat sich unter den Nachbarn des Containerdorfs ein | |
> Sinneswandel vollzogen, meint Franz Allert, Chef des Landesamts für | |
> Gesundheit. | |
Bild: Franz Allert, Chef des LaGeSo, in einem Zimmer des neuen Containerdorfs i… | |
taz: Herr Allert, wie wird sich ein Flüchtling fühlen, der in der vor | |
wenigen Tagen eröffneten Containerunterkunft in Köpenick ankommt – halb im | |
Wald, halb in der Platte? | |
Franz Allert: Ich glaube, dass die Flüchtlinge sich hier sehr wohlfühlen | |
werden, weil sie willkommen geheißen werden – von den Menschen, die hier | |
arbeiten, wie von jenen, die in der Gegend leben. | |
Es gab am Anfang große Aufregung in der Nachbarschaft wegen des Heims. | |
Jetzt heißt es, die Anwohner hätten viel gespendet, es gebe einen | |
Hilfsverein, viele Ehrenamtler. Hat sich ein Sinneswandel vollzogen? | |
Es wird mittlerweile viel kommuniziert: über die Stadtteilzentren, aber | |
auch über den Internationalen Bund, der die Einrichtung betreibt. Und im | |
direkten Kontakt mit den Anwohnern kann man viel eher auf Fragen, Sorgen | |
und Nöte antworten. Auf den beiden Anwohnerversammlungen konnten viele | |
Fragen der Anwohner geklärt und Bedenken entkräftet werden. So baut sich | |
das Stück für Stück ab. Die Senioreneinrichtung gegenüber hat zum Beispiel | |
Plätzchen gebacken für die Bewohner als Willkommensgruß. Das sind alles | |
konkrete Zeichen, die mich hoffnungsfroh machen. | |
Es gibt Kritik daran, wie Ihr LaGeSo die Verträge zum Betrieb von | |
Flüchtlingsunterkünften vergibt. Auch bei den insgesamt sechs | |
Containerdörfern, die entstehen sollen, haben Sie wieder nicht | |
ausgeschrieben, sondern die Betreiber ausgewählt: fünf | |
Wohlfahrtsorganisationen und einen Privaten. Warum? | |
Bei der Auswahl der Betreiber für die Containerdörfer haben wir ein | |
Vergabeverfahren angewendet, bei dem wir vorhandene Betreiber gefragt | |
haben, wer überhaupt bereit ist und die Kapazitäten hat, innerhalb dieser | |
kurzen Zeit einen Unterbringungsbetrieb zu organisieren. Ich bin froh, dass | |
sich diese fünf gemeinnützigen und ein privater Betreiber gemeldet haben, | |
mit denen wir in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gemacht haben. | |
Ist es als Richtungswechsel beim LaGeSo zu verstehen, dass die Firmen | |
Gierso und Pewobe, um die es in letzter Zeit viel Wirbel gab, keinen | |
Zuschlag bekommen haben? | |
Wir haben eine Wende eingeleitet und errichten zum ersten Mal als Land | |
Berlin selbst Flüchtlingsunterkünfte. Und wir wollen schon, dass | |
Gemeinnützige mehr Einrichtungen übernehmen können. Wir wollen mehr | |
Chancengleichheit dadurch schaffen, dass das Land Berlin die Immobilien zur | |
Verfügung stellt – seien es nun Bestandsimmobilien, die wiederhergerichtet | |
werden, oder Containerunterkünfte. Das Land Berlin tritt zukünftig auch als | |
Anbieter von Immobilien für Flüchtlingsunterkünfte auf – das ist ein | |
Paradigmenwechsel. Dann können wir unter den Betreibern auswählen, die sich | |
bewerben. Das können Private sein oder freie Gemeinnützige. Aber alle | |
müssen auch Konzepte vorlegen. Dafür müssen sie nicht mehr zusätzlich über | |
finanziellen Mittel verfügen, ein Gebäude erst herzurichten oder bauen zu | |
können. | |
Stimmt die Information, dass die Firma Gierso das umstrittene Heim in der | |
Moabiter Levetzowstraße, eine ehemalige Schule, nicht mehr betreiben soll | |
und ein anderer Betreiber ab Januar übernimmt? | |
Wir wollen die Levetzowstraße seit langer Zeit aufgeben. Es war eine | |
sogenannte Not-Not-Unterkunft, die dann in einen länger andauernden Betrieb | |
übergegangen ist. Das ehemalige Schulgebäude ist damals ja nicht an Gierso | |
vergeben worden. Sondern die Gierso ist mit den Bewohnern der Notunterkunft | |
Turmstraße umgezogen, weil diese geschlossen werden musste. Von daher | |
wollten wir die Levetzowstraße nie als Gemeinschaftsunterkunft haben und | |
hatten schon verschiedentlich versucht, sie aufzugeben. Jetzt wollen wir | |
das Heim in diesen Tagen schließen. Es wird eine Übergangsfrist zur | |
Abwicklung geben. Nur das ist nicht an einem Tag möglich, weil wir ja Platz | |
brauchen für die Menschen, die dort noch untergebracht sind und | |
schrittweise in anderen Unterkünften untergebracht werden müssen. | |
Gierso hat auch im Weddinger Kappweg ein großes Objekt angeboten. Stimmt | |
es, dass Sie das Angebot abgelehnt haben und einen anderen Betreiber dafür | |
suchen? | |
Im Kappweg ist uns ein Gebäude über Gierso angeboten worden, aber die Firma | |
ist nicht deren Eigentümer. Es gibt einen Vermieter, und der hat | |
Konditionen aufgerufen, die aus unserer Sicht nicht realisierbar sind. Wir | |
suchen zwar dringend Unterkünfte und Gebäude – aber nicht um jeden Preis | |
und zu allen Bedingungen. Wenn uns aber das Objekt in anderer Form wieder | |
angeboten würde, würden wir sicher noch mal neu darüber nachdenken. Weil | |
das Gebäude generell gut geeignet ist und auch der Bezirk schon einbezogen | |
wurde. | |
Nachdem bekannt wurde, dass Sie der Patenonkel des Geschäftsführers von | |
Gierso sind, hat die Innenrevision des LaGeSo untersucht, ob Sie Einfluss | |
genommen haben auf die Auftragsvergabe und die Verträge Ihres Amtes mit | |
Gierso. Der kürzlich vorgelegte Bericht der Innenrevision besagt, dass | |
Korruption „nach Aktenlage“ nicht feststellbar sei, die Akten aber auch | |
sehr lückenhaft seien. Eine Entlastung für Sie ist das nicht, oder? | |
Die Innenrevision macht jetzt noch eine vertiefte Prüfung und wird | |
vielleicht einen besseren Überblick bekommen, wie diese Entscheidungen | |
zustande gekommen sind. Die sind ja nicht klassisch aufgebaut, das hat | |
bestimmt zur Verwirrung beigetragen. Jetzt warte ich die vertiefte Prüfung | |
ab. Dann werden wir sicher auch die daraus resultierenden Hinweise und | |
Anregungen der Innenrevision aufnehmen. Aber für mich gibt es keinen Anlass | |
anzunehmen, dass irgendwas rechtswidrig gelaufen ist. Auch die | |
Innenrevision hat bislang nichts Gegenteiliges festgestellt. | |
1 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
## TAGS | |
Flüchtlinge | |
Asyl | |
Unterbringung von Geflüchteten | |
Unterkunft | |
Lageso | |
Franz Allert | |
Flüchtlinge | |
Flüchtlinge | |
Asyl | |
Flüchtlinge | |
Nordrhein-Westfalen | |
Flüchtlinge | |
Flüchtlinge | |
Flüchtlinge | |
Berlin | |
Protest | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Containerheim in Köpenick: Zu Besuch bei den Flüchtlingen | |
Das Containerdorf für Asylbewerber im Allende-Viertel II öffnet seine Türen | |
zum Tag der offenen Tür. Etwa 300 Besucher kommen und laufen durch die | |
langen, kahlen Flure. | |
Flüchtlingsunterkunft in Berlin: „Das wäre nie genehmigungsfähig“ | |
Neuköllns Sozialstadtrat hat eine Wohnung besichtigt, die ein Hostel als | |
Flüchtlingsunterkunft anbietet. Die Zustände seien unzumutbar, findet er. | |
Ehemalige KZ-Außenstelle: Umbau zum Asylbewerberheim | |
Einst gehörte das Gelände zum Konzentrationslager Dachau. Jetzt soll | |
geprüft werden, ob ein dort stehendes Gebäude als Flüchtlingsunterkunft | |
genutzt werden kann. | |
Flüchtlingspolitik: Wenn Verwaltung ans Sparen denkt | |
Das für Flüchtlinge zuständige Amt ist überfordert – auch mit der Ausgabe | |
von Krankenscheinen. Vereinfachungen scheut man: Angeblich sind die Kosten | |
zu hoch. | |
Flüchtlinge in KZ untergebracht: Weltoffen und tabulos | |
Flüchtlinge in einer ehemaligen KZ-Außenstelle: Trotz scharfer Kritik der | |
Landesregierung bleibt die Stadt Schwerte bei ihrem Plan. | |
Ehemaliges KZ als Flüchtlingsunterkunft: Asylsuchende in Buchenwald-Baracke | |
Früher nutzte die SS die Baracke in Schwerte. Bald sollen Flüchtlinge dort | |
leben. Flüchtlingsinitiativen sind entsetzt, die Grünen nicht. | |
Mehr Abschiebungen von Flüchtlingen: Bundesamt setzt auf Abschreckung | |
Drei Balkan-Staaten gelten seit kurzem als „sichere Herkunftsländer“, doch | |
Flüchtlinge kommen trotzdem. Die Behörden wollen sie deshalb abschrecken. | |
Unterbringung von Flüchtlingen: Wohnen statt turnen | |
Weitere Turnhallen werden zu Notunterkünften. Alle Bezirke sollen | |
Kapazitäten melden. Die Asylsuchenden werden nur "geparkt", kritisiert der | |
Flüchtlingsrat. | |
Klagen gegen Flüchtlingsheime: Angst und Vorurteil in Köpenick | |
Anwohner klagen gegen zwei geplante Flüchtlingsheime. Das | |
Verwaltungsgericht hält das für unzulässig. | |
Berliner Handy-App: Smart gegen Nazis | |
Eine Handy-App vermeldet rechte Demos. Der Senat, BSR und Vattenfall | |
unterstützen das Projekt. Das zeigt: Der Kampf gegen Rechte ist Konsens. | |
Rechte Aufmärsche in Marzahn: Die Mär von den Rattenfängern | |
Von wegen unbescholtene Bürger, die von Neonazis instrumentalisiert werden: | |
Die Proteste gegen Flüchtlingsheime sind von rechts gesteuert. Jeder, der | |
teilnimmt, weiß das. |