# taz.de -- TTIP und regionale Lebensmittel: Dammbruch in der Regierung | |
> Niedrigere Standards durch Freihandelsabkommen: Bundesminister Schmidt | |
> hält Kennzeichnungspflicht für verzichtbar. | |
Bild: Herrenlose Würste unbekannter Herkunft in einer Markthalle in Rotterdam | |
BERLIN taz | Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hat in einem | |
Interview zum geplanten EU-Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) die Katze | |
aus dem Sack gelassen: „Seine Äußerungen in puncto Regionalkennzeichnung | |
von Lebensmitteln zeigen: Die sogenannten Standards bei einem wichtigen | |
Thema wie Transparenz und Herkunftskennzeichung bleiben nicht | |
aufrechterhalten“, sagte Thilo Bode, Geschäftsführer der | |
Verbraucherorganisation Foodwatch, am Montag der taz. Bei TTIP werde | |
darüber verhandelt, die Regeln anzugleichen, „und da muss natürlich jede | |
Seite nachgeben. Schmidt ist hier extrem offen.“ | |
Zuvor hatte der CSU-Politiker sich erstmals bereit erklärt, die gesetzlich | |
geschützte Herkunftskennzeichung regionaler Spezialitäten für TTIP zu | |
opfern. „Wenn wir die Chancen eines freien Handels mit dem riesigen | |
amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und | |
jeden Käse als Spezialität schützen“, [1][zitierte ihn der Spiegel.] Die | |
geltenden EU-Regeln für regionale Lebensmittel seien „sehr bürokratisch“. | |
„Die EU schützt auch solche Spezialitäten, deren Grundstoffe längst nicht | |
mehr nur in ihren Heimatregionen hergestellt werden“, womit er offenbar das | |
blaue EU-Siegel „geschützte geographische Angabe“ (g.g.A.) meinte. | |
Das trägt zum Beispiel der Schwarzwälder Schinken, dessen Fleisch auch aus | |
dänischen Massenställen kommen darf, wenn es nur im Schwarzwald wie | |
vorgeschrieben verarbeitet wird. Bisher hatte Schmidt immer versprochen, | |
dass die europäischen Lebensmittelstandards „nicht verhandelbar“ seien. | |
## Unglaubwürdiges Dementi | |
Zwar ruderte der Minister nach Veröffentlichung des Spiegel-Interviews | |
zurück. „Er rüttelt da nicht an den Herkunftsbezeichnungen“, sagte sein | |
Vizesprecher Christian Fronczak der taz. Die Regeln müssten nur einheitlich | |
angewendet werden. Doch diesem Dementi glaubt kaum ein Kritiker. Denn | |
Schmidt behauptet ja nicht, dass er falsch zitiert worden sei, und es ist | |
unwahrscheinlich, dass die Spindoktoren eines Bundesministeriums derart | |
brisante Äußerungen aus Versehen lancieren. Und selbst während seines | |
Dementis betonte Fronczak, die geschützten geografischen Angaben führten | |
„zu Missverständnissen“ bei Verbrauchern. | |
Tatsächlich verwirren die g.g.A. viele Verbraucher: Viele Konsumenten, die | |
„Schwarzwälder Schinken“ hören, denken, die Schweine kämen aus der Regio… | |
„Diese Missverständnisse müssen europaweit ausgeräumt werden, damit wir auf | |
einheitlicher Ebene mit den Amerikanern verhandeln können“, so Fronczak. | |
Foodwatch-Chef Bode würde den g.g.A. keine Träne nachweinen. „Bei uns | |
könnte der Schwarzwälder Schinken schon jetzt aus Neuseeland kommen“, | |
kritisiert er. Es sei zu begrüßen, dass Schmidt nun erstmals zugebe, dass | |
die aktuelle Herkunftskennzeichnung nichts tauge. | |
„Die größte Gefahr ist aber, dass schlechte Standards eingefroren und die | |
Verbesserung von Standards verhindert werden.“ Angesichts der starken Lobby | |
der Lebensmittelindustrie in den USA und der EU sei es wahrscheinlich, dass | |
das Abkommen beispielsweise eine von Foodwatch geforderte verbindliche | |
Herkunftskennzeichnung der wichtigsten Zutaten blockiere. „Wir machen | |
Fortschritte bei gesellschaftspolitischen Standards abhängig von der | |
Zustimmung eines Handelspartners“, warnt Bode. | |
5 Jan 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ttip-beendet-schutz-fuer-europas-… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
## TAGS | |
Schwerpunkt TTIP | |
Freihandel | |
Christian Schmidt | |
Landwirtschaft | |
Schwerpunkt TTIP | |
Gesundheit | |
Schwerpunkt TTIP | |
Schwerpunkt TTIP | |
Schwerpunkt TTIP | |
Acta | |
Schwerpunkt TTIP | |
Schwerpunkt TTIP | |
Schwerpunkt TTIP | |
Schwerpunkt TTIP | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
CSU-Politiker Christian Schmidt: Das unsichtbare Kabinettsmitglied | |
Agrarminister Christian Schmidt fiel bisher kaum auf. Und die einzigen | |
handfesten Projekte des CSU-Politikers werden heftig kritisiert. | |
Debatte TTIP: Der „Markt“ soll's richten | |
Das Freihandelsabkommen mit den USA liegt in Trümmern. Die Proteste könnten | |
trotzdem zu schwach sein, um den Vertrag mit Kanada zu kippen. | |
Kritik an Werbeversprechen: Trickserei auf der Verpackung | |
Gesunde Lebensmittel liegen im Trend. Die Hersteller werben damit | |
großspurig. Doch Verbraucherschützer kritisieren das als „Schönfärberei�… | |
Freihandelsabkommen TTIP: Schiedsgerichte rücken in weite Ferne | |
Die Verhandlungen zum Investorenschutz ISDS werden ausgesetzt, so | |
Kommissarin Malmström. Eine Anhörung dazu hatte vernichtende Ergebnisse. | |
Freihandel in der EU: Ein bisschen Transparenz gewagt | |
Eine EU-Kommissarin veröffentlicht erste TTIP-Dokumente – doch die meisten | |
sind PR-Texte. Neue oder geheime Aussagen finden sich darin nicht. | |
Eine neue Form der Kolonialisierung: „Das ist die echte Globalisierung“ | |
Bauern im Kongo kämpfen nicht mehr gegen Kolonisatoren aus Europa, sondern | |
gegen Landkäufer aus Brasilien. Sozialabbau und mächtige Konzerne gibt es | |
weltweit. | |
Freihandelsabkommen mit Kanada: Urheberrecht wird zementiert | |
Ein Grünen-Gutachten warnt davor, dass Ceta nötige Reformen in Europa | |
blockiert. Der Kopierschutz für CDs und DVDs würde bleiben. | |
Streit um Ceta: DGB misstraut Freihandel doch | |
Erst sprach sich der DGB für EU-Abkommen mit Kanada und den USA aus. Nun | |
soll wenigstens Ceta überarbeitet werden. Gabriel sieht das anders. | |
SPD im Europäischen Parlament: Gegen den Investorenschutz | |
Umstrittene Schiedsgerichte sind überflüssig, sagt der | |
Handelsausschuss-Vorsitzende Lange. Und widerspricht damit SPD-Chef | |
Gabriel. | |
Freihandelspakt mit USA: Mehr als eine Million gegen TTIP | |
Gegen den umstrittenen Freihandelspakt haben über eine Million Bürger | |
unterschrieben. Die Initiative Stop TTIP will die Petition am Dienstag in | |
Brüssel übergeben. | |
Kommentar SPD-Streit um TTIP: Gabriel und die Stinkbombe | |
Egal wie sich Sigmar Gabriel zum Freihandelsabkommen positioniert, er wird | |
sich unbeliebt machen. Das Thema ist ein politische „Stinkbombe“. |