| # taz.de -- Pegida in Köln und Berlin: Das Abendland bleibt in Dresden | |
| > In Dresden sind wieder Tausende bei der Pegida. Der Export des Phänomens | |
| > misslingt jedoch. In Köln und Berlin sind die Gegendemonstranten in | |
| > deutlicher Überzahl. | |
| Bild: Gegendemonstranten in Berlin | |
| BERLIN/KÖLN/DRESDEN taz | Erstmals hat sich an diesem Montag ein Aufmarsch | |
| der Pegida-Ableger in der größten nordrhein-westfälischen Stadt unter dem | |
| Titel „Köln gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (KöGiDa) angekündig… | |
| Es soll die bisher größte Kundgebung im Westen werden. Doch vor dem Deutzer | |
| Bahnhof versammeln sich nach Polizeischätzungen nur etwa 120 Leute. | |
| „Kartoffeln statt Döner“ steht auf einem der selbst gemalten Pappschilder. | |
| „Denkt an unsere Kinder“ auf einem anderen. 500 Leute hatte Veranstalter | |
| Sebastian Nobilé, ein bekannter extrem Rechter, angemeldet. Aufgerufen zu | |
| dem Aufmarsch hat auch die extrem rechte Wählervereinigung „Pro Köln“, | |
| einige Mitglieder sind auf dem Platz, der noch reichlich Raum bietet. | |
| Ganz anders ist die Lage schräg gegenüber vor dem Turm des | |
| Landschaftsverbands Rheinland. Dicht an dicht drängen sich die | |
| GegendemonstrantInnen an den Absperrgittern. Zu der Gegenkundgebung hat ein | |
| breites Bündnis aus mehr als 40 Kölner Organisationen aufgerufen, darunter | |
| Antirassismus- und Antifa-Gruppen, die AktivistInnen von der | |
| Künstlerinitiative „Arsch huh“, Lesben- und Schwulenverbände, | |
| Gewerkschaften, Parteien und Religionsgemeinschaften. | |
| Mehr als 2.000 Leute sind zu der größten der insgesamt vier | |
| Gegenkundgebungen gegenüber dem Bahnhofsvorplatz in Deutz gekommen, die | |
| Seitenstraßen und Zufahrtswege sind verstopft. Insgesamt sind einige | |
| Tausend gegen KöGiDa auf den Straßen. Viele haben Fahnen von Parteien oder | |
| Gewerkschaften dabei. Einige habe auch selbst Transparente gemalt. | |
| „Ihr seid eine Schande für unser Land“, steht auf einem Plakat, das Kathrin | |
| Bielefeld trägt. „Ich war viel im Ausland, ich bin immer freundlich | |
| empfangen worden“, sagt sie. Sie möchte, dass auch Deutschland weltoffen | |
| ist. Wenige Meter neben ihr steht Ina Dietrich gedrängt an ein | |
| Absperrgitter. „Ich habe Angst, dass die Pegida-Anhänger viele werden“, | |
| sagt sie. Sie fürchtet, dass die KöGiDa viel mehr SympathisantInnen hat als | |
| sich zu der Veranstaltung wagen. „Nazis raus“ ertönt immer wieder in | |
| Sprechchören. | |
| Auf der anderen Seite haben sie naturgemäß kein Verständnis für die | |
| GegendemonstrantInnen. Viele haben Deutschlandfahnen dabei. Anders als in | |
| Dresden redet man hier auch gar nicht ungern mit der Presse – ohne Namen, | |
| ohne Fotos. Allerdings wirken viele Antworten wie aus dem | |
| Klischee-Bilderbuch. | |
| „Ich habe nichts gegen Ausländer, ich will nur in Deutschland wohnen“, sagt | |
| eine Seniorin, die schon bei der Pegida-Demo in Bonn war. „Wir sind keine | |
| Nazis, ich möchte nur keine Moschee um mich herum haben“, sagt ihre | |
| Schwester. „Ich möchte meine Heimat schätzen.“ Die ältere Dame ärgert s… | |
| sehr über Angela Merkel. Die Abrechnung mit Pegida in der Neujahrsansprache | |
| der Kanzlerin hat sie erschüttert. „Das war eine schlimme Beleidigung für | |
| mich“, sagt sie. | |
| Auch der Herr in mittleren Jahren mit dem Schild „Lügen-Komplott – Politik | |
| – Presse“ redet bereitwillig mit der Presse. Seit acht Jahren liest er die | |
| FAZ nicht mehr und andere Tageszeitungen nur im Netz. „Es ist wichtig, dass | |
| die Leute die Angst vor der Obrigkeit verlieren“, sagt er. | |
| Aus dem Rechtsrheinischen wollten die „KöGiDa“-Anhänger ursprünglich üb… | |
| die Deutzer Brücke zum Kölner Dom ziehen, im dem Hausherr Dompropst Norbert | |
| Feldhoff aus Protest gegen den Aufmarsch vor seinen Toren das Löschen der | |
| Beleuchtung angekündigt hat. Unter dem Motto „Licht aus Für Rassisten“ | |
| hatten sich viele Institutionen wie die Industrie- und Handelskammer, der | |
| TÜV und der für die Brückenbeleuchtung zuständige Stromversorger der Aktion | |
| angeschlossen. | |
| Doch „KöGiDa“ verzichtete – angeblich wegen der vielen | |
| GegendemonstrantInnen – auf den Abendspaziergang im Dunkeln. „Das war eine | |
| schwierige Entscheidung, aber wir wollen keine Verletzten“, hieß es von der | |
| Bühne. Auf dem Platz wurden Blätter mit dem Text von „Die Gedanken sind | |
| frei“ verteilt, wenig später zog der kleine Trupp durch den Deutzer Bahnhof | |
| ab. | |
| ## Pegida in Dresden | |
| In Dresden gingen derweil wieder mehr als 10.000 Menschen im Namen der | |
| Pegida auf die Straße. Vom Lautsprecherwagen der Demo aus wurde eine | |
| Einladung an den sächsischen Ministerpräsidenten Tillich ausgesprochen, auf | |
| der Pegida zu sprechen. Die Teilnehmer kommentierten dieses Angebot jedoch | |
| eher abfällig. | |
| Mit nicht weniger Ablehnung wurde die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin | |
| Angela Merkel bedacht, als Redner darauf zu sprechen kamen. Das Motto wurde | |
| von einer Rednerin angesprochen: „An erster Stelle müssen nationale | |
| Interessen stehen.“ | |
| Auffällig an der Veranstaltung war nicht nur, dass sich von Mitgliedern der | |
| BüSo-Sekte bis zu Reichsbürgern viele verschwörungstheoretische Strömungen | |
| beteiligten, sondern dass sie ihren stark antiamerikanischen Tenor weit | |
| streuen konnte. Die USA seien verantwortlich für die Flüchtlingsströme der | |
| Welt, war von nicht wenigen Teilnehmern und Rednern zu hören. | |
| Ungefähr 300 Personen hatten sich zum traditionellen Friedensgebet in der | |
| Kreuzkirche eingefunden, wo Christian Behr, Superintendent der Kirche, mit | |
| der Stellungnahme, dass eine Kirche sich nicht aus allen politischen | |
| Konflikten heraushalten dürfe, thematisch mit der Pegida auf den Straßen | |
| der Stadt verknüpfte. Behr moderierte im Anschluss auch einen | |
| Dialogtreffpunkt am Straßburger Platz. Dort konnte vor einem Bauwagen | |
| reden, wer reden wollte. Auch Pegida-Anhänger nahmen das Angebot wahr, und | |
| demonstrierten wieder erheblich antiamerikanische Untertöne. | |
| Ein Redner übergab der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping | |
| (SPD) ein Themenpapier, worin er seine Angst vor der Islamisierung | |
| erläuterte. Die Ministerin erwiderte auf Kommentare über eine zu lasche | |
| Abschiebepraxis, dass auch sie sich wünsche, dass die Abschiebeverfahren | |
| beschleunigt würden. | |
| ## Pegida in Berlin | |
| Die Ankündigung einer Pegida-Veranstaltung auch in Berlin hat am Montag | |
| tausende Gegendemonstranten mobilisiert. Sie zogen durch Mitte oder | |
| versammelten sich am Brandenburger Tor, um ihren Unmut über Bärgida | |
| (Berliner Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes) zum Ausdruck | |
| zu bringen. Zur Demonstration von Bärgida selbst kamen deutlich weniger: | |
| Rund 200 Menschen versammelten sich am frühen Abend vor dem Roten Rathaus, | |
| begleitet von zahlreichen Journalisten. | |
| Darunter waren einige stramme Glatzköpfige, aber auch eher bürgerlich | |
| wirkende Leute. Die Männer waren in der Mehrheit. Einige trugen | |
| Deutschlandfahnen, jemand hielt ein Schild „Freiheit für Christen“ hoch. | |
| Eine Frau forderte auf ihrem Plakat „Kein Asyl für Muslime“. | |
| Mehrere hundert Gegendemonstranten in Rufweite machten ihrem Ärger | |
| lautstark Luft. Als sie versuchten, die Rechten zu stoppen, wurden die | |
| Blockade versucht von der Polizei zu räumen. | |
| Bereits am späten Nachmittag hatten die Proteste gegen Bärgida in Mitte | |
| begonnen. Das Bündnis gegen Rassismus sowie zahlreiche andere Gruppen | |
| hatten für 17 Uhr zum Protest aufgerufen. Trotz des ungemütlichen Wetters | |
| versammelten sich viele Gegendemonstranten am U-Bahnhof Klosterstraße. Laut | |
| Polizei hatte diese Demo um 18.30 Uhr rund 5.000 Teilnehmer. | |
| Einige Antifa-Fahnen waren zu sehen, aber auch Abzeichen von SPD, | |
| Linkspartei und Gewerkschaften. Ein Demonstrant hielt ein selbst | |
| gezeichnetes Plakat in die Luft, „Nie-wie-da!“ stand darauf. | |
| Die Stimmung war zunächst friedlich. Die Demonstration sollte laut | |
| Polizeisprecher Stefan Redlich über die Leipziger Straße bis in die | |
| Ebertstraße nahe dem Brandenburger Tor geleitet werden, sodass beide | |
| Aufzüge sich nicht direkt begegnen. Redlich zufolge waren insgesamt 800 | |
| Beamte rund um die Bärgida-Demo und die Proteste dagegen im Einsatz. Auch | |
| am Lustgarten und am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus kamen ab dem | |
| späten Nachmittag Bärgida-Gegner zusammen. Am Brunnen hatten die Grünen | |
| eine Kundgebung angemeldet. | |
| Die Türkische Gemeinde hatte für Montag ebenfalls zum Protest gerufen. Am | |
| Ende der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor versammelten sich ab | |
| 18 Uhr rund 500 Leute, deutlich weniger als die angemeldeten 10.000. Ältere | |
| und jüngere Migranten waren gekommen, aber auch viele Deutschstämmige. „Wir | |
| fordern alle: Stoppt die Hetze gegen den Islam“, war in verschiedenen | |
| Sprachen auf Plakaten zu lesen. Bekir Yilmaz, der Vorsitzende der | |
| Türkischen Gemeinde in Berlin, sagte, die wahre Gefahr gehe nicht etwa vom | |
| Islam aus, gegen den „mittlerweile fast alles erlaubt“ sei, sondern von | |
| Pegida, die die Gesellschaft spalte und Hass säe. | |
| Die Bärgida-Leute wollten am Abend vom Alexanderplatz die Straße Unter den | |
| Linden entlang bis zum Pariser Platz am Brandenburger Tor ziehen. Die | |
| Grünen-Fraktionsvorsitzende Ramona Pop hatte deshalb am Montag | |
| vorgeschlagen, die Beleuchtung des Brandenburger Tors aus Protest gegen | |
| Bärgida abschalten zu lassen. Das Brandenburger Tor dürfe keine Kulisse | |
| bieten für Menschen, die fremdenfeindlich, rassistisch und antisemitisch | |
| seien, sagte Pop in einem Radiointerview. | |
| Tatsächlich lag kurz nach 19.00 Uhr das Wahrzeichen der Hauptstadt im | |
| Dunkeln. Die Beleuchtung des Brandenburger Tores liegt in der Verantwortung | |
| der Senatskanzlei, die auch für die Kultur zuständig ist. | |
| SKR, MK, CLP, ALL aus Berlin; Anja Krüger aus Köln; Michael Bartsch aus | |
| Dresden | |
| 5 Jan 2015 | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Protest | |
| Berlin | |
| Schwerpunkt Pegida | |
| Dresden | |
| Köln | |
| Antisemitismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Pegida | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Pegida | |
| Schwerpunkt AfD | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Antisemitische Übergriffe in Berlin: Viele Vorfälle nicht bekannt | |
| Der Angriff auf einen jungen Israeli sorgte kürzlich in Berlin für | |
| Aufsehen. Nach einer aktuellen Studie werden viele antisemitische Vorfälle | |
| nicht bekannt. | |
| Flagge gezeigt für Flüchtlinge: „Rassisten sind Arschlöcher“ | |
| Bis zu 5.000 Menschen demonstrieren mit Klobürsten und Transparenten gegen | |
| die Pegida-Bewegung und die „Idiotisierung des Abendlandes“. | |
| Internationale Medien über Pegida: „Dunkelste rassistische Vorurteile“ | |
| Die Pegida-Demos sorgen in internationalen Medien für Aufsehen. Die warnen | |
| vor einer „nationalen populistischen Bewegung“ und freuen sich über die | |
| Gegendemos. | |
| Strategien gegen Pegida: „Wir Deutsche“ neu definieren | |
| Pegida zeige, dass es einen tiefen Riss in der Gesellschaft gebe, sagen | |
| führende Migrationsforscher. Es müsse anders über Zugehörigkeit gesprochen | |
| werden. | |
| Kommentar Pegida und Kögida: Grandios gescheitert | |
| In Köln kamen die Freunde des Abendlandes nicht durch. Aber stille | |
| Sympathie ist mobilisierbar, wenn die Voraussetzungen stimmen. | |
| Bärgida erfolgreich blockiert: „Wir sind die Mauer“ | |
| Der Berliner Pegida-Ableger kommt nicht vom Fleck, weil die Rechten von | |
| Gegendemonstranten blockiert werden. Die haben offensichtlich Spaß daran. | |
| Tausende bei Protesten gegen Pegida: „Licht aus für Rassisten“ | |
| Quer durch die Republik gingen Tausende für ein weltoffenes Land auf die | |
| Straße. In Berlin und Köln konnte der Marsch der Anti-Islamisten verhindert | |
| werden. | |
| Gewalt bei Pegida-Demo: Polizei ermittelt zu Angriff in Dresden | |
| Unter Applaus sollen Pegidisten in Dresden eine Gruppe Jugendlicher | |
| angegriffen haben. Nun reagiert die Polizei, bleibt aber zurückhaltend. | |
| Pegida und Ressentiment: Das blanke Nein | |
| Die Pegida-Demos ziehen vor allem verwirrte Einzelkämpfer und | |
| Rechtsradikale an. Doch daraus kann ein Muster illiberaler Demokratie | |
| werden. | |
| Pegida bekommt Hilfe aus Großbritannien: Mobilmachung der Islam-Gegner | |
| In Großbritannien ruft der Gründer der englischen Anti-Islam-Bewegung | |
| English Defense League dazu auf, nach Dresden zu fahren. | |
| Streit bei der Alternative für Deutschland: AfD vor dem Duell im Morgengrauen | |
| Die Alternative für Deutschland zerreißt sich wegen Personalia und Pegida. | |
| Bernd Lucke wird „Führung nach Gutsherrenart“ vorgeworfen. |