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# taz.de -- Sicherheitsmaßnahmen in Frankreich: Soldaten gegen Dschihadisten
> Präsident Hollande mobilisiert weitere 10.000 Armeeangehörige. Moscheen,
> Synagogen und jüdische Kindergärten werden bewacht.
Bild: Ein französischer Soldat bewacht den Eiffelturm
Eine ungewöhnliche Szene wurde am Sonntagabend immer wieder im Fernsehen
gezeigt: Ein Mann umarmt vor applaudierenden Demonstranten einen zuerst
sichtlich erstaunten, dann aber doch auch erfreuten Beamten der
„Republikanischen Sicherheitskompanien“ (Compagnies Républicaines de
Sécurité, CRS). Immer wieder wurden im Verlauf der Massenkundgebung gegen
den Terrorismus auch die massiv aufgebotenen Polizisten, Gendarmen und
andere Angehörige der Sicherheitskräfte von den Demonstranten mit
herzlichem Beifall bedacht.
Fast amüsiert meinten dazu französische Journalisten, eine solche Sympathie
und einen solchen Empfang bei einer Kundgebung seien gerade die Angehörigen
der CRS nun wirklich nicht gewohnt. Ihnen kommt in der Regel die undankbare
Aufgabe zu, mit Knüppel und Tränengas gegen Demonstranten vorzugehen. Heute
stehen sie auf derselben Seite, Frankreichs „Flics“ sind so populär wie
noch nie.
Drei Polizeibeamte sind von den Terroristen getötet worden, mehrere im
Einsatz schwer verletzt worden. Seit den Anschlägen stehen Polizisten rund
um die Uhr in der vordersten Front, um die Bürger zu schützen und in der
weiter laufenden Fahndung mögliche Komplizen der drei erschossenen
Attentäter zu finden.
Polizei und Gendarmerie – Letztere ist in Frankreich Teil der militärischen
Sicherheitsstruktur – wurden bei den Patrouillen auf den Straßen, in
Bahnhöfen und Flugplätzen und beim Schutz von Gebäuden bereits jetzt von
regulärem Militär unterstützt. Zudem will Präsident François Hollande für
die innere Sicherheit zusätzlich 10.000 Soldaten mobilisieren, die im
Rahmen der präventiven Schutzmaßnahmen eingesetzt werden. Am Montagmorgen
hat Hollande seinem Verteidigungsminister entsprechende Anweisungen
gegeben.
## Kein Aufatmen möglich
Das Militär ist bereits jetzt gut sichtbar: Vor der Nationalversammlung,
den Ministerien, aber auch vor der Kathedrale Notre-Dame, unter dem
Eiffelturm und anderen touristischen Sehenswürdigkeiten patrouillieren sehr
augenfällig mit Maschinenpistolen und Gewehren bewaffnete Soldaten in
schusssicheren Westen. Dieser größte innere Einsatz der Armee seit dem Ende
der Kolonialkriege symbolisiert, dass sich die Grande Nation im
Kriegszustand befindet und wie ernst der Staat die terroristische Bedrohung
nimmt.
Namentlich werden neben zahlreichen Moscheen und Synagogen auch alle
insgesamt 717 jüdischen Schulen in Frankreich streng bewacht. Es wird
vermutet, dass diese wie schon 2012, als der Terrorist Mohammed Merah in
Toulouse vor einer jüdischen Schule drei Kinder und einen Lehrer
massakrierte, ein mögliches weiteres Angriffsziel für islamistische
Extremisten sein könnten.
Inzwischen vermutet man nämlich auch, dass der Pariser
Supermarkt-Geiselnehmer Amedy Coulibaly am Donnerstag in Montrouge
eigentlich einen Anschlag auf die jüdische Schule Yaguel Yaacov plante,
dann aber stattdessen in der Nähe auf zwei Polizisten schoss.
Für eine Entwarnung und ein erleichtertes Aufatmen ist es jedenfalls zu
früh. Premierminister Manuel Valls bestätigte gestern, dass die Fahndung
nach mutmaßlichen Komplizen und Helfern von Coulibaly und den Brüdern
Kouachi intensiv fortgesetzt wird. Mehrere Angehörige der drei waren in der
letzten Woche zum Verhör festgenommen worden. Anschließend wurden alle
wieder freigelassen, da offenbar nichts gegen sie vorliegt.
## Islamisten isolieren
Außerdem versucht die Terrorabwehr, Lehren aus den jüngsten Anschlägen zu
ziehen. Um zu vermeiden, dass die Gefängnisse den inhaftierten Islamisten
zur Verbreitung ihrer Idee und zum Rekrutieren dienen, sollen diese
vermehrt von nun an von anderen Häftlingen isoliert werden.
Besonderes Augenmerk gilt aber auch der Prävention im Bildungssektor. Viele
Lehrer waren total schockiert über das Verhalten gewisser Jugendlicher, als
am Donnerstag eine Schweigeminute für die Toten in der Redaktion des
Satiremagazins Charlie Hebdo abgehalten wurde.
In rund 70 Schulen gab es Zwischenfälle und Boykotte, vereinzelt wurden die
Opfer sogar verhöhnt – und die Attentäter gefeiert. Erziehungsministerin
Najat Vallaud-Belkacem traf sich gestern mit Elternorganisationen,
Lehrergewerkschaften und Schülervertretern, um zu beraten, wie im
Bildungssektor die Erziehung zu den Grundwerten der Republik verbessert
werden kann.
## Jagd auf Sympathisanten
Auch im Internet wird verstärkt Jagd auf Sympathisanten des terroristischen
Dschihad gemacht. Denn im Schatten der breiten Empörung und Solidarität
gegen die Attentäter gab es auch eine Flut von Beschimpfungen der Opfer und
Gratulationen für die Täter. Wer auf sozialen Netzwerken den
Charlie-Hebdo-Attentätern applaudiert, wird (wie bereits mehr als 3.000
Twitter- und Facebook-Nutzer) von den französischen Sicherheitsorganen
registriert.
In Straßburg läuft gegen einen 30-Jährigen ein Strafverfahren wegen
Verherrlichung von terroristischen Verbrechen. Die dafür vorgesehene
Höchststrafe beträgt sieben Jahre Haft. Die Internetprovider sind gehalten,
anstößige Inhalte innert 24 Stunden der Justiz zu melden und zu blockieren.
All diese Verschärfungen und Präventivmaßnahmen werden von einer breiten
Mehrheit der Französinnen und Franzosen gebilligt. Dennoch ist man sich in
Frankreich auch im Klaren darüber, dass solchen Kontrollen und Gesetze im
Stil eines „Patriot Act“ (wie in den USA nach dem 11. September 2001)
ausgerechnet im Namen der Verteidigung der Demokratie die individuelle
Freiheit einschränken können.
12 Jan 2015
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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