# taz.de -- Dresden unter Versammlungsverbot: Kummerkasten für besorgte Bürger | |
> Am Montagabend bleibt es ruhig in Dresden. Das Versammlungsverbot ist | |
> durchgesetzt, nur wenige verirren sich auf den Opernplatz und diskutieren | |
> mit der Polizei. | |
Bild: Kerzen vor der Semperoper, mehr gibt es nicht zu sehen. | |
DRESDEN taz | „Die Sache ist durch", meint ein junger Polizeibeamter, bevor | |
er am Dresdner Theaterplatz gegen 20 Uhr in seinen Mannschaftswagen steigt. | |
Zu nennenswerten Kollisionen mit etwa 200 hartnäckigen Pegida-Anhängern ist | |
es nicht gekommen. | |
Hier, zwischen Semperoper und Hofkirche, wollte Pegida am Montagabend | |
ursprünglich eine weitere stationäre Kundgebung abhalten. Das umstrittene | |
generelle Versammlungsverbot, das Polizeipräsidium und Innenministerium | |
wegen angeblicher Terrordrohungen ausgesprochen hatte, verhinderte diese | |
Versammlung ebenso wie die Gegendemonstrationen. | |
Punkt 18.30 Uhr, zur üblichen Sammelzeit von Pegida, fuhr dennoch ein | |
hupender Autocorso betont langsam am Theaterplatz vorbei. Einige wenige | |
Scharfmacher wollen sich „die Sache nicht aus der Hand nehmen lassen", und | |
Einzelne reagieren mit hysterischen Rufen nach Demonstrationsfreiheit auf | |
die Aufforderung der Polizei, den Platz zu verlassen. Ein einzelner | |
Gegendemonstrant in Warnweste schafft auch nur eine Runde um das | |
König-Johann-Denkmal vor der Oper. Er trägt ein Schild „Je suis Lutz", eine | |
makabre Anspielung auf den angeblich von Islamisten geplanten Anschlag auf | |
Pegida-Häuptling Lutz Bachmann. | |
Die Mehrzahl der verhinderten Demonstranten aber trinkt aus den | |
mitgebrachten Bierflaschen oder schlendert hinüber zur Glühweinbude am | |
Italienischen Dörfchen. Die Polizei, und nicht nur deren geschulte | |
Kommunikationsteams, findet sich in einer ungewohnten Rolle als | |
Kummerkasten und Sozialtherapeut wieder. Geduldig hören die Beamten den | |
frustrierten Bürgern zu und überzeugen sie schließlich, zur Fortsetzung der | |
Diskussion untereinander besser eine Kneipe aufzusuchen. Dabei müssen sie | |
die Verbotsentscheidung ihres Polizeipräsidenten Dieter Kroll gegen | |
durchaus plausible Argumente verteidigen. „Glauben Sie, dass Punkt null Uhr | |
die Terrorgefahr vorbei ist?", fragt ein erregter Pegidist. | |
## Flyer mit Verschwörungstheorien | |
Ein nicht minder erregter Wortführer am Glühweinstand möchte am liebsten | |
die laufende Oper stürmen und ein Pfeifkonzert veranstalten. Einen Tisch | |
weiter entdeckt man den NPD-Kader René Despang. Moderat äußert sich | |
hingegen eine ältere Dame. „Ich sehe es so, dass mir heute meine | |
verfassungsmäßigen Rechte genommen worden sind", sagt sie, als hätte sie | |
die Einlassungen der Kanzlerin zum hohen Gut der Versammlungsfreiheit schon | |
gehört. | |
Ansonsten nutzen Pegida-Randgruppen ihre Chance. „Staatenlos.info", deren | |
Plakate bei den Demos von Ordnern sonst entfernt werden, verteilt Flyer, | |
die an die Argumente der „Reichsbürger" erinnern. Ein Typ in | |
Zimmermanns-Uniform bietet ebenfalls Handzettel mit krausen | |
Weltverschwörungstheorien an. | |
Ruhig bleibt es an diesem Abend auch deshalb, weil offensichtlich keine | |
„Linksextremisten" vom zivilen Dresdner Widerstand zu sehen sind, die hier | |
als durchweg vermummt und gewalttätig diskutiert werden. Völlig ins Leere | |
läuft aber auch der Pegida-Aufruf, Kerzen in die Fenster zu stellen und | |
Flagge zu zeigen. Ausgerechnet am König-Johann-Denkmal, dem | |
Dante-Übersetzer und wahrscheinlich gebildetsten sächsischen König, brennen | |
einige Kerzen über einer Fahne im Taschenformat. | |
19 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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