| # taz.de -- Debatte Ölpreise: Die Frackingblase | |
| > Bei einem Ölpreis von 50 Dollar wird in Texas und Dakota täglich Geld | |
| > verbrannt. Doch der kolportierte Preiskrieg der Saudis ist eine Fiktion. | |
| Bild: Mit der Stellschraube für die Ölförderung wird auch der Preis bestimmt. | |
| Vielleicht hat der Ölpreis jetzt endlich einen Boden gefunden: Nach sieben | |
| Monaten Talfahrt hechelt er relativ konstant knapp unterhalb der | |
| 50-Dollar-Marke. Ein Minus von 60 Prozent seit dem Sommer, das hat niemand | |
| für möglich gehalten. Ein so spektakulärer Absturz lädt die Weltendeuter | |
| geradezu ein, geopolitische Verschwörungstheorien und finstere Komplotte | |
| auszumalen. | |
| Saudis gegen Amis, Saudis gegen Iran, alle zusammen gegen die Russen. Wenn | |
| man nur banale Erklärungen für den Preisverfall hat – eingeknickte | |
| Nachfrage, hohes Angebot, plus Kasinospiele der Spekulanten – dann | |
| imaginiert man eben eine der Dramatik angemessene Story vom großen | |
| Ölpreiskrieg. | |
| Die gängigste Version unterstellt, dass die Saudis mit Hilfe des niedrigen | |
| Ölpreises der US-Frackingindustrie das Licht ausblasen will. Deshalb | |
| weigere sich das Königreich hartnäckig, seine Produktion zu drosseln, um | |
| mit einem künstlich verknappten Ölangebot den Preisverfall zu stoppen. | |
| Dahinter steckt das alte Bild vom verschlagenen Ölscheich, der „mit unserem | |
| Öl“ Spielchen treibt. Saudi-Arabien ist eng mit den USA verbündet und auf | |
| deren Schutz angewiesen, einen offenen Angriff auf die US-Energiebranche | |
| kann das Königreich nicht riskieren. Saudi-Arabien steht schlicht vor der | |
| Wahl, seine Förderung entweder stabil zu halten und damit wegen des | |
| taumelnden Ölpreises weniger zu verdienen oder die Produktion tatsächlich | |
| erheblich zu drosseln, damit aber seine Einnahmeverluste zu eskalieren und | |
| gleichzeitig auch noch Marktanteile zu verlieren. | |
| Die Entscheidung ist klar. Dass die teuer produzierende Konkurrenz mit | |
| ihren Hightech- und Fracking-Ölen derzeit riesige Verluste einfährt, ist | |
| für die Saudis ein angenehmer Mitnahmeeffekt, aber keine gezielte | |
| Strategie. Das Land fördert seit Langem auf gleichbleibendem Niveau und hat | |
| zu Zeiten hoher Ölpreise bis Juni 2014 absolut nichts unternommen, um den | |
| Preis in den Keller zu treiben und die Konkurrenz zu attackieren. | |
| Saudi-Arabien wird gern als Swing-Producer bezeichnet, der seinen Ausstoß | |
| angeblich nach Belieben regulieren kann. Doch genau dies wird immer | |
| schwieriger, weil der Druck in den uralten Ölfeldern sinkt und durch | |
| ständige Infusionen künstlich aufrechterhalten werden muss. Die | |
| geologischen Verhältnisse sind kompliziert, die Förderung zu optimieren | |
| wird mehr und mehr zur technischen Herausforderung. Jede Drosselung oder | |
| Erhöhung gefährdet das labile Gefüge. | |
| ## Kollaps der Frackingindustrie | |
| Erstaunlicherweise stellt niemand die naheliegende Frage, warum eigentlich | |
| nicht die USA ihre Förderung drosseln. Sie haben schließlich durch heftige | |
| Steigerungen von 4 Millionen Barrel täglich seit 2008 das Überangebot am | |
| Markt geschaffen und damit den Sturz des Ölpreises wesentlich mit | |
| verursacht. Während in manchen US-Medien und -Blogs noch gefeixt wird, dass | |
| der Ölpreis jetzt die Schurkenstaaten Venezuela und Iran, aber auch die | |
| Hassfigur Putin in die Enge treibt, wird übersehen, dass auch die heimische | |
| Frackingindustrie kollabiert. | |
| Mit dem texanischen Fracker WBH Energy musste das erste Unternehmen bereits | |
| Konkurs anmelden. Die Zahl der Bohrplattformen in den Frackinggebieten | |
| verzeichnet den schärfsten Rückgang seit Beginn der Zählungen: von 1.609 im | |
| Oktober auf aktuell nur noch 1.366. | |
| Auf 80 bis 85 Dollar beziffert der angesehene US-Marktbeobachter Arthur | |
| Berman die Rentabilitätsschwelle für Fracking. Marktführer Continental | |
| Resources, die Nummer eins in der sogenannten Bakken-Formation, der | |
| wichtigsten Fracking-Region der USA und Kanadas, hat im dritten Quartal | |
| 2014 schon bei einem Ölpreis von 90 Dollar grottenschlechte Zahlen | |
| abgeliefert. Jetzt ist der Preis aber unter 50 Dollar gerutscht! Und er | |
| scheint es sich dort gemütlich zu machen. Man muss kein Ökonom sein, um die | |
| Folgen vorherzusagen. An jedem Tag wird mehr Geld verbrannt. Und irgendwann | |
| ist Feierabend. | |
| ## Zurückgehende Öl-Investionen | |
| Um eine Panik unter Investoren und Banken zu verhindern, demonstriert die | |
| Frackingindustrie Coolness. Man könne auch mit einem Ölpreis von 70 Dollar | |
| leben, hieß es im Herbst. Dann wurde die Rentabilitäts- und Schmerzgrenze | |
| analog zum trudelnden Ölpreis auf 60 Dollar gesenkt. Aber jetzt liegen wir | |
| unter 50 Dollar. Der Break-even wird zum Knetgummi, der an jeden weiteren | |
| Preissturz angepasst wird – weil man das Umfeld sedieren muss. | |
| Finanziert wird die Frackingblase mit den üblichen Woodoo-Economics, vor | |
| allem mit „High-Yield-Bonds“: Anleihen mit hoher Verzinsung für Unternehmen | |
| mit trüber Bonität. Wie lange kann man die Anleihen noch bedienen? „Die | |
| meisten Frackingfirmen wären nach deutschem Recht längst pleite“, sagt der | |
| Energieexperte Jörg Schindler. Doch platzt die Frackingblase, würde das | |
| auch den Wirtschaftsaufschwung der USA gefährden. | |
| ## Schwindelerregendes Tempo | |
| Inzwischen haben die beiden wichtigsten Institute der Energiewissenschaft, | |
| die Internationale Energie Agentur der OECD und die US-amerikanische Energy | |
| Information Administration ihre Prognosen korrigiert. Sie erwarten einen | |
| leichten Einbruch beim Fracking in der zweiten Jahreshälfte und weltweit | |
| ein moderat zurückgehendes Öl-Angebot. Doch die Investitionen im Ölgeschäft | |
| werden derzeit überall in schwindelerregendem Tempo zurückgefahren. | |
| Allein Shell kürzt seine Investitionen bis 2018 um 15 Milliarden Dollar, | |
| ebenso canceln Chevron, BP oder Total bis zu einem Drittel ihrer Projekte. | |
| Wenn aber alle gleichzeitig und mit Wucht auf die Bremse treten, ist keine | |
| sanfte Landung möglich. Die weltweite Ölförderung und -versorgung könnte | |
| mit zeitlicher Verzögerung von zwei, drei Jahren ebenso ruckartig | |
| einbrechen wie jetzt der Ölpreis. Der würde dann wieder fliegen lernen. | |
| Vorhersagen zur Preisentwicklung sind allerdings unseriös, weil jedes | |
| einzelne Ereignis in den Förderregionen, jede neue Krise die Ausgangslage | |
| sofort verändert. Nur eines ist sicher. Die Förderung des konventionellen, | |
| also leicht zugänglichen „normalen“ Öls geht seit fast zehn Jahren zurüc… | |
| Das teure Hightech-Öl soll diese Lücke schließen. Das kann bei einem | |
| Fasspreis von 50 Dollar nicht funktionieren. | |
| 5 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Kriener | |
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