# taz.de -- „Schwarzes Kino“ auf der Berlinale: Gangsterfilme aus Südafrika | |
> Tonie van der Merwes Filme zielten auf das Publikum in den Townships ab. | |
> Deren Bewohner wurden von der staatlichen Filmindustrie bis dahin | |
> ignoriert. | |
Bild: „Umbango“ entstand 1988, als das Fördersystem für „schwarzes Kino… | |
Ein verlässliches Highlight im Programm des Forums sind die immer wieder | |
verblüffenden Wiederentdeckungen aus den entlegensten | |
National-Kinematografien des Weltkinos. In diesem Jahr steht Südafrika zur | |
Hochzeit der Apartheid im Fokus: mit zwei Filmen des Low-Budget-Produzenten | |
Tonie van der Merwe, der in den 70er-Jahren so was wie ein südafrikanischer | |
Roger Corman war. | |
Van der Merwe produzierte Genrefilme, die unverkennbar vom US-Kino | |
beeinflusst waren. Mit der Bevölkerung in den Townships hatte er ein | |
Publikum ausgemacht, das von der staatlich subventionierten Filmindustrie | |
bis dahin ignoriert worden war. In diese Marktlücke stieß er 1971 mit | |
seinem Blaxploitationfilm „Joe Bullet“, der ersten südafrikanischen | |
Filmproduktion mit einer ausnahmslos schwarzen Besetzung. Der Film löste | |
eine Welle von Gangsterfilmen aus, die bei der Jugend von Kapstadt auf | |
großen Zuspruch stießen. | |
Van der Merwe erwies sich auch in anderer Hinsicht als cleverer | |
Geschäftsmann: Weil im segregierten Südafrika keine Infrastruktur für ein | |
schwarzes Publikum existierte, finanzierte er mobile Kinos, über die seine | |
Filme auch abgelegene Regionen erreichten. „Joe Bullet“ ist einer von zwei | |
Filmen, die im Forum zu sehen sind. Und man sollte keinesfalls den Fehler | |
begehen, „Joe Bullet“ – wie auch die zweite Produktion, den Western | |
„Umbango“ von 1988 – als bloßes Kuriosum zu verstehen. | |
Gemessen an B-Movie-Standards des „westlichen“ Genrekinos hat die | |
rudimentäre Machart zwar etwas Rührendes. Doch in der südafrikanischen | |
Filmgeschichte stellt der Film einen Meilenstein dar. Seine Reputation (die | |
Zensurbehörden kassierten ihn nach zwei Vorführungen ein) war | |
ausschlaggebend für die Einführung eines Fördersystems für ein „schwarzes… | |
Kino, das bis Ende der 80er Jahre gut 1.600 Filme hervorbrachte. | |
## In weiße Filmindustrie eingebettet | |
Die Diskussionen um diese „B-Scheme“-Produktionen ähneln denen um den | |
US-amerikanischen Blaxploitationfilm der 70er Jahre, denn natürlich war | |
dieses Genrekino in eine weiße Filmindustrie eingebettet. Mehr noch: Ein | |
paralleles Fördersystem für schwarze Filmschaffende (mit weißen Produzenten | |
und Regisseuren) zementierte auf Jahrzehnte hinaus auch in der | |
südafrikanischen Filmindustrie die Segregation. | |
Dennoch veränderten diese Filme die kulturelle Landschaft in Südafrika | |
nachhaltig. Schon „Joe Bullet“ mit dem Filmstar Ken Gampu war eine Ansage. | |
Auch Gampus Kostars Abigail Kubeka und Cocky Tlholthalemaje waren damals | |
bekannte Musiker, die ein beachtliches Identifikationspotenzial für ein | |
junges Publikum ermöglichten. Insofern könnte man „Joe Bullet“ als eine A… | |
„Black Power“-Film bezeichnen – weniger in politischer Hinsicht als wegen | |
der selbstbewussten Zurschaustellung kultureller Identität. | |
Mit „Ngomopha“ drehte Van der Merwe 1974 auch den ersten Film auf isiZulu. | |
Sein Western „Umbango“ entstand 1988, als sich das Fördersystem durch | |
Korruption bereits weitgehend ausgehöhlt hatte. Er war der krönende | |
Schlusspunkt einer erstaunlichen Mangelökonomie, die am finanziellen Tropf | |
eines rassistischen Regimes hing, aber auch von diesem profitierte. | |
Wenn man heute sieht, mit welcher physischen Präsenz Gampu in „Joe Bullet“ | |
durch einen hanebüchenden Plot um Korruption im Fußball pflügt, wundert es | |
nicht, dass er später an der Seite von Anthony Quinn und Burt Lancaster | |
noch eine zweite Karriere in Hollywood hinlegte. | |
14 Feb 2015 | |
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