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# taz.de -- Experte über Legalisierung von Drogen: „Keine kriminellen Zombie…
> In „Von Repression zu Regulierung“ fordert José Campero das Ende des
> Kriegs gegen die Drogen. Dieser helfe vor allem der organisierten
> Kriminalität.
Bild: Eine Frau inspiziert eine Hanfpflanze auf der ersten Cannabis-Messe in Ur…
taz: Herr Campero, wie groß ist Ihre Hoffnung, dass Ihre drogenpolitischen
Vorschläge umgesetzt werden?
José Campero: Die politische Debatte über Drogenpolitik hat sich drastisch
verändert. Vor vier, fünf Jahren gab es noch keinen weltweit bedeutenden
Politiker, der eine Veränderung forderte. Heute gibt es in vielen Ländern
solche Stimmen, und sie haben politischen Rückhalt. Auch wenn über die
Details nicht immer Einigkeit herrscht: Die Forderung nach einem Ende des
Paradigmas vom „Krieg gegen die Drogen“ wird immer lauter.
Aber in der Politik hat sich das bislang nicht in Form von konkreten
Veränderungen niedergeschlagen …
Doch – wenn auch nicht in dem Tempo, wie ich es mir wünschen würde. Aber
wir machen heute konkrete Erfahrungen in einigen Bundesstaaten der
Vereinigten Staaten und in Uruguay, wo die Legalisierung und Regulierung
von Cannabis inzwischen durchgesetzt ist. Dazu kommen Erfahrungen mit der
Legalisierung von Cannabis aus medizinischen Gründen, manchmal zunächst auf
lokaler Ebene, in einigen weiteren Ländern.
Zusammengenommen bedeutet das eine Bereitschaft zu einer Politik der
Schadensreduzierung. Die kennen wir auch aus einigen europäischen Ländern
als Teil der öffentlichen Gesundheitspolitik. Bislang aber war sie nicht
mit der Forderung nach einer insgesamt veränderten Drogenpolitik verbunden
– heute schon.
Sie haben die Beispiele einer Liberalisierung von Cannabis genannt. Sie
wollen aber auch Kokain und synthetische Drogen legal regulieren, doch
darüber redet kaum jemand.
Man muss die politischen Verhältnisse berücksichtigen und Schritt für
Schritt vorgehen, statt alles auf einmal zu fordern. Deshalb ist es
richtig, mit Marihuana anzufangen – zumal das die weltweit am meisten
konsumierte Droge ist, die dem organisierten Verbrechen auch die meisten
Umsätze beschert. Von den rund 380 Milliarden Dollar Jahresumsatz mit
Drogen entfallen mehr als 100 Milliarden auf Marihuana, gefolgt von Kokain
mit rund 80 Milliarden und den Opiumderivaten. Ich hoffe, dass die
Erfahrungen, die mit der Legalisierung von Marihuana gemacht werden, auch
dazu führen, dass andere Drogen folgen.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Hindernisse für eine grundlegende
Veränderung der Drogenpolitik?
Einer der wirksamsten Mechanismen des Paradigmas vom „Krieg gegen die
Drogen“ war es, uns allen die Vorstellung einzuimpfen, dass Drogen
furchtbare, teuflische Wirkungen hätten. Als ob jeder, der einmal Drogen
nimmt, sich automatisch in einen sozial abstürzenden kriminellen Zombie
verwandeln würde. In Wirklichkeit betreiben mehr als 90 Prozent aller
Drogenkonsumenten weltweit einen verantwortungsbewussten und kontrollierten
Konsum. Mit diesen öffentlichen Vorurteilen gegen jede
Legalisierungspolitik aufzuräumen, dürfte die schwerste und wichtigste
Aufgabe sein. Da hilft nur geduldige Aufklärung über die tatsächlichen
Gesundheitsrisiken – und über die unglaublichen Verdienstspannen, die die
Prohibition in die Kassen des organisierten Verbrechens spült.
Gibt es immer noch diese Angst von Politikern, als Förderer von
Drogenkonsum angesehen zu werden, wenn sie sich für Reformen einsetzen? So
wie ich als Vater ins Schwitzen komme, wenn ich meinen pubertierenden
Söhnen erkläre, dass ich für die Legalisierung bin, aber dagegen, dass sie
kiffen?
Genau so ist es. Politiker haben Angst, eine Wählerschaft aufzuklären und
drogenpolitisch zu erziehen, wenn sie das die Wahl kosten könnte. Das ist
ein strukturelles Problem. Es könnte Jahrzehnte dauern, aus diesem Dilemma
herauszukommen.
In Lateinamerika ist die neue Qualität der Debatte auch der extremen Gewalt
des sogenannten Drogenkriegs geschuldet, die tatsächlich immer mehr als
Ergebnis der Prohibitionspolitik verstanden wird. Aber wenn Veränderungen
womöglich Jahrzehnte dauern, fällt doch die Idee weg, durch eine
Legalisierung könnten die Kartelle entscheidend geschwächt werden – oder?
Die organisierte Kriminalität ist ein komplexes Organisationsgebilde, dass
nicht ausschließlich vom Drogenhandel lebt, mitunter nicht einmal
hauptsächlich davon. Insofern reduziert man mit einer Regulierung und
Legalisierung zwar deren Einkünfte – es wäre aber eine Illusion zu glauben,
sie würde dann verschwinden. Es kann sogar sein, dass sie, wenn ihr eine
Einkommensquelle genommen wird, noch schneller andere Geschäftsfelder
ausbaut, etwa Waffen- oder Menschenhandel.
Dann kann der Kampf gegen die Einnahmequellen der Kriminellen aber nicht
das Hauptargument für eine Legalisierung sein. Was sonst?
Es ist ein Argument – man darf nur nicht behaupten, dass damit die
organisierte Kriminalität verschwinden würde. Aber wenn man Drogen
legalisiert und staatlich reguliert, nimmt man damit einerseits der
organisierten Kriminalität Einkünfte und schafft gleichzeitig selbst
welche. Die kann man einsetzen – sowohl für Gesundheitspolitik als auch für
einen intelligenten Kampf gegen das organisierte Verbrechen.
2016 wird die lang geplante Sonderkonferenz der UN-Generalversammlung zur
Drogenpolitik stattfinden. Gibt es denn von reformorientierter Seite klare
gemeinsame Vorschläge?
Lateinamerika spricht bei diesem Thema leider nicht mit einer Stimme. Von
Seiten einiger großer NGOs wird es Vorschläge geben, vor allem aus den USA,
was das Thema Cannabis angeht.
Es gibt eine Reihe sehr weitreichender Vorschläge, aber in den Erklärungen
der lateinamerikanischen Regionalgipfel der letzten Jahre findet sich davon
nichts wieder. Warum nicht?
Die Zivilgesellschaft ist der Politik um Längen voraus. Selbst die
lateinamerikanischen Regierungen, die linken Ideen anhängen, sind
mindestens in drei gesellschaftlichen Fragen unglaublich konservativ:
Drogenlegalisierung, Homo-Ehe und legale Abtreibungen. Das ist nichts
Neues: Die meisten Fortschritte kommen aus der Gesellschaft und müssen
durchgekämpft werden. Nicht nur in Lateinamerika.
15 Feb 2015
## AUTOREN
Bernd Pickert
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