Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Drogen aus Tiermedikamenten: Hundsmäßig druff
> Partygänger, Sportler und Prostituierte haben neue Wege gefunden, um sich
> zu dopen: Ketamin ist nicht das einzige Tiermedikament, das konsumiert
> wird.
Bild: Tanzen bis der Arzt kommt – dank Ketamin.
Als sich der Club Kaffee Burger in Berlin-Mitte vor zwei Jahren neue Sessel
anschaffte, fand man in der Polsterung der alten etliche Tütchen mit
Ketaminkristallen – zum Schnupfen. Vermutlich hatten Drogendealer sie dort
deponiert und versäumt, sie wieder abzuholen.
Der in der Tiermedizin unter anderem für die Narkose von Pferden
eingesetzte Stoff gilt seit einigen Jahren schon als beliebte Partydroge
und ist verwandt mit Phencyclidin (auch „Angle Dust“ genannt) und mit dem
Opioid Pethidin. Laut dem [1][Informationsportal drogen-info-berlin] ist
„die Erzeugung einer dissoziativen Anästhesie“ charakteristisch für die
Wirkung von Ketamin: „Darunter wird die Erzeugung von Schlaf- und
Schmerzfreiheit unter weitgehender Erhaltung der Reflextätigkeit,
insbesondere der Schutzreflexe, verstanden.“
Man kann also nächtelang feiern und tanzen, ohne dass Kopf und Körper müde
werden. Zudem wird der Stoff derzeit als Antidepressivum getestet und
scheint an der Berliner Charité vor allem bei bisher als therapieresistent
geltenden Patienten eine positive Wirkung zu haben.
Ketamin, das pro Gramm zwischen zehn und 50 Euro kostet, ist das vielleicht
bekannteste, aber bei Weitem nicht einzige Tiermedikament, das bei
Drogenkonsumenten Anklang findet. Ein anderes Beispiel ist etwa
Caniphedrin, das zur Behandlung der Harninkontinenz bei Hündinnen nach der
Kastration zugelassen ist. Es enthält L-Ephedrinhydrochlorid, das zusammen
mit weiteren Alkaloiden in Pflanzen der Gattung Ephedra vorkommt.
In der chinesischen Medizin wird es seit über 5.000 Jahren als
Kreislaufstimulans, Fieber- und Hustenmittel verwendet. In Tierexperimenten
bewirkte die Reinsubstanz Ephedrin Bronchienerweiterung, Entspannung des
Darms, Pupillenerweiterung, Stimulation des zentralen Nervensystems und
eine Senkung des Urinvolumens, weshalb es sich besonders für die Behandlung
frisch kastrierter Hündinnen eignet. Menschen dagegen bevorzugen das auf
dem Schwarzmarkt in Form von Tabletten erhältliche Caniphedrin zum
Muskelaufbau im Bodybuilding und als Dopingmittel im Sport.
## Entzugsmittel bei Alkoholkrankheit
Eine weitere Partydroge, die sich derzeit vor allem im Berliner Nachtleben
großer Beliebtheit erfreut, ist GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure). Die in der
Veterinärmedizin unter dem Namen Somsanit als Basisanästhetikum verwendete
Substanz wurde 1960 als verschreibungspflichtiges Medikament zugelassen.
Seither findet GHB Anwendung als Entzugsmittel bei Alkoholkrankheit, aber
auch – ähnlich wie Ketamin – als Antidepressivum.
Bei niedriger Dosierung nämlich wirkt GHB entspannend bis angstlösend.
Mittlere Dosen hingegen können sexuell anregend bis absolut enthemmend
wirken sowie Gedächtnisstörungen auslösen, weshalb der Stoff auch
hinlänglich als sogenannte Rape Drug bekannt ist, also Frauen und Männern
oft unbemerkt ins Getränk gemischt wird, um sie bewusst- und wehrlos zu
machen.
Für sexuelle Zwecke hält auch das Rindermastmittel Oradexon her, das zu den
Corticosteroiden zählt und einem synthetisch nachgebildeten Steroidhormon
gleicht. In Indien wird diese Droge von Bordellbetreibern und Zuhältern
„ihren“ (oft noch minderjährigen) Prostituierten verabreicht, damit ihre
Brüste wachsen und sie generell üppiger werden – so wie es den Männern dort
gefällt. Oradexon wirkt schnell, verursacht aber auch Bluthochdruck,
Kopfschmerzen, Hautausschlag, sogar Diabetes – und macht extrem süchtig,
wie diverse Experten warnen.
## Meth für die Fische
Was aber passiert, wenn man es mal umkehrt und Tieren Drogen verabreicht,
die eigentlich für den Konsum durch Menschen gedacht waren? Ein Bekannter
erzählte mal von einem Typen namens Bernd, der zu Hause ein Aquarium besaß,
mit großen und kleinen Fischen. Die kleinen, obwohl in der Überzahl, hatten
unter den großen gelegentlich zu leiden.
Vor einiger Zeit nahm er einmal Crystal Meth (das übrigens ebenso wie
Ephedrin zu Substanzklasse „Amphetamine“ gehört), einige der übrig
gebliebenen Kristalle warf er zu den Fischen ins Wasser. Daraufhin
verkrochen sich die großen Fische hinter Steinen und Pflanzen, während sich
die kleinen zunächst unter der Wasseroberfläche sammelten. Dann schwammen
sie plötzlich zu den großen und attackierten sie – so lange, bis diese tot
waren.
Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, es war schon mal ein besseres.
26 Feb 2015
## LINKS
[1] http://www.drogen-info-berlin.de/
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Oradexon
Drogen
Drogen
Scheiße
Arbeitsplätze
Cannabis
Opium
Drogenpolitik
Erbe
Auf 13 Joints mit Helmut Höge
## ARTIKEL ZUM THEMA
Forscher über Drogenkonsum bei Tieren: Kiffende Delfine und besoffene Igel
Rentiere lieben Fliegenpilze, Kängurus Mohnkapseln und Meerkatzen
Cocktails: Unter Tieren sind Drogen weit verbreitet, sagt der
Wissenschaftler Mario Ludwig.
Kulturgeschichte des Humus: Aus Scheiße Rosinen machen
Exkremente sind wichtig für die Agrikultur, bemerkte schon Karl Marx. Nur
weiß das in westlichen Ländern kaum noch jemand.
Neue DAK-Studie: „Hirndoper“ am Arbeitsplatz
Doping im Job nimmt zu. Zu diesem Ergebnis kommt einen neue DAK-Studie.
Drei Millionen Beschäftigte schlucken demnach leistungssteigernde Pillen.
Experte über Legalisierung von Drogen: „Keine kriminellen Zombies“
In „Von Repression zu Regulierung“ fordert José Campero das Ende des Kriegs
gegen die Drogen. Dieser helfe vor allem der organisierten Kriminalität.
Die Wahrheit: Legale Bewusstseinserweiterung
Religiöse Erweckungserlebnisse lassen sich auch prima mit neuartigen,
politisch korrekten Drogen herbeiführen.
Drogenkontrolle in Ungarn: Urinieren für Fidesz und Vaterland
Mit „freiwilligen“ Drogentests an Schulen will die Regierung organisierte
Kriminalität bekämpfen. Auch Politiker und Journalisten könnten geprüft
werden.
Auf 13 Joints mit Helmut Höge: Mercedes für den Vietcong
Helmut Höge ist taz-Autor, taz-Hausmeister und Universalgelehrter. Wir
treffen uns mit ihm auf 13 Joints – oder so. Teil 11: Sterben und Erben.
Auf 13 Joints mit Helmut Höge: Bierforschung oder Dönerforschung?
Helmut Höge ist taz-Autor, taz-Hausmeister und Tierforscher. Wir treffen
uns mit ihm auf 13 Joints, oder so. Teil 9: Bürgerforscher.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.