# taz.de -- Schuldenstreit mit Griechenland: Die Pokerrunde | |
> Wird das internationale Hilfsprogramm nicht verlängert, droht Athen die | |
> Pleite. Die Euro-Gruppe wiederum will Angebote seitens der Griechen. Und | |
> nun? | |
Bild: Euros nach Athen tragen. | |
BERLIN taz | Das will Athen: Die griechische Regierung wehrt sich gegen das | |
Ultimatum der Eurogruppe. Die Vorschläge der anderen Finanzminister seien | |
„absurd“ und „inakzeptabel“. Die Eurozone würde „nur ihre Zeit | |
verschwenden“, wenn sie die bisherigen Vereinbarungen verlängern wolle. | |
„Ein bisschen Flexibilität reicht nicht“, sagte der griechische | |
Finanzminister Varoufakis, als er das Treffen am Montag platzen ließ. | |
Die Griechen verlangen eine sechsmonatige Übergangsfinanzierung, wollen | |
aber auf keinen Fall, dass das bisherige Hilfsprogramm einfach „technisch“ | |
verlängert wird. Denn sie fürchten, dass dann die Sparauflagen unverändert | |
gelten würden. | |
So ist bisher vorgesehen, dass die Griechen in diesem Jahr einen | |
Primärüberschuss von drei Prozent der Wirtschaftsleistung in ihrem | |
Staatshaushalt erzielen sollen. Ein Primärüberschuss ist das Plus, das | |
erreicht wird, wenn man die Zinszahlungen abzieht. Varoufakis hält jedoch | |
nur einen Primärüberschuss von 1,5 Prozent für möglich. Dies bedeutet einen | |
Unterschied von etwa 2,8 Milliarden Euro. | |
Zudem will die griechische Regierung 30 Prozent der bisher vereinbarten | |
Spar- und Reformauflagen nicht umsetzen und stattdessen durch | |
„maßgeschneiderte“ Schritte ersetzen. Allerdings hat Varoufakis bisher | |
keinerlei konkrete Vorschläge oder Zahlen vorgelegt, wie diese | |
„maßgeschneiderten“ Programme aussehen sollen, sodass unklar bleibt, wie | |
Griechenland seine Verpflichtungen erfüllen will. | |
Bisher hat Varoufakis nur zugesichert, dass die neue Linksregierung | |
zunächst darauf verzichtet, ihre Wahlversprechen umzusetzen, die etwa 11 | |
Milliarden Euro kosten würden. Dieses Geld hat Griechenland jedoch sowieso | |
nicht. Die Griechen haben zudem verlangt, dass die Europäische Zentralbank | |
(EZB) weiterhin Notkredite für die griechischen Banken bereitstellt. Doch | |
das konnten die Euro-Finanzminister gar nicht zusichern: Die Zentralbank | |
agiert unabhängig. | |
## Das will Europa | |
Die Eurozone hat Griechenland ein Ultimatum gestellt. Bis Mittwochabend | |
soll Finanzminister Varoufakis einen Vorschlag liefern, wie er sich neue | |
Hilfen für sein Land vorstellt. Dann könnte ein weiterer Sondergipfel der | |
Euro-Finanzminister stattfinden, wahrscheinlich am Freitag. Die Zeit | |
drängt, weil ein griechischer Staatsbankrott droht. Ende Februar läuft das | |
bisherige Rettungsprogramm aus, und ohne neue Hilfen hätte Griechenland | |
nicht das Geld, um fällige Schulden und Zinsen zu zahlen. | |
Die Euro-Finanzminister sind bereit, eine Übergangsfinanzierung von sechs | |
Monaten zu gewähren. Konkret geht es um etwa 18 Milliarden Euro, die aus | |
den bisherigen Rettungsprogrammen stammen und nicht ausgegeben wurden. | |
Gleichzeitig würde in aller Ruhe über ein neues langfristiges Hilfsprogramm | |
mit den Griechen verhandelt. | |
Der Streit dreht sich jetzt darum, wie diese Übergangsfinanzierung heißt | |
und was sie enthält. Beim letzten Treffen am Montag legten die | |
Euro-Finanzminister ein Dokument vor, in dem von der „technischen | |
Verlängerung des laufenden Programms“ die Rede war – was von den Griechen | |
prompt abgelehnt wurde. | |
In der Tat ist etwas unklar, was die Euro-Finanzminister eigentlich meinen. | |
Ihre Wortwahl könnte so verstanden werden, dass die bisherigen Sparauflagen | |
unverändert weiter gelten sollen. Allerdings versicherte Eurogruppen-Chef | |
Jeroen Dijsselbloem, dass es „innerhalb des Programms Raum für | |
Diskussionen“ gebe. Auch Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna sagte: | |
„Es gibt Flexibilität in dem Programm, wir müssen sie nutzen.“ | |
Die Euro-Finanzminister verlangen jedoch, dass Griechenland konkrete Zahlen | |
vorlegt. Im Detail ist nicht bekannt, wie sich die Steuereinnahmen seit | |
Herbst entwickelt haben – und es gibt auch keine Angaben aus Athen, welche | |
Reformen genau geplant sind. Bekannt ist nur, was die Griechen ablehnen. | |
## Der Weg zum Kompromiss | |
Obwohl die Fronten verhärtet sind, ist ein Kompromiss zwischen der Eurozone | |
und Griechenland wahrscheinlich. Der italienische Finanzminister Pier Carlo | |
Padoan sagte, dass er „unbesorgt“ sei und es „gar nicht infrage“ käme,… | |
Griechenland die Eurozone verlässt. „Ich bin überzeugt, dass wir am Ende | |
eine gemeinsame Grundlage und eine gemeinsame Entscheidung finden.“ Aber | |
wie könnte dieser Kompromiss aussehen? | |
Wichtig ist zunächst, dass die Eurozone den Griechen semantisch | |
entgegenkommt. Die neue Linksregierung hat ihren Wählern versprochen, dass | |
sie das alte Hilfsprogramm aufkündigt und dass viele Sparauflagen | |
zurückgenommen werden, die sich im „Memorandum“ finden. Also dürfen weder | |
das Wort „Programm“ noch „Memorandum“ irgendwo vorkommen. | |
EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hat am Montag bereits ein Papier | |
präsentiert, das auf diese Formulierungswünsche eingeht. Er vermeidet das | |
Wort „Programm“ und schlägt stattdessen vor, die „laufende | |
Kreditvereinbarung“ zu verlängern. Diesen Vorschlag hätte der griechische | |
Finanzminister Janis Varoufakis akzeptiert, wie er zu Protokoll gab. Auch | |
beim Streitthema „Primärüberschuss“ gibt es Bewegung. Der französische | |
Finanzminister Michel Sapin sagte am Dienstag, dass 1,5 Prozent in Ordnung | |
seien – übernahm also die griechische Position. | |
Bleibt das Problem, dass die Griechen nur 70 Prozent der Reformen umsetzen | |
wollen. Moscovici sagte am Montag, man könne sich darauf verständigen, die | |
anderen 30 Prozent durch neue Maßnahmen zu ersetzen – „aber sie müssen vo… | |
finanziert sein“. Übersetzt: Die Griechen werden kein neues Geld aus der | |
Eurozone bekommen. Der Kompromiss wäre also im Kern einfach: Die Eurozone | |
zahlt den Schuldendienst für die Kredite, die die Griechen schon haben – | |
und ansonsten können die Griechen selbst sehen, wie sie überleben. | |
## Letzter Ausweg: Grexit | |
Die griechischen Bürger haben Angst um ihr Geld. Sie fürchten, dass ihr | |
Land aus dem Euro ausscheiden könnte, und räumen daher die Konten. Seit | |
November sind schon zwanzig Milliarden Euro abgehoben worden – und der | |
Ansturm auf die Banken geht weiter. Inzwischen werden pro Tag etwa 500 | |
Millionen Euro abgehoben. | |
Die griechischen Banken wären längst pleite, wenn sie nicht Notkredite von | |
der griechischen Zentralbank erhalten würden, die von der EZB genehmigt | |
werden müssen. An diesem Mittwoch berät die EZB, ob die Notkredite für die | |
griechischen Banken verlängert und aufgestockt werden dürfen. Die EZB kann | |
den Griechen nur helfen, solange ein Hilfsprogramm läuft und kein | |
Staatsbankrott droht. Sollte es in den nächsten Tagen nicht zum Kompromiss | |
der Finanzminister kommen, muss die Notenbank die Notkredite streichen – | |
und alle griechischen Banken wären pleite. | |
Es käme zum „Grexit“: Griechenland müsste die Eurozone verlassen, obwohl | |
dies in den europäischen Verträgen nicht vorgesehen ist. Denn es könnte | |
seine Banken nur mit neuem Geld ausstatten, indem es Drachmen druckt. Es | |
ist noch immer unwahrscheinlich, dass es zum Grexit kommt – aber es ist | |
nicht undenkbar. Denn sowohl die Eurozone wie Griechenland könnten einen | |
Grexit überleben. | |
Die Eurozone würde zwar alles Geld verlieren, das nach Griechenland | |
verliehen wurde, weil die Griechen mit einer schwachen Drachme ihre | |
Euroschulden nicht zurückzahlen könnten. Aber faktisch ist dieses Geld | |
sowieso weg, weil die Griechen auch jetzt nicht in der Lage sind, ihre | |
Schulden abzubauen. Die Rückkehr zur Drachme würde für die Griechen | |
bedeuten, dass alle Importe sehr viel teurer würden. Aber es könnte auch | |
eine Chance sein, eine eigene Exportindustrie aufzubauen und stärker auf | |
Selbstversorgung zu setzen. | |
17 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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