# taz.de -- Parlamentswahl in Israel: 31 Frauen mit einer realen Chance | |
> Bei der Wahl im März kandidieren mehr Frauen als in der Vergangenheit. | |
> Eine Ultraorthodoxe hat eigens eine religiöse Frauenpartei gegründet. | |
Bild: Zipi Livni könnte theoretisch Regierungschefin werden. | |
JERUSALEM taz | Mehr Frauen als je zuvor werden nach der Wahl am 17. März | |
in Israels Parlament einziehen. 31 Kandidatinnen stehen auf | |
aussichtsreichen Listenplätzen. Insgesamt sitzen in der Jerusalemer Knesset | |
120 Abgeordnete. Weit vorn bei der Gleichberechtigung der Geschlechter ist | |
die linke Partei Meretz, bei der drei von sechs Kandidaten Frauen sind, | |
darunter die Parteichefin. Sehen lassen kann sich auch die Arbeitspartei | |
mit neun Frauen von insgesamt 25 Kandidaten, von denen wiederum sechs für | |
den Bündnispartner Hatnua von Zipi Livni reserviert sind. | |
Die beiden Parteien treten als Zionistisches Lager gemeinsam zu den Wahlen | |
an. Sollte das Zionistische Lager das momentane Kopf-an-Kopf-Rennen mit | |
Regierungschef Benjamin Netanjahus Likud-Partei für sich entscheiden, | |
könnte Livni nach zwei Jahren Regierungszeit entsprechend eines | |
Rotationsabkommens Ministerpräsidentin werden. | |
Vielen Männern dient in Israel die Armee als Sprungbrett in die Politik. | |
Auch Netanjahu war einst Mitglied einer militärischen Eliteeinheit. Bei den | |
Frauen sieht es anders aus. Die Benachteiligung in vielen Feldern bietet | |
den Kandidatinnen zugleich ein breites Themenspektrum für den Wahlkampf. | |
„Die magere Repräsentation der Frauen in politischen Schlüsselpositionen | |
schlägt sich nieder auf ungleiche Entlohnung und ungleiche Chancen auf dem | |
Arbeitsmarkt“, erklärt Revital Sweid, die Nummer 14 beim Zionistischen | |
Lager. Bis heute verdienen Frauen im Durchschnitt nur 65 Prozent dessen, | |
was ein Mann für dieselbe Arbeit bekommt. Etwa 20 Prozent der Frauen auf | |
dem Arbeitsmarkt haben Teilzeitstellen, während die Männer im | |
Angestelltenverhältnis nahezu alle vollbeschäftigt sind. | |
## Sexskandal bei der Polizei | |
Ein Problem ist außerdem die Gewalt gegen Frauen. In diesen Wochen macht | |
ein Sexskandal bei der israelischen Polizei Schlagzeilen. Vier führende | |
Kommandanten mussten bereits ihre Posten verlassen, weil sie unter | |
dringendem Verdacht der sexuellen Nötigung Untergebener stehen. | |
Sweid gehört zu den neuen Gesichtern in der Politik. Die studierte Juristin | |
und Expertin für das organisierte Verbrechen will sich dafür stark machen, | |
dass Frauen in Polizeiuniform ihre Vorgesetzten nicht länger fürchten | |
müssen. Wichtig sei außerdem, „die ungleiche Honorierung im öffentlichen | |
Dienst zu beenden“ und „bessere Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen zu | |
schaffen“. Ferner müsse die Betreuung von Kleinkindern steuerlich absetzbar | |
sein. | |
Die Vereinte Liste der arabischen Parteien schneidet mit nur zwei | |
Kandidatinnen von 15 erhofften Mandaten schlecht ab bei der | |
Gleichberechtigung. Aida Touma-Sleiman ist dennoch optimistisch. „Das ist | |
eine 100-prozentige Steigerung“, sagt sie. In der letzten Regierungsperiode | |
saß nur eine Frau für die arabischen Parteien in der Knesset. Auch | |
Touma-Sleiman gehört zu den neuen Parlamentariern. „Ich war oft die erste | |
Frau und habe immer dafür gesorgt, dass nach mir mehr Frauen kommen.“ | |
Allein die Tatsache, dass sie, die als „kämpferische Feministin“ bekannt | |
sei, überhaupt aufgestellt worden sei, beweise, „dass wir Frauen immer mehr | |
zum Mainstream werden“. | |
## Kein Platz auf den Männerlisten | |
Auf recht verlorenem Posten sitzt vorerst Ruth Colian mit der von ihr | |
gegründeten Partei B’Zhutan für ultraorthodoxe Frauen. Sie selbst rechnet | |
zwar optimistisch mit „fünf bis sechs Mandaten“, aber sie dürfte indes ka… | |
die Hürde von 3,25 Prozent der Stimmen schaffen. Die 33-jährige | |
Jurastudentin und Mutter von vier Kindern wagte den Alleingang, nachdem sie | |
bei den ultraorthodoxen Parteien Schass und Judentum und Thora – beide sind | |
reine Männerlisten – kein Gehör fand. | |
„Die ultraorthodoxe Frau steht an unterster Stelle in der sozialen | |
Hierarchie“, erklärt Colian, die sich für eine bessere Aufklärung der | |
frommen Frauen über ihre sozialen Rechte einsetzen will. Häusliche Gewalt | |
sei für die ultraorthodoxen Frauen „doppelt und dreimal“ so schwer zu | |
ertragen wie für weltliche. Oft würden Familien und Gemeinden die Frauen | |
ächten, wenn sie ihre Männer anzeigten. Von 14 Frauenhäusern gäbe es | |
derzeit landesweit nur ein einziges für fromme Frauen. | |
„Wir haben 7.500 Schekel an Spenden eingenommen“, sagt Colian. Von den | |
umgerechnet kaum 1.500 Euro will sie ihren Wahlkampf finanzieren. Trotzdem | |
ist die junge Frau entschlossen, „Geschichte zu machen“. | |
7 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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