# taz.de -- Rechtsanwalt über Anti-Doping-Gesetz: „Der Sport muss milder str… | |
> Rechtsanwalt Michael Lehner über die Schwachstellen des Entwurfs, | |
> datenschutzrechtliche Bedenken und die Kollision von Sportrecht und | |
> Strafrecht. | |
Bild: „Die Schnittstellen zwischen Sportrecht und Staatsrecht müssen harmoni… | |
taz: Herr Lehner, der Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes wurde zuletzt massiv | |
kritisiert, insbesondere durch den Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB). | |
Zu Recht? | |
Michael Lehner: Ich habe den Eindruck, dass der DOSB im Grunde das Gesetz | |
nicht will. Die Angst etwa um den Fortbestand der eigenen | |
Sportgerichtsbarkeit ist sehr groß. | |
Vor einigen Wochen hat DOSB-Chef Alfons Hörmann gesagt, der Gesetzentwurf | |
sei in der Grundtendenz richtig. | |
Es hört sich immer gut an, wenn man sagen kann: Wir setzen ein Zeichen | |
gegen Doping. Dazu gehört auch die Unterstützung eines staatlichen | |
Gesetzes. Das verdeckt dann auch ein wenig die Problematik, dass der | |
Verband mit seinen Leistungsanforderungen den Sport ja selbst auch anfällig | |
für Betrug macht. | |
Dabei könnte der DOSB doch froh sein, wenn der Staat erstmals die | |
Sportgerichtsbarkeit gesetzlich verankern und damit stärken will. | |
Der Staat wird sich hüten, eine bereits von einem Oberlandesgericht als | |
Verstoß gegen den Ordre public bewertete Sportgerichtsbarkeit gesetzlich | |
für den Sport einzuführen. | |
Welche? | |
Nach dem neuen Code der Wada (Welt-Anti-Doping-Agentur; d. Red.) können | |
Sportler vier Jahre gesperrt werden. Anders als bei staatlichen Gerichten | |
muss der Athlet aber seine Unschuld nachweisen. Wenn nun ein Athlet | |
nachträglich von einem staatlichen Gericht freigesprochen wird, fürchten | |
die Sportfunktionäre sich vor Rückschlägen aufs eigene System – und vor | |
drohenden Schadensersatzklagen. | |
Was muss passieren? | |
Die Schnittstellen zwischen Sportrecht und staatlichem Recht müssen | |
harmonisiert werden. Wenn Sie sehen, dass Sportlern künftig neben einer | |
vierjährigen Sperre durch die Wada auch noch das Strafmaß des | |
Anti-Doping-Gesetzes droht, wird es unverhältnismäßig. Das Sportrecht muss | |
milder strafen. | |
Das will der DOSB aber nicht. | |
Der DOSB sperrt sich, weil die Veränderungen mit dem Wada-Code nicht | |
vereinbar wären. Der Verband steckt in einer Zwickmühle. | |
Sehen Sie einen Ausweg? | |
Das Sportrecht hat sich aufgrund seiner geringen Ermittlungsmöglichkeiten | |
mit der Beweislastumkehr beholfen. Wenn ich aber so hart strafe, gerate ich | |
in einen Konflikt. Die Konsequenz müssen mildere Strafen sein. | |
Was heißt das? | |
Im Sportrecht sollte man nur eine Strafe von bis zu sechs Monaten | |
veranschlagen. Alles, was darüber hinausgeht, sollte man dem Staat | |
überlassen, der auch die Aufklärungsmittel hat. | |
Aber es blieben die Probleme mit dem Wada-Recht. Ihr Vorschlag hilft den | |
Sportfunktionären nicht aus der Klemme. | |
Muss ich mein deutsches Verfassungsrecht so unter den Scheffel stellen, | |
weil es international anders gesehen wird? Wenn ich ein staatliches | |
Anti-Doping-Gesetz mit den beschriebenen Auswirkungen habe, bleibt das | |
gesamte Sportrechtssystem nicht unberührt. | |
Sie sprechen von Auswirkungen auf die Wada? | |
Was passiert, wenn ein vom Sportgericht verurteilter Athlet vom Staat | |
freigesprochen wird? Ich könnte mir vorstellen, dass der | |
Sportsanktionsspruch dann automatisch aufgehoben wird. Und der Sport müsste | |
Schadenersatz zahlen. | |
Sie plädieren seit einigen Jahren für ein Anti-Doping-Gesetz. Ist der | |
jetzige Entwurf ein Meilenstein, wie die Bundesregierung behauptet? | |
Das Eigenlob stammt von den Verfassern des Gesetzentwurfs selbst. Von außen | |
gesehen hat das Gesetz noch einen großen Nachbesserungsbedarf. | |
Wo noch? | |
Auch die Öffnung der Datenschleuse in Richtung Nada (Nationale | |
Anti-Doping-Agentur; d. Red.) ist bedenklich. Dass eine Privatorganisation | |
Einblick in staatliche Ermittlungen erhalten soll, ist datenschutzrechtlich | |
problematisch. Von der Nada gehen die Daten ja weiter an die Wada, dann | |
möglicherweise an den Veranstalter nach Timbuktu oder sonst wohin. | |
Ist es realistisch, dass das Gesetz noch auf eine vernünftige Basis | |
gestellt wird? | |
Das frage ich mich auch. Ich sehe angesichts der reichlichen Kritik von | |
allen Seiten eine gefährliche Phase für den Referentenentwurf. Das | |
Parlament könnte zu dem Schluss kommen: Dann machen wir es lieber nicht. | |
Für die Bundesregierung wäre das eine Niederlage. | |
Deshalb werden wir vermutlich doch ein Gesetz bekommen. Der Paragraf 11, | |
die Schiedsgerichtsbarkeit, wird wohl fallen. Mutmaßlich wird es noch | |
Korrekturen beim Datentransfer geben. Die übrigen Punkte wird man wohl im | |
Großen und Ganzen so belassen. | |
Wäre das zufriedenstellend? | |
Insofern ja, weil der Staat im Anti-Doping-Kampf Flagge zeigt. | |
27 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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