# taz.de -- Menschenrechte in Afghanistan: Das Erbe der Straflosigkeit | |
> Ein neuer Bericht von Human Rights Watch dokumentiert | |
> Menschenrechtsverletzungen. Die neue Generation von Akteuren steht unter | |
> westlichem Schutz. | |
Bild: Afghanische Polizisten: Vertreter des Rechtsstaats oder Handlanger brutal… | |
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zeigt in einem am | |
Dienstag veröffentlichten Bericht detailliert auf, wie afghanische | |
Machthaber, die eigentlich demokratisch sein sollten, nach dem Sturz des | |
Taliban-Regimes 2001 weiter massive Menschenrechtsverletzungen und | |
Kriegsverbrechen begehen. Laut HRW handelt es sich um eine neue Generation | |
von Akteuren. | |
Im Gegensatz zu den Warlords der 1990er und den kommunistischen Generälen | |
der sowjetischen Besatzungszeit der 1980er Jahre, handelten die heutigen | |
Machthaber teilweise in direktem Einverständnis mit westlichen Militärs und | |
Geheimdiensten. | |
Der Report sieht eine Hauptursache dafür im „Erbe der Straflosigkeit“. In | |
früheren Phasen des über 35-jährigen Kriegs begangene Verbrechen wurden nie | |
gerichtlich verfolgt. Viele Verantwortliche avancierten stattdessen zu | |
Verbündeten des Westens und der bis 2014 amtierenden Karsai-Regierung im | |
Kampf gegen die Taliban. 2008 hatten Ex-Warlords, Ex-Kommunisten und sogar | |
einige Ex-Taliban im Kabuler Parlament eine Selbstamnestie beschlossen. | |
Laut HRW haben westliche Regierungen „kurzfristige militärische Lösungen“ | |
gegenüber menschenrechtlichen Erwägungen bevorzugt. | |
Die Beispiele im Bericht zeigen einen Querschnitt durch das Spektrum der | |
regulären und irregulären Streitkräfte, die unter Führung der USA als | |
Gegenkräfte zu den Taliban aufgebaut wurden. | |
## Willkürliche Erschießungen | |
So startete etwa Kommandeur Azizullah aus der Südostprovinz Paktika, dem | |
unter anderem willkürliche Erschießungen von Zivilisten, darunter Kindern, | |
vorgeworfen werden, seine Karriere als Chef einer irregulären Miliz. Die | |
machte gemeinsam mit CIA-Kräften Jagd auf Aufständische. Ein afghanischer | |
Analyst, der Azizullahs Region gut kennt, beschreibt gegenüber der taz das | |
Vorgehen solcher Kräfte: „Sie werden von niemandem kontrolliert, übergeben | |
keine Gefangenen, sondern lassen sie verschwinden.“ | |
Assadullah Chalid wurde 2012 Chef des Geheimdienstes, obwohl kanadische | |
Diplomaten 2009 im Parlament von Ottawa ausgesagt hatten, dass er | |
persönlich Taliban-Verdächtige gefoltert habe. Zudem wird ihm in mehreren | |
Fällen sexuelle Gewalt angelastet. Zwei der von HRW Belasteten kooperierten | |
auch mit deutschen Akteuren. | |
Mir Alam, ein Ex-Mudschaheddin-Kommandeur aus Nordafghanistan, kontrolliert | |
ein ganzes Netzwerk von Polizei- und Milizeinheiten, obwohl er seit 2007 | |
keine offizielle Position mehr bekleidet. Ihm verbundene Milizen sollen | |
Hilfe von der Bundeswehr erhalten haben, was diese allerdings bestreitet. | |
2012 verübte eine davon im Dorf Konam-i-Kalan in der Provinz Kundus ein | |
Massaker an Zivilisten. | |
Noch prominenter ist Provinzgouverneur Atta Mohammad im nördlichen | |
Masar-i-Scharif, wo das Hauptquartier des deutsch geführten | |
Regionalkommandos der neuen Nato-Mission Resolute Support ist. Ihm | |
unterstehende Kommandeure sollen innerhalb der Polizei Kidnapping-Ringe | |
unterhalten haben und für eine Reihe von Morden verantwortlich sein. | |
4 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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